Analyse CDU und SPD wagen ein Experiment

Kreis Viersen · Die beiden Parteien haben "Kernthemen für politische Schwerpunkte in der Kreistagswahlzeit bis 2020" festgelegt. In acht "Handlungsfeldern" haben sie einen "roten Faden" für Themen entwickelt, die im Kreistag und in der Kreisverwaltung bearbeitet werden.

Vor sechs oder sieben Jahren wäre ein politischer Handlungspakt zwischen Parteien im Kreis Viersen undenkbar gewesen. Zu fern waren sich die damaligen Spitzenvertreter - politisch und menschlich. Das hat sich geändert. CDU und SPD haben sich jetzt sogar darauf verständigt, bis zum Ende der Wahlzeit 2020 im Kreistag zusammenzuarbeiten. Beide Parteien haben Grüne und FDP eingeladen, sich ebenfalls einzubringen.

Möglich machte diese Annäherung ein reinigendes Gewitter nach der Kommunalwahl 2009 innerhalb der CDU. Rudi Alsdorf, Fraktionsvorsitzender im Kreistag, nervte mit rückwärtsgewandter Wadenbeißerei politische Gegner und Parteifreunde. Der Vorsitzende der Kreis-CDU, Marcus Optendrenk, brachte hinter den Kulissen immer mehr einflussreiche Parteifreunde auf seine Seite. Er wollte mit einigen anderen, gar nicht einmal nur jüngeren Mitgliedern die Union modernisieren und den Mief jenes Führungsstils abschütteln, der in der Konfrontation mit dem politischen Gegner den größten Lustgewinn verspürte - ohne dass für Bürger dabei etwas herausgekommen wäre.

Optendrenk fand in dem SPD-Kreisvorsitzenden Udo Schiefner einen kongenialen Partner. Der Kempener hatte keine Lust mehr auf aussichtslose Kämpfe um sozialdemokratische Schaufensteranträge im Kreistag. Beiden war vor allem aber eines klar: Die Haushaltslage des Kreises, der Städte und der Gemeinden war katastrophal. Auf dieser Ebene fanden sie die Basis, es mit einer gedeihlichen Zusammenarbeit im Kreistag zu versuchen. Einig waren sie sich auch darin, dass die bleierne Zeit in der Wirtschaftsförderung des Kreises dringend beendet werden musste. Während Schiefner aber mit der SPD ohne Federlesens den Wechsel in der Geschäftsführung vollzogen hätte, zog Optendrenk es vor, das "System Adolphs" still und unspektakulär auslaufen zu lassen. Das führte zwischenzeitlich zu Meinungsverschiedenheiten, erschütterte aber die G8-Runde nicht. Optendrenk und Schiefner hatten das Aufeinanderzugehen erweitert, indem sie die Grünen und die FDP auf Parteiebene ins Boot holten. Mit dem nach Alsdorfs Abgang neu installierten Fraktionsvorsitzenden im Kreistag, Michael Aach, konnte in der politischen Alltagsarbeit die Annäherung beginnen. Rudi Alsdorf hatte es vorgezogen, sich entmachten zu lassen, die CDU zu verlassen und sein Mandat fraktions- und wirkungslos bis 2014 zu behalten. G8 - eine sprachliche Erfindung des CDU-Kreisgeschäftsführers Jacky Kampe - wurde zum Synonym der Runden von je vier Partei- und Fraktionsvorsitzenden im Kreis für CDU, SPD, FDP und Grüne. Erst sehr spät ließ sich auch Landrat Peter Ottmann auf die Konstellation ein, der er anfangs mit Misstrauen und Unbehagen begegnet war. Zu Alsdorf hatte er lange Zeit mehr Vertrauen gehabt.

Jetzt sind zwei Partner einen Schritt weiter gegangen. Nach Debatten auf Ebene der Kreisvorstände gibt es jetzt ein kommunales Handlungsprogramm bis zum Ende der Wahlzeit 2020. Mit CDU-Landratskandidat Dr. Andreas Coenen ist es abgestimmt. Udo Schiefner spielte dabei in der SPD ein riskantes Spiel. Der Vorstand verzichtete nach eingehenden Beratungen auf einen eigenen Landratskandidaten für die Wahl im September. Der neue Fraktionschef Hans Smolenaers fasst es in dem ihm eigenen Pragmatismus zusammen: "Die Mehrheitsverhältnisse im Kreistag ändern sich mit der Landratswahl nicht." Natürlich scheut die SPD auch den Aufwand eines Wahlkampfes, den vermutlich gerade einmal 30 Prozent der Bürger überhaupt wahrnehmen werden.

Ob Schiefner nun Optendrenk für ein gemeinsames Handlungspapier erwärmte oder umgekehrt - es spielt keine Rolle. Die Parteispitzen haben darin formuliert, worin sie übereinstimmen. Dahinter steht die klare Gewissheit, dass Kommunalpolitik nur bedingt im parteipolitischen Farbenspiel gestaltet werden sollte. "Mitglied einer Partei bin ich wegen ihrer grundsätzlichen Ausprägung, die aber auf Bundes- und höchstens auf Landesebene zu finden ist. Kommunalpolitik muss sich an den Menschen messen lassen", sagt Hans Smolenaers.

Es gibt weder SPD-Gehwege noch CDU-Zebrastreifen in einer Gemeinde. Politischer Gestaltungsspielraum wird, gerade unter der Fuchtel von Gesetzen und Verordnungen, denen Kommunen zunehmend machtlos gegenüberstehen, immer geringer. Die Regionalplanung aus Düsseldorf greift sogar in das wertvollste Gut kommunaler Selbstbestimmung ein: die Planungshoheit. Die CDU macht das allerdings eher kritisch zum Thema als SPD und Grüne, die in Düsseldorf die Regierung stellen.

CDU und SPD haben sich entschlossen, einen langen Weg gemeinsam zu gehen, weil sie für die Bürger etwas erreichen wollen. In ideologischen Kleinkriegen wie anno dunnemals will sich keiner mehr verschleißen. Ob und wieweit Grüne und FDP sich der Zusammenarbeit anschließen, ist abzuwarten. Sie könnten wichtige Teile des überregionalen Netzwerks beisteuern, das CDU und SPD außerhalb des Kreises für sich nutzbar machen möchten.

Fest steht für CDU und SPD auch: Für mehr als vier Parteien und Fraktionen gibt es keinen Platz. Weder die AfD noch die Linke werden - wenn sie es denn wollten - die G8-Runde erweitern. Der Widerstand und die Abneigung gegen beide Parteien ist bei Mitgliedern von CDU und SPD offensichtlich zu groß.

(RP)
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