Brüggen Dachziegel-Produktion war harte körperliche Arbeit

Auch wenn sich die Dachziegeleien um 1900 stolz Dampf-Falzziegelfabriken nannten und damit darauf hinwiesen, wie Pressen und andere Maschinen mit einer Dampfmaschine angetrieben wurden, war Dachziegel-Produktion dennoch harte körperliche Arbeit: Der Ton wurde von den Tongrubenarbeitern per Hand mit der "Schüppe" abgebaut, nachdem sie eine mehrere Meter dicke Abraumschicht ebenfalls mit der Hand weggeräumt hatten.

Dann wurde der Ton auf Kippwagen verladen, die aus der Grube nach oben geschoben werden mussten, um von Pferden oder Lokomotiven auf Schmalspurgleisen zur Ziegelei gezogen zu werden. Auch an der Fabrik war menschliche Muskelkraft vonnöten, denn der Ton musste mit der Schaufel auf den Tonberg geworfen werden. Tagespensum waren etwa 30 Kippwagen für zwei Männer - das waren rund 46.000 Kilogramm loser Ton. Dies war einer der vielen Arbeitsgänge in der Ziegelei, die Knochenarbeit waren und den Begriff "Pujacken in ne Panneschop" prägten.

Vom Tonberg, der der Witterung ausgesetzt war, wurde der Ton erneut per Schaufel auf Schubkarren oder Förderbänder geladen, um zu den Aufbereitungsmaschinen - Mischmaschinen, Walzwerke oder Kollergänge - transportiert zu werden. Nach dieser Vorbereitung wurde der Ton in einem Sumpfhaus, dem "Kleikeller", zwischengelagert. Darauf folgte der eigentliche Pressvorgang mit Schlitten- oder Revolverpressen. Diese wurden per Dampfmaschine angetrieben. Die Arbeiter mussten sich dem Rhythmus der Maschine unterwerfen - bei der geringsten Unachtsamkeit geriet eine Hand oder der ganze Unterarm in die Presse.

Jeder Tonbatzen musste von einem Arbeiter per Hand in die Unterform der Presse gelegt werden. Dann stieß der Stempel der Oberform herunter und presste den Ton. Auf der anderen Seite der Presse stand der Abnehmer: Er holte den gepressten Formling heraus. Dieser wurde dann per Hand auf hölzerne Trockenrähmchen gelegt und mit der Karre auf die über dem Ofenhaus gelegenen Trockenböden gebracht. Hier legte sie ein Einrüster in die Trockengerüste. In den Trockengerüsten verblieben die Formlinge, bis sie mindestens zehn Prozent ihres Gewichtes durch Kondensieren des Wassers verloren hatten. Dann wurden sie "ausgerüstet", nach unten zu den Öfen gebracht und in den Ofenkammern aufgeschichtet.

Wenn der Ofen gefüllt und geschlossen war, begann der Brenner das Blaudämpfen, eine Spezialität der hiesigen Ziegeleien, in verschiedenen Stufen, bis die Temperatur 900 bis 1100 °C für den Garbrand erreicht hatte. Dann wurde der Ofen komplett dichtgemacht, bevor als letztes noch Kiefernschanzen für das Dämpfen dazu gegeben wurden. Das dauerte mindestens drei Tage. Nach dem Abkühlen konnte der Ofen ausgeräumt werden - wobei Abkühlen relativ ist. Denn die Temperaturen, unter denen die Ofenarbeiter arbeiten mussten, blieben beträchtlich.

Die fertigen Dachziegel wurden nach Qualitäten sortiert, zwischengelagert oder direkt für den Transport zum Kunden auf Wagen oder in Waggons mit Stroh verpackt - mit der Hand natürlich. Noch 1947 bewegte ein Dachziegelarbeiter am Tag 30.000 Kilogramm mit der Hand - eine Daueranstrengung, die die meisten Arbeiter nicht bis zum Erreichen des Rentenalters durchhielten.

(ina)
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