Viersen Das vergessene Denkmal in Süchteln

Viersen · Das Kreiskriegerdenkmal markierte einst den höchsten Punkt des Kreises und war ein beliebtes Ausflugsziel. Doch seit Jahren liegt der Bau hinter hohen Bäumen verborgen.

 Verborgen hinter hohen Bäumen ist das Kreiskriegerdenkmal auf den Süchtelner Höhen. Nur selten verirren sich noch Menschen hierher.

Verborgen hinter hohen Bäumen ist das Kreiskriegerdenkmal auf den Süchtelner Höhen. Nur selten verirren sich noch Menschen hierher.

Foto: Busch

Die Metalltür schleift über den Boden, als Herbert Verlinden den Eingang zum Turm öffnet. Durch das Dunkel steigt er die schmale Wendeltreppe des Kreiskriegerdenkmals hinauf. An den Wänden hängen Spinnweben, durch kleine Fenster im Mauerwerk dringt kaum Tageslicht. Nach etwa 20 Höhenmetern öffnet er eine Tür zur Galerie, die einen Blick auf den umliegenden Wald freigibt.

Der stellvertretende Abteilungsleiter des Gebäudemanagements des Kreises Viersen ist einer der wenigen Menschen, die noch auf das Kreiskriegerdenkmal auf den Süchtelner Höhen steigen. Mehrmals im Jahr überprüfen er und seine Kollegen den Zustand des Gebäudes. Es sei gut in Schuss, sagt er. Dazu habe auch die Restaurierung 1988 beigetragen. Andere Besucher hingegen kommen selten. Ab und an betreten Mitglieder von Geschichtsvereinen das Bauwerk, gelegentlich wird es zu Aktionen wie dem "Tag des Denkmals" geöffnet.

Einst war das in Vergessenheit geratene Denkmal ein beliebter Ausflugsort. Der Süchtelner Bürgermeister Karl Odenthal initiierte 1875, auf dem höchsten Punkt der Süchtelner Höhen ein Denkmal zu errichten, das den aus dem (alten) Kreis Kempen stammenden Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 gewidmet ist. Dabei orientierte er sich an der Stadt Krefeld, die auf dem Friedrichsplatz ein Germania-Denkmal zu Ehren der Kriegsgefallenen errichtet hatte.

Nachdem sich die Finanzierung des Projekts schwieriger als erwartet gestaltete, wurde im Oktober 1878 an der 90,70 Meter hohen Erhebung der Grundstein gelegt. Zur Feier kamen Militärs und Bürger. Es gab Freudenschüsse, Prinz Heinrich der Niederlande schickte ein Glückwunschtelegramm. Rund ein Jahr später, am 22. September 1879, wurde das Kreiskriegerdenkmal eingeweiht. In der Folgezeit entwickelte es sich zu einer Sehenswürdigkeit. Auf einer Postkarte von 1897 ist der Turm neben der Irmgardiskapelle und einer Ortsansicht von Süchteln abgebildet.

Der Plan für das Denkmal stammt von dem Krefelder Architekten August Hartel. Auch mehr als 130 Jahre nach der Eröffnung ist sein Konzept gut erkennbar. Auf zwei Marmortafeln sind die Namen von 147 Gefallenen aufgelistet. Auf Ecksteinen sind die Namen von Orten eingemeißelt, an denen im Deutsch-Dänischen Krieg 1864, im Deutschen Krieg 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gekämpft wurde.

Für die Spitze des Denkmals in 24 Metern Höhe wählte Architekt Hartel eine Adler-Figur mit einer Flügelspannweite von mehr als drei Metern. Das Tier, das die Reichseinigung symbolisieren soll, sorgte 1902 für eine kuriose Debatte. Am Jahrestag der "Kaiser-Wilhelm-Stiftung für deutsche Invaliden" wurde kritisiert, dass der Adler in die falsche Richtung blicke. Als Wächter vor drohenden Gefahren müsse der Vogel statt nach Osten nach Westen schauen, gab Dülkens Bürgermeister Kaspar Voß zu bedenken.

Der Vorstoß sorgte für eine hitzige Diskussion, an deren Ende ein Kompromiss beschlossen wurde: Zwei Heraldiker sollten entscheiden, was zu tun sei. Die Wappenkünstler gaben schließlich Voß recht. In einer teuren Aktion wurde der Adler gedreht und schaut seitdem nach Westen — in Richtung des ehemals verfeindeten Frankreichs.

Ortsfremden, die heutzutage den Greifvogel auf seinem Sockel sehen möchten, wird die Anreise nicht leicht gemacht: Hochgewachsene Bäume versperren den Blick auf den Turm. Von der Lobbericher Straße weist lediglich ein kleines Schild in Richtung Denkmal. Auf den wenigsten Karten ist der Ort hervorgehoben. Nur selten entdecken Wanderer den Turm — und wenn, dann durch Zufall.

Für Dr. Paul Schrömbges, Kulturdezernent der Stadt Viersen, hat die Abgeschiedenheit auch etwas Gutes. In einem Beitrag für das Heimatbuch des Kreises Viersen 2007 schreibt er: "Die Ruhe, die das Kreiskriegerdenkmal heute umgibt, ist freilich die vielleicht angemessenste Form des Umgangs mit einem Denkmal an Kriege und Gefallene: indem sie zur Nachdenklichkeit einlädt."

(RP)
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