Viersen Der Ex-Bürgermeister haut nun den Stein

Viersen · Günter Thönnessen zieht es mehrmals in der Woche nach Dülken. Dort hat der ehemalige Stadtobere die Räume für seine Bildhauerei. Im neuen Jahr soll es dann erstmals eine Ausstellung geben.

 Günter Thönnessen in der Dülkener Werkstatt: Rhythmisch und behutsam schlägt er die Form aus dem Stein.

Günter Thönnessen in der Dülkener Werkstatt: Rhythmisch und behutsam schlägt er die Form aus dem Stein.

Foto: Busch

Die Amtsgeschäfte liegen schon einige Wochen hinter ihm. Für Viersen muss er nicht mehr schwerwiegende Entscheide treffen. Der Terminkalender hat nicht mehr die Fülle, wie er sie einst hatte. Es ist ruhiger geworden im Leben von Günter Thönnessen, aber Langeweile kennt der Ex-Bürgermeister nicht. "Vielmehr habe ich endlich Zeit für mein Hobby, die Bildhauerei. Ich kann mit einem Bütterken und einer Flasche Cola für Stunden in meiner Werkstatt verschwinden, wann immer ich will", freut sich Thönnessen. Und das macht er mindestens zwei- bis dreimal pro Woche für vier bis fünf Stunden.

Die Begeisterung für die Bildhauerei entdeckte Thönnessen vor vier Jahren. "In der Klinik, in der ich damals aufgrund meiner Erkrankung behandelt wurde, gab es einen Kunstkeller. Malen ist nicht mein Ding, das plastische Arbeiten liegt mir mehr. Ich fand dort einen Klumpen Ton und modellierte einen Affenkopf", erinnert sich der Süchtelner. Das Arbeiten mit Ton war ihm nicht fremd - weil seine Frau eine gelernte Keramikerin ist.

Die Gestaltung ließ ihn nicht mehr los. Bei einem Friedhofssteinmetz im Kurort besorgte sich Thönnessen einen ersten Stein. Im Baumarkt erwarb er das dazu benötigte Arbeitsmaterial: Meißel und eine "komischen Feile", wie er es beschreibt. Unter seinen Händen entstand sein erstes Werk - ein Mann, der aus einem Felsen tritt. "Bei der damaligen Arbeit ist mir prompt der Arm der Figur abgebrochen. Ich wollte ihn feiner gestalten und er brach ab. Mit Steinkleber habe ich ihn wieder angeklebt", erzählt Thönnessen.

Es ist genau dieses Besondere, dass ihn unter anderem an der Bildhauerei so fasziniert. "Was fort ist, ist fort. Der Stein vergibt keinen Fehlschlag. Anders als beim Töpfern oder Malen, wo der Künstler korrigieren kann", sagt Thönnessen, während er zu Meißel und Klüpfel greift. Ein prüfender Blick fällt auf den vor ihm liegenden Kopf aus Ruhrsandstein, denn er schon seit Wochen in der Bearbeitung hat. Dann setzt er den Meißel an und schlägt mit dem Klüpfel zu. Das gleichmäßige Schlaggeräusch dröhnt durch den Werkraum. "Das rhythmische Schlagen ist das Geheimnis. Ein typischer Anfängerfehler ist das harte und feste Schlagen. Wobei gerade die Gleichmäßigkeit auf mich als ungeduldigen Mensch eine beruhigende Wirkung hat. Wenn ich hier arbeite, vergesse ich sogar das Rauchen für Stunden", berichtet der Ex-Bürgermeister, der in farbbekleckster Jeans und karierten Baumfällerhemd, voller Konzentration arbeitet.

Steine bezeichnet er als sensibel. Wenn er vor einem steht, gibt es zunächst eine Skizze, was aus ihm werden soll. Danach beginnt die Arbeit. Sein Lieblingsstein ist dabei der Irische Limestone: schwarz und hochglänzend polierbar.

Köpfe faszinieren ihn neben Figuren besonders. "Meine Köpfe haben alle irgendwie 'ne Macke", meint er lachend. Wenn man 50 Prozent eines Werkes fertig habe, sei man überzeugt, das werde nichts. Da sei ein Bild im eigenen Kopf, das sich nicht umsetzen lasse, fügt er nachdenklich an. Einmal über diese Schwelle hinweggekommen geht es weiter. Aber genau dieser Punkt kann dazu führen, dass ein Objekt erst einmal liegengelassen wird. Thönnessen arbeitet so in der Regel gleichzeitig an mehreren Objekten. Neben dem großen Kopf gibt es so eine weitere unfertige Figur und einen etwas filigraneren Kopf, der auf mit Sand gefüllten Stoffeinkaufsbeuteln liegt. "Eine ganz einfache Sache und effektiv. Auf dem Sandbett lässt es sich gut arbeiten und man muss keine Angst haben, dass etwas kaputt geht", sagt der Hobby-Bildhauer, der in den vergangenen Jahren etliche Workshops in Bildhauerei besucht hat und sich kontinuierlich fortbildet. Auch die Werkzeuge sind immer mehr und besser geworden.

Rund 15 Werke hat Thönnessen inzwischen geschaffen. Genügend für eine Ausstellung, die sein Ziel für das kommende Jahr ist. Vor den Sommerferien 2016 würde er gerne seinen Traum realisieren. Wo sie stattfinden soll, steht derzeit noch nicht fest.

Entschieden ist hingegen, dass es den aus dem Felsen heraustretenden Mann ebenfalls geben wird. Allerdings nicht in seiner Erstform. Thönnessen lässt das Werk noch einmal entstehen. Statt 40 Zentimeter wird das Objekt dann aber mindestens einen Meter groß. Und einen mit Steinkleber angeklebten Arm gibt es nicht mehr.

(tref)
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