Viersen Birkenhof: Kündigungen zum 1. März

Viersen · Am Aschermittwoch ist auch beim Fleischwerk alles vorbei. Nur etwa zehn von 80 Beschäftigten wechseln in die Transfergesellschaft. Arbeitsmarktexperte Mühge bedauert: Man hätte mit wenigen Mitteln mehr erreichen können

 Im Fleischwerk Birkenhof an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße ist die Produktion eingestellt. "Keiner mehr da", sagt der Betriebsratsvorsitzende Uwe Jansen. Das Aus für den Standort war seit Sommer vergangenen Jahres beschlossene Sache.

Im Fleischwerk Birkenhof an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße ist die Produktion eingestellt. "Keiner mehr da", sagt der Betriebsratsvorsitzende Uwe Jansen. Das Aus für den Standort war seit Sommer vergangenen Jahres beschlossene Sache.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Wenn Uwe Jansen in diesen Tagen zur Arbeit geht, herrscht dort gespenstische Stille. "Alles vorbei. Die Produktion ist eingestellt. Keiner mehr da. Man sieht sich nicht mehr", sagt der Betriebsratsvorsitzende des Fleischwerks Birkenhof. Am heutigen Donnerstag und morgen werden noch einmal rund 70 der 80 Mitarbeiter zur Ernst-Moritz-Arndt-Straße kommen, um im Betriebsratsbüro ihre betriebsbedingte Kündigung abzuholen. "Etwa zehn Mitarbeiter gehen in die Transfergesellschaft."

Das "Aus" für das Viersener Fleischwerk mit seinen derzeit noch rund 80 Mitarbeitern ist seit Sommer vergangenen Jahres beschlossene Sache. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hatte zugestimmt. Birkenhof war eine Tochter von Kaiser's Tengelmann mit drei Fleischwerken in Deutschland und belieferte die rund 450-Kaiser's-Supermärkte. Zum 1. Januar dieses Jahres übernahm Edeka die Fleischwerke. Der Viersener Standort war als einziger im Übernahmepoker von Kaiser's Tengelmann "geopfert" worden.

Zu Edeka selbst wechselt laut Betriebsrat niemand. "Jeder hat ein Jobangebot erhalten, aber die Stellen waren in Niedersachsen und Hamburg. Bei mir zum Beispiel war es eine Stelle in Sachsen-Anhalt", erzählt Jansen. Edeka habe auch wie vereinbart 25 Prozent "zumutbare" Arbeitsplätze in Essen angeboten, aber auch das habe niemand in Anspruch genommen. Viele Birkenhof-Mitarbeiter sind Anfang 50 und oft schon seit Jahrzehnten in dem Viersener Fleischwerk tätig.

Ende Januar hatte der Birkenhof-Betriebsrats mit Edeka den Sozialplan verhandelt. "Wir standen unter dem Druck, dass wir zur Einigungsstelle müssen, wenn wir kein Ergebnis erzielen. Aber wir haben das Beste daraus gemacht. Was wir erreicht haben, geht über den Sozialtarifplan hinaus", sagt Jansen.

Die Abfindung fällt für alle Mitarbeiter nun deutlich höher aus. "Für diejenigen, die in die Transfergesellschaft gehen, ist die Abfindung geringer. Aber sie müssen nicht - wie erst geplant - die Hälfte ihrer Abfindung als Eintrittsgeld in die Transfergesellschaft zahlen", erklärt der Betriebsratsvorsitzende. Darüber hinaus habe man für Kollegen mit Schwerbehinderung und steuerpflichtigem Kind eine Erhöhung der Extra-Zahlung um 500 Euro erwirkt.

"Der Betriebsrat hat den Sozialplan entscheidend verbessert", sagt Gernot Mühge. Der Arbeitsmarktforscher und Experte für Transfergesellschaften vom Helex-Institut in Bochum hat die Verhandlungen zwischen Birkenhof und Edeka begleitet. Der Viersener Betriebsrat hatte ihn als Sachverständigen beauftragt.

"Arbeits- und sozialpolitisch gesehen ist das Ergebnis bedauerlich. Man hätte mit wenig Mitteleinsatz viel mehr für die soziale Sicherheit der Beschäftigten erreichen können", sagt Mühge. Die Verhandlungen seien hart gewesen, ergänzt der Experte. Strittig waren und blieben bis zum Schluss, das "Eintrittsgeld" für die Transfergesellschaft und die Auswahl des Transferträgers. "Schon die Tatsache, dass man es Eintrittsgeld nennt, deutet daraufhin, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten vom Eintritt in die Transfergellschaft fernhalten wollte", sagt der Arbeitsmarktforscher. Bereits im Sozialtarifvertrag vom Sommer 2016 war ein "Eintrittsgeld" vorgesehen, das sich an der Höhe der Abfindung bemisst. Am Ende sei seine Höhe abgemildert worden.

Bei der Wahl des Transferträgers sei Edeka hart geblieben. Das Unternehmen bestand auf einem Transferträger mit Sitz in Potsdam, während der Betriebsrat sich nach Qualitätskriterien einen Träger vor Ort ausgesucht hatte. "Eigentlich ist es üblich, dass der Betriebsrat den Träger auswählt, aber es gab von der Edeka-Seite keine Kompromissbereitschaft. Argumente für den Potsdamer Träger sind nicht ersichtlich."

Grundsätzlich seien Transfergesellschaften besser als ihr Ruf, sagt der Arbeitsmarktforscher. "Sie sind ein gutes und wirksames Instrument. Vor allem von den Beschäftigten erhalten Transfergesellschaften gute Bewertungen. Studien zeigen, dass etwa 80 Prozent der Transferteilnehmer mit deren Leistungen zufrieden oder sehr zufrieden sind", erklärt Mühge.

Die Vermittlungsquote von 50 Prozent - ähnlich wie bei der Bundesagentur für Arbeit - sei nur ein Teil der Leistung. "Viele haben eine hervorragende Beratung. Die Beschäftigten werden in einer schwierigen sozialen Situation aufgefangen. Das ist wichtig." Zusätzlich bietet die Transfergesellschaft Qualifizierung, Bewerbungstraining und Unterstützung bei der Stellensuche.

Für die Arbeitgeber habe eine Transfergesellschaft den Vorteil, dass sie damit vor einer Kündigungsschutzklage sicher sind, weil der Eintritt in die Transfergesellschaft mit einem Aufhebungsvertrag verbunden ist. "Es besteht aber für den Arbeitgeber keine Pflicht, eine Transfergesellschaft einzurichten." Es sei schade, dass im Fall Birkenhof das Instrument Transfergesellschaft nicht besser genutzt worden sei.

(RP)
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