Brüggen Die Heilige Familie aus wolligem Filz

Brüggen · Elvira Schütjens fertigt aufwendige Krippen mit der Nadel. Sie erschafft Szenen, die es so oder so ähnlich in jeder Familie gibt, in der ein Kind zur Welt kommt. Da kann es sein, dass Maria das Jesuskind stillt oder Josef das Baby hält.

Brüggen: Die Heilige Familie aus wolligem Filz
Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Sanft legt Josef die Hand auf das Kind. "Schau nur, unser Kleiner!", scheint er Maria zuzuflüstern. Maria lehnt sich an ihn, schließt die Augen. Das Kind schläft.

 Auf den Unterbau filzt Elvira Schütjens das traute Paar.

Auf den Unterbau filzt Elvira Schütjens das traute Paar.

Foto: Busch

Szenen wie diese, voller Liebe, Wärme und Geborgenheit, erzählt Elvira Schütjens mit der Nadel. Detailgenau erschafft sie Szenen, die es so oder so ähnlich in jeder Familie gibt, in der ein Kind zur Welt kommt. Da kann es sein, dass Maria das Jesuskind stillt, oder dass Josef das Baby in seinen Armen wiegt. Es kann auch sein, dass Josef schläft, sichtbar erschöpft - vielleicht hat ihn das Neugeborene die ganze Nacht wach gehalten.

Vor einigen Jahren entdeckte die gelernte Schaufenstergestalterin das Filzen für sich. Sie kaufte Schafwolle und eine Filznadel und lernte durch Ausprobieren, wie man die Nadel bewegen muss, damit die Wolle verfilzt. Nach und nach entwickelte sie die ersten Figuren. 2009 stellte sie erstmals auf dem Weihnachtsmarkt an der Dorenburg in Grefrath ihre Krippen aus, zwei Jahre später erhielt sie für ihre Arbeit "Glaube, Liebe, Hoffnung" schon eine besondere Auszeichnung: den Bischof-Tenhuberg-Preis des Bistums Münster, der zur Förderung des Krippenschaffens in Westfalen jährlich ausgelobt wird. Derzeit zeigt das Diözesanmuseum in Osnabrück knapp 80 Krippen in einer Ausstellung, darunter ist auch eine, die Schütjens schuf.

Am vierten Adventswochenende präsentierte die 59-Jährige eine Auswahl ihrer Krippen in Claudia Holthausens "M-ä-hhh-Werk", der Handspinnerei an der Klosterstraße. Während Holthausen im Untergeschoss frisch gesponnenes Garn verkaufte, zeigte Schütjens im Obergeschoss den Besuchern, wie mit Hilfe der Filznadel aus einem Stück Schafwolle ein Mantel für Maria entsteht. Für den lockeren Faltenwurf der Kleidung, die ihre Figuren umgibt, wickelt die Künstlerin zunächst ein Untergestell aus Draht, das sie mit Wolle stopft. Aufliegende Drähte geben die Form für die Kleidung vor. Darauf filzt Schütjens dann mit unzählig vielen kleinen Stichen der Filznadel den Kopf, die Hände, das Kleid, den Mantel. Stunden benötigt sie dafür. Detailgenau legt sie die Hände, auch die Zehen in den Sandalen an, gibt dem Schäfchen Ohren, dem Kamel wulstige Lippen. Die Gewänder der Heiligen Drei Könige, die Decken ihrer Tiere bestickt sie von Hand mit Perlen. "Mir ist wichtig, dass die Details künstlerisch ausgearbeitet sind", sagt Schütjens. Diese Genauigkeit legt sie auch in den Ausdruck ihrer Figuren. "Dieser sorgende Blick, der Ausdruck der Liebe, wenn Josef den Arm um Mutter und Kind legt, das ist mir wichtig", sagt Schütjens.

Den Unterbau für ihre Krippen liefert die Natur. Besonders schön geformte Wurzeln, Bananenholz oder Lianen bilden den Hintergrund oder Boden der Krippenszenen. Da sitzen Maria, Josef und das Kind umfangen von Wurzelholz in einer Höhle, obendrauf schlummert ein Schäfchen. Unter einer anderen Wurzel schläft Maria, umgeben von zwei Schäfchen, und Josef hält das Kind.

Bananenholz, rund gebogen, bildet den Hintergrund für eine weitere Stallszene, in der einiger Tumult herrscht: Viele Besucher sind gekommen, die Hirten möchten das Kind sehen. Ein kleiner Hirtenjunge beugt sich vor, um das Baby besser betrachten zu können. Maria zeigt ihm das Kind, und schon glaubt man, Maria sprechen zu hören: "Siehst du, das ist Jesus. Guck mal, wie klein seine Zehen sind!" Ob Jesus ein Wonneproppen mit dicken Beinchen ist, erfährt der Betrachter allerdings nicht: Schütjens hüllt das Kind in warme Kleider. Seit fast 20 Jahren lebt sie im niederländischen Tegelen, doch geboren wurde sie in Lobberich. Dort, daran erinnert sie sich noch heute, besuchte sie als Kind mit ihrer Mutter die Krippe in der Kirche und erschrak: Außer einem kleinen Tuch trug das Kleine in der Krippe nichts. "Als Kind dachte ich, dass das doch viel zu kalt für ein Baby ist", erzählt Schütjens. "Also holte ich zu Hause meine Puppenkleider und legte sie vor die Krippe, damit jemand Jesus anzieht. Aber als ich das nächste Mal da war, war das Kind immer noch nackt." Heute achtet sie bei ihren Krippen darauf, dass Jesus nicht friert. "In meinen Krippen hat es das Kind muckelig warm", sagt Schütjens. "Und es liegt nicht einfach da in der Krippe. Es wird von den Eltern im Arm gehalten."

Schütjens entwirft Szenen, die die Heilige Familie als das zeigen, was sie ist: eine Familie. Schütjens zeigt den Vater, die Mutter, das Kind in liebevoller Umarmung, Figuren, die einander zugewandt sind, die still das Glück genießen, dass da mit der Geburt des Kindes zu ihnen gekommen ist. So sei ihr auch jede Figur gleich wichtig, sagt Schütjens - Jesus sei ihr nicht lieber als Maria oder Josef: "Für mich gehören die drei zusammen. Der eine kann ohne den anderen nicht sein."

"Kunst in Filz": Elvira Schütjens präsentiert in der Vorweihnachtszeit ihre Krippen bei Ausstellungen oder daheim. Kontakt: 0031 77 3260385.

(RP)
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