Brüggen Bürger protestieren gegen Unterkunft

Brüggen · In Brüggen wehren sich Anwohner gegen die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft. Der Rat gab ihrem Protest nicht statt. Allerdings soll eine Bushaltestelle verlegt werden, damit Kinder nicht an der Unterkunft vorbeigehen müssen.

 Am Bernhard-Röttgen-Waldweg befindet sich neben Einfamilienhäusern, im Hintergrund sichtbar, auch ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der Firma Menz & Könicke. Dort will die Gemeinde Brüggen ab April Flüchtlinge unterbringen.

Am Bernhard-Röttgen-Waldweg befindet sich neben Einfamilienhäusern, im Hintergrund sichtbar, auch ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der Firma Menz & Könicke. Dort will die Gemeinde Brüggen ab April Flüchtlinge unterbringen.

Foto: Busch

Einstimmig hat der Brüggener Rat die Beschwerde von Anwohnern abgelehnt, am Bernhard-Röttgen-Waldweg eine Flüchtlingsunterkunft einzurichten. Die Gemeinde möchte zum 1. April in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma Menz & Könicke 60 Asylsuchende unterbringen. Anfang Februar gab es bereits eine Bürgerversammlung, bei der sich Bürgermeister Frank Gellen (CDU) Fragen der Anwohner stellte.

Sie fühlten sich zu spät informiert und übten Kritik: Zum einen liege der Jägerhof, derzeit mit 50 Flüchtlingen belegt, in der Nähe - die Ballung sei nicht verträglich für ihre kleine Wohnstraße. Manche äußerten Sorge, Kinder allein auf die Straße und zur Bushaltestelle gehen zu lassen. Andere fürchteten, auf bunte Tücher in den Fenstern der Unterkunft blicken zu müssen, erwarteten Lärm und eine Wertminderung ihrer Immobilien.

Im Protest schlossen sich Anwohner in einer Bürgerinitiative zusammen und beantragten, von dem Standort Abstand zu nehmen. In einem Schreiben richten sich 71 Unterzeichner (laut Gemeindeverwaltung nicht alle vom Bernhard-Röttgen-Waldweg) an den Rat, ebenso wie an den Landrat des Kreises Viersen, Andreas Coenen (CDU). "Wir schicken voraus, dass wir grundsätzlich diesen Protest nicht aus Gründen der Ausländerfeindlichkeit vorbringen", heißt es eingangs. Doch nach dem Baugesetzbuch müssten sich bauliche Anlagen in das Wohnumfeld einfügen. Die Mitglieder der Bürgerinitiative glauben nicht, dass "dies im Falle der geplanten Großunterkunft" gegeben sei. Sie rechnen mit "einer erheblichen Veränderung" in ihrem Wohnumfeld, würden "auf kleinstem Raum 60 Leute untergebracht". Und weiter: "Dies widerspricht unseres Erachtens den Vorgaben des Baurechts, da es gebietsunverträglich ist. Des Weiteren sind Einrichtungen für soziale Zwecke in der geplanten überdimensionalen Größe für unser geschütztes Wohngebiet nicht betriebsverträglich." Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass dort seit Jahren ein großes Bürogebäude vorhanden sei. "Jede neue Nutzung muss sich in die Struktur einer derart kleinen Wohnstraße einfügen", heißt es weiter.

Die Anwohner nehmen an, dass sich die Asylsuchenden "voraussichtlich für beträchtliche Zeiträume außerhalb des Gebäudes und in der näheren Umgebung aufhalten. Dies wird insbesondere in den Sommermonaten und Abendstunden zu erhöhter Lärmbelästigung führen, sowie tagsüber zu einer Bewegungseinschränkung der Kinder." Das Sicherheitsgefühl aller Anwohner werde dadurch "erheblich beeinträchtigt", schreiben sie. Und weiter: "Davor haben wir einfach Angst. ,Was zu viel ist, ist zu viel.'"

In der Ratssitzung, der viele Bürger als Zuhörer beiwohnten, erklärte zunächst Gerd Schwarz, Fachbereichsleiter bei der Verwaltung, dass es sich bei dem Schreiben nicht um einen Einwohnerantrag handele, sondern um eine Anregung oder Beschwerde. Für einen Einwohnerantrag fehle es an bestimmten Formerfordernissen, etwa an der erforderlichen Zahl von Unterschriften. In ihrer Vorlage zur Ratssitzung führte die Verwaltung aus, dass die Bedenken der Anwohner "zumindest zum Teil verständlich und nachvollziehbar" seien. Allerdings gebe es derzeit keine alternativen Unterbringungsmöglichkeiten für die zugewiesenen Asylbewerber.

Dazu schickte die Bürgerinitiative kurz vor der Ratssitzung ein Ergänzungsschreiben an den Rat: Es gebe sehr wohl Alternativen. Die Gemeinde könne auf einem gemeindeeigenen Grundstück an der Solferinostraße in Bracht Container aufstellen. Der Argumentation der Verwaltung, Container seien nicht verfügbar und zu teuer, halten die Anwohner eigene Recherchen entgegen: Danach bestätigten zwei Firmen, Container könnten kurzfristig zum Mieten oder Kaufen zur Verfügung gestellt werden. Der Argumentation der Verwaltung, Container seien zu teuer, halten die Anwohner ihre eigenen befürchteten Verluste entgegen: "Der Punkt ,zu teuer' kann aus unserer Sicht kein maßgebliches Argument sein, wenn über den Zeitraum der Einrichtung die bestehenden Immobilien im Umfeld enorm an Wert verlieren und teilweise sogar unverkäuflich werden."

Mit Blick auf die Kritikpunkte der Nachbarn plant die Gemeinde nun, die Bushaltestelle zu verlegen, damit die Kinder der Anwohner nicht an der Flüchtlingsunterkunft vorbeigehen müssen. Auch soll die Fensterfront einheitlich gestaltet werden. Den Bewohnern wolle man Regeln vermitteln, die Gemeinde werde als Ansprechpartner ständig erreichbar sein. Es werde ein Security-Dienst eingerichtet, der Vorraum im Gebäude solle als Aufenthaltsraum dienen. Bürgermeister Gellen äußerte Verständnis für die Bedenken der Anwohner. "Schweren Herzens" empfahl er dem Rat, der Beschlussvorlage zu folgen.

Thomas Schmidt (CDU) lobte die Verwaltung für die vorausschauende Planung, schließlich wolle man "weg von Industriebrachen oder Turnhallen, die als Wohnraum genutzt werden". Gottfried Optenplatz (SPD) stellte "Vorbehalte der Leute" fest, "die im Gebiet immer in Ruhe gelebt haben. Aber welche Möglichkeiten haben wir denn? Wir können nicht auf ewige Zeit den Schulsport- und Schwimmbetrieb in Bracht lahmlegen." Optenplatz machte auch deutlich: "Das sind keine Kriminellen, sondern Menschen wie alle hier in der Gemeinde." Für die Grünen erklärte René Bongartz, auch für seine Fraktion komme eine Container-Lösung nicht in Frage. Andreas Bist (FDP) bemerkte mit Blick auf die Bundespolitik: "Sie müssen leider Gottes ausbaden, was von oben beschlossen wurde."

Die Bürgerinitiative will nichts unversucht lassen. Im Schreiben an den Landrat kündigt sie an, vor dem Verwaltungsgericht klagen zu wollen. Die Anwohner wollten "mit allen uns zur Verfügung stehenden legalen bürgerrechtlichen Mitteln gegen die Nutzungsänderungsgenehmigung" angehen.

(bigi)
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