Kreis Viersen "Die Dinger gehören abgeschaltet"

Kreis Viersen · In Belgien sind zwei Atomkraftwerke wegen technischer Störungen ins Gerede gekommen. Die Städteregion Aachen klagt gegen deren Betrieb. Der Kreis tritt nach Absprache mit den Aachenern der Klage nicht bei, unterstützt sie aber.

 Das AKW Tihange in Belgien.

Das AKW Tihange in Belgien.

Foto: dpa, obe nic

Hans Smolenaers hat in der Sitzung des Kreisausschusses einen Satz gesagt, der in Stein gemeißelt werden könnte: "Die Dinger gehören abgeschaltet." Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag meint mit "die Dinger" die Atomkraftwerke (AKW) Tihange und Doel in Belgien. In knapp anderthalb Stunden Fahrt erreicht man Tihange bei Lüttich, knapp zwei Stunden entfernt liegt Doel bei Antwerpen. Beide Meiler sind zuletzt in die Schlagzeilen geraten, weil es in ihnen besorgniserregende technische Probleme gibt.

Die Städteregion Aachen - das sind die Stadt und der Landkreis - klagt gegen die Meiler vor dem belgischen Staatsrat und vor einem Gericht Erster Instanz in Brüssel. Außerdem hat sie Auskunftsrechte gegenüber der Europäischen Kommission geltend gemacht. Die Grünen im Kreistag hatten daher vorgeschlagen, die Städteregion zu unterstützen und der Klage beizutreten. Soweit wird es aber nicht kommen. Nach Prüfungen der Kreisverwaltung ist es auch aus Sicht der Städteregion Aachen nicht erforderlich, ihr auf diese Weise zur Seite zu treten. Außerdem wäre damit ein hohes finanzielles Risiko verbunden.

Der Kreisausschuss empfiehlt dem Kreistag daher, am kommenden Donnerstag einen anderen Beschluss zu fassen. Formuliert hat die SPD-Fraktion den Text, den Hans Smolenaers vortrug. Danach begrüßt der Kreistag das Klageverfahren der Städteregion Aachen. Er bittet den Landrat, gemeinsam mit den Nachbarstädten und Nachbarkreisen möglichst zeitnahe alle Möglichkeiten zu prüfen und zu nutzen, die Aachener bei der Klage zu unterstützen.

Außerdem "ermuntert" der Kreistag die Landesregierung in Düsseldorf und die Bundesregierung in Berlin, sich durch "Abschaltgespräche" gegenüber dem Königreich Belgien "für eine unverzügliche und dauerhafte Abschaltung der Kernkraftwerke Tihange und Doel einzusetzen". Gleichzeitig fordert der Kreistag von Landes- und Bundesregierung, grenzüberschreitende Katastrophenschutzkonzepte weiterzuentwickeln. "Wenn ich dies alles zusammenfasse, kann ich nur sagen: Die Dinger gehören abgeschaltet", schloss Smolenaers.

Uneingeschränkte Unterstützung sicherte die CDU zu. Der Kreistag müsse "maximale Wirkung entfalten", forderte Fraktionsvorsitzender Michael Aach. "Die Bevölkerung im Kreis Viersen hat dazu eine eindeutige Meinung", fügte er hinzu. Es gebe zum Abschalten beider Kraftwerke keine Alternative, sie seien eine besonders bedrohliche Gefahr.

Landrat Andreas Coenen (CDU), der in der Vorlage für den Kreisausschuss auch darauf hingewiesen hatte, dass die Frist abgelaufen ist, um der Klage der Städteregion Aachen beizutreten, hat bereits im Vorfeld der Sitzung mit Helmut Etschenberg Gespräche geführt. Er ist der Städteregionsrat (identisch mit Landrat) und hat zu einem weiteren Informationsgespräch am 17. März eingeladen, an dem der Kreis Viersen teilnehmen wird. Coenen unterstrich, dass die Kreisverwaltung eng abgestimmt mit dem Kreistag alle weiteren Schritte gehen will.

Die Grünen hatten in ihrem Antrag darauf hingewiesen, dass in Tihange (drei Blöcke) und Doel (vier Blöcke) eine Reihe von Störfällen aufgetreten ist. Mitarbeiter des Kontrollraums Tihange wurden nach Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften entlassen. Besondere Sorgen gelten Druckbehältern in beiden Anlagen, die tausende Risse aufweisen. Die Belgier behaupten, sie seien immer schon da gewesen, andere Fachleute erklären, der Weiterbetrieb der AKW sei unverantwortlich. Die belgische Regierung hatte ursprünglich geplant, die ältesten Reaktorblöcke beider Kraftwerke 2015 stillzulegen. Stattdessen wurden die Laufzeiten bis 2025 verlängert. Diese Blöcke gehören zu den ältesten in Betrieb befindlichen in Europa, so die Grünen.

(RP)
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