Viersen Barfuß im Schwanensee

Viersen · Die südafrikanische Ballettmeisterin Dada Masilos verband Elemente des klassischen, des modernen und des afrikanischen Tanzes miteinander. Das Publikum in der ausverkauften Festhalle war begeistert

 In Dada Masilos Version von Tschaikowskis Schwanensee gibt es Tutus, aber keine Ballettschuhe. Die Mitglieder der Tanzkompanie "The Dance Factory Johannesburg" beeindruckten mit artistischer Leistung.

In Dada Masilos Version von Tschaikowskis Schwanensee gibt es Tutus, aber keine Ballettschuhe. Die Mitglieder der Tanzkompanie "The Dance Factory Johannesburg" beeindruckten mit artistischer Leistung.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Tschaikowskis Schwanensee gehört zu den besonders beliebten Ballettkreationen. Als Meilenstein der klassischen Ballettkultur findet die getanzte Geschichte vom Prinzen Siegfried und der verzauberten Schwanenprinzessin Odette nach wie vor ein begeistertes Publikum. Aber nicht die tradierte Fassung fand in der ausverkauften Festhalle ein begeistertes Publikum, sondern eine ebenso eigenwillige wie mitreißende Neufassung.

Tutus gab es, Ballettschuhe für den Spitzentanz nicht. Es wurde barfuß getanzt. In jeder Szene merkte man, dass Dada Masilo, die südafrikanische Tänzerin und Choreografin, sich gleichermaßen dem klassischen wie dem modernen Ballett verbunden fühlt und beides mit der Welt des afrikanischen Tanzes in Verbindung bringt. Figuren des klassischen Balletts finden wie Zitate ihren Platz. Da wird mit den Füßen fast getrillert, große Sprünge finden ihren Stellenwert im Ganzen. Elemente des modernen Balletts gehören genauso dazu.

Viel Platz ist pantomimischer Feinarbeit gewidmet, skurrile Bewegungen bringen Abwechslung ins Spiel. Viel Vitalität gewinnt die Inszenierung durch den afrikanischen Tanz. Da kommt eine entfesselte Motorik hinzu, eine ungebändigte Lebenslust wird in Szene gesetzt. Und die Tänzer haben nicht nur zu tanzen, man hört sie auch sprechen, rufen, schreien und kreischen. "Sie singen", so die Begründung von Dada Masilo, "in der Brautpreis- und in der Hochzeitsszene genau so, wie das bei traditionellen afrikanischen Festen der Fall ist." Dabei geht es auch schon einmal laut zu. Das ist beabsichtigt.

"Der Lärm", sagt Masilo, "ist Teil unserer Kultur." Da mischen sich absichtlich Realität und Vorurteil. Genau das soll zum Thema gemacht werden. "Meist halten uns andere Menschen für laut und extrem energiegeladen. Mit diesen Wahrnehmungen und Vorurteilen spiele ich." Gesprochen wurde am Beginn der Aufführung auch ein Text, der humorvoll Klischees übers klassische Ballett aus der Sicht eines unbedarften Ignoranten aufzeigte.

Die einstündige Aufführung eine Modernisierung des Tschaikowski-Klassikers zu nennen, würde zu kurz greifen. Gewiss, die Handlung wird verändert. Der Prinz Siegfried ist jetzt homosexuell. Doch statt sich zu seinem Freund zu bekennen, wird ihm eine arrangierte Ehe mit einer ungeliebten Frau aufgezwungen. Das endet zwangsläufig in einer Tragödie. Gleichgeschlechtliche Liebe wäre zu Tschaikowskis Zeiten in Russland wohl kaum in einer Ballett-Aufführung darzustellen gewesen, eine Mischung von europäischem und afrikanischem Tanz wohl ebenso wenig. Aber bei allem Neuen, das in der Inszenierung steckt, spürt man andererseits stets die große Bewunderung für das Original. In das Ballett Schwanensee, sagte Masilo einmal, habe sie sich im Alter von zwölf Jahren total verliebt. Das spürt man noch heute.

Spannung zwischen Bewahrung und Veränderung entsteht auch durch den Umgang mit Musik. Tschaikowskis Melodien kommen vor. Sie werden aber ergänzt durch andere, afrikanische wie europäische. Dass "Der Schwan" von Camille Saint-Saëns jetzt dazugehört, ist nur konsequent.

Die Mitglieder der Tanzkompanie "The Dance Factory Johannesburg" beeindruckten nicht nur durch ihre große künstlerische, sondern auch durch eine beachtlich große artistische und konditionelle Leistung. "Das war ein richtiges Erlebnis", entfuhr es beim Hinausgehen mehreren Zuschauern.

(-tr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort