Viersen Der letzte Videothekar von Viersen

Viersen · Seit 35 Jahren versorgt Hartmut Richter vom Bari Videofuchs die Viersener mit Filmen. Mit Ideen stemmt er sich gegen das drohende Ende

Auf 600 Quadratmetern bietet Hartmut Richter Filme und Videospiele an. Seit 15 Jahren ist Bari Videofuchs an der Dülkener Straße.

Auf 600 Quadratmetern bietet Hartmut Richter Filme und Videospiele an. Seit 15 Jahren ist Bari Videofuchs an der Dülkener Straße.

Foto: Franz-Heinrich Busch

"Ganz Gallien ist von den Römern besetzt ... Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten." Mit diesen Worten beginnen die Geschichten von Asterix und Obelix. Der wohl berühmteste Comic-Vorspann der Welt passt auch gut zu Hartmut Richter, der seit 35 Jahren die Viersener mit Filmen versorgt. Während Videotheken in ganz Deutschland reihenweise schließen, macht der 64-Jährige unverdrossen weiter.

Der Bari Videofuchs an der Dülkener Straße ist die letzte verbliebende Videothek in der Stadt und sogar im ganzen Kreis - die nächstgelegenen Läden sind in Krefeld und in Mönchengladbach. Und so leisten Richter und sein Team Widerstand gegen Streaming-Plattformen wie Netflix, gegen Piraten- und Pornoseiten im Internet, aber auch gegen ein verändertes Freizeitverhalten. Denn immer weniger Kunden lassen ihr Geld beim Videoverleih. Filme zu Hause werden, wenn nicht im Fernsehen, dann vor allem übers Internet geschaut. Die Folge: Fast jeden Tag schließt eine Videothek in Deutschland.

Eingestiegen ist Hartmut Richter, als es mit dem Verleihen von Videos Anfang der 1980er-Jahre losging. "Einen Freund von mir hatte einen Sexshop am Remigiusplatz, daraus haben wir in eine Videothek gemacht", erzählt Richter. "Das war auch besser mit der Kirche gegenüber", fügt er lachend hinzu. Der gelernte Fleischer, der in einer Metzgerei arbeitete, führte die Videothek zunächst in seiner Freizeit.

In den 80er Jahren explodierte die Nachfrage nach Verleih-Videokassetten förmlich: Laut einer Studie der Universität Stuttgart wuchs die Anzahl der Videotheken von rund 1000 im Jahr 1980 auf gut 9500 zehn Jahre später. Während den ersten Videotheken, die häufig zweitklassige Porno- und Gewaltfilme anboten, ein Schmuddelimage anhaftete, lockten später vor allem große Ketten mit einem breiten Angebot ganze Familie an. Der gemeinsame Videoabend wurde zu einer Lieblingsbeschäftigung der Deutschen.

Auch Richter profitierte von dem Boom. Innerhalb weniger Jahre eröffnete er vier weitere Läden, während er weiterhin die Metzgerei führte. "Doch irgendwann wurde es zu viel, ich musste mich Vollzeit um den Videoverleih kümmern", erzählt er. Seit nunmehr 30 Jahren betreibt er hauptberuflich Videotheken, zu Hochzeiten besaß er zusammen mit Partnern mehr als 20 Geschäfte. Allein in Viersen beschäftigte Richter 15 Angestellte.

"Das war damals ein sehr attraktiver Job. Mit Zulagen für Nacht- und Wochenendschichten konnte man gut verdienen", sagt der 64-Jährige. Seine Filialen hatten rund um die Uhr geöffnet. Und 2002 zog der Bari Videofuchs in das große Ladengeschäft mit rund 600 Quadratmetern Fläche, das Platz für 80.000 Titel bietet, an der Dülkener Straße.

Doch die Boomzeiten sind lange vorbei. "Vor knapp zehn Jahren fing es an, dass immer weniger Kunden kamen", erinnert sich Richter. Zunächst gingen die Umsätze im Erotikbereich zurück, dann auch bei Spielfilmen und Serien. Allein die Videospiele würden noch gut laufen. "Wir machen nur noch 20 Prozent des Umsatzes von vor zehn Jahren", erzählt Richter.

Als Folge musste Richter sein Geschäft stark verkleinern: In dem Laden in Viersen arbeiten nun vier Angestellte, außerdem betreibt er nur noch eine weitere Filiale in Rheydt. Die Videofuchs-Filialen in Aachen, Krefeld und Mönchengladbach, die von Geschäftspartnern geführt werden, werden bald schließen. Früher habe es einmal acht Videotheken in Viersen gegebenen, erzählt Richter, jetzt sei nur noch er übrig.

Diejenigen, die noch Geld beim Videofuchs lassen, sind in der Regel Stammkunden und meist jenseits der 50, schätzt Richter. "Sie sind wenig im Internet." Ganz anders Richter selbst. Der 64-Jährige und seine Angestellten handeln DVDs und Blu-Rays im großen Stil im Internet, vor allem bei Amazon. "Wir kaufen komplette Sammlungen auf und verkaufen dann einzelne Exemplare", erklärt der Betreiber. Außerdem verkaufen sie Miet-Exemplare, die sie nicht mehr benötigen. "Wenn ein Blockbuster wie der neue ,Harry Potter' erscheint, bestellen wir 40 Exemplare, nach drei Monatenreichen reichen zwei", erklärt der Videotheken-Betreiber. "Würden wir nicht im Internet handeln, hätten wir schon vor fünf Jahren zugemacht."

Richter versucht viel, um durchzuhalten. Es gibt Aktionen und Bonusprogramme. Wer zum Beispiel einen Film für zwei Tage bezahlt, kann ihn bis zu fünf Arbeitstage behalten. "Wir haben zum Beispiel auch Kunden aus Nettetal. Da muss sich die Anfahrt schon lohnen", sagt Richter. So will er das Ende hinauszögern: "Und wenn ich die letzte Videothek in ganz Deutschland betreibe."

Um Geld zu verdienen, verkauft Richter auch Comics in seinem Geschäft, darunter auch die Geschichten von Asterix und Obelix, den unbeugsamen Galliern.

(RP)
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