Viersen Damit es nicht zur Tat kommt

Viersen · Was sollen Männer tun, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen? Über Hilfsangebote referierte jetzt eine Diplom-Psychologin

"Was sollte man mit einem Mann machen, der Kinder begehrt?" - steht in großen Buchstaben auf der Leinwand im Forum des Viersener Kreishauses. "Ihm helfen", kommt die Antwort von Kirsten Dammertz-Hölterhoff. Die Psychologin weiß, wovon sie spricht. Das Thema sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen begleitet sie täglich. Allerdings in Form der Vorsorge. Geschätzt leiden ein bis vier Prozent der Männer an dieser Neigung, wobei sich die Problematik durch alle Schichten der Gesellschaft zieht. Seit zwei Jahren läuft das an der Charité Berlin entwickelte Präventionsangebot "Damit aus Fantasien keine Taten werden!" auch an der Uniklinik Düsseldorf. Was sich genau dahinter verbirgt, darüber sprach die Psychologin auf Einladung des Arbeitskreises gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen jetzt in der Kreisstadt.

In Düsseldorf können Männer aus ganz NRW, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, im geschützten Raum an Therapien in Form von Einzel- und Gruppengesprächen teilnehmen. "Die Männer sind nicht verantwortlich für ihre sexuellen Fantasien und Wünsche, aber sie sind verantwortlich für ihr Verhalten", hebt die stellvertretende Leiterin des Präventionsangebotes am Düsseldorfer Standort hervor. Dort setzt die Therapie an. Die Betroffenen lernen, mit ihrer unerfüllten Sexualität zu leben. Die Kontaktaufnahme ist niedrigschwellig, ein Anruf oder eine E-Mail genügen. "Die Männer würden nicht kommen, wenn das Angebot nicht schweigepflichtgeschützt wäre", betont die Psychologin. Ihr ist es wichtig, dass niemand aufgrund seiner sexuellen Präferenz vorverurteilt wird. Die Öffentlichkeit ist in ihren Augen wenig aufgeklärt. "Jemand mit pädophilen Neigungen ist nicht automatisch ein Missbrauchstäter. Nicht die Neigung an sich ist zu verurteilen, sondern Übergriffe", sagt Dammertz-Hölterhoff. Auch sie steht für eine klare Verurteilung sexuellen Missbrauchs und der Nutzung von minderjährigen Missbrauchsabbildungen, aber die Menschen, die das Vorsorgeangebot aufsuchen, wissen um ihre Problematik und wollen lernen, damit umzugehen, damit es erst gar nicht zu einer Tat kommt. Die Betroffenen eignen sich bei sachgemäßer Behandlung ein verantwortungsvolles Verhalten an, damit sie nicht zu Tätern werden.

Laut Statistik erlebt jedes dritte bis vierte Mädchen und jeder siebte bis zehnte Junge unerwünschte sexuelle Kontakte. Das Therapieangebot soll helfen, diese Zahlen zu senken. Seit Bestehen der Düsseldorfer Beratungsstelle haben sich rund 300 Männer aus Nordrhein-Westfalen gemeldet, die keine Täter werden wollen. Die Therapie ist kostenlos und anonym. Die Vermittlung in die Therapie folgt nach einem Plan, der mit einem intensiven Telefonat sowie einem Diagnosetag an der Uniklinik startet. Erst dann fällt die Entscheidung, ob jemand für die Therapie geeignet ist oder an andere Hilfsangebote vermittelt wird. In den Sitzungen an der Uni-Klinik lernen die Männer, Situationen mit Kindern zu vermeiden, die für sie besonders heikel sind. Dazu kommt die Erfahrung eines Perspektivwechsels, indem sie mit den Aussagen von Missbrauchsopfern konfrontiert werden. Dammertz-Hölterhoff: "Auf diesem Weg erfahren sie, was Missbrauch für Kinder bedeutet und welche Folgen daraus entstehen."

(tref)
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