Schwalmtal Die Knöllchen gibt's vom Fahrrad aus

Schwalmtal · Rund 1500 Kilometer hat Sabine Karnath in den vergangenen zwölf Monaten mit dem Fahrrad in Schwalmtal zurückgelegt. Die Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung ist mit Pedelec und Smartphone unterwegs.

 Auf dem Markt in Waldniel kontrolliert Sabine Karnath häufig die Parker. Sie sollten darauf achten, ihren Wagen nur in den eingezeichneten Flächen abzustellen und die Parkscheibe einzulegen.

Auf dem Markt in Waldniel kontrolliert Sabine Karnath häufig die Parker. Sie sollten darauf achten, ihren Wagen nur in den eingezeichneten Flächen abzustellen und die Parkscheibe einzulegen.

Foto: Heike Ahlen

Sabine Karnath ist Politesse in Schwalmtal. Das darf man ruhig so sagen. Sie hat nichts gegen diese Bezeichnung, auch wenn sie korrekt eigentlich "Mitarbeiterin für die Überwachung des ruhenden Verkehrs" genannt werden müsste. Und sie lebt recht gesund: Die 49-Jährige verbringt ihre Arbeitstage meist auf dem Fahrrad - genauer gesagt: auf dem Pedelec. Rund 1500 Kilometer hat sie in den vergangenen zwölf Monaten so zurückgelegt.

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Petra Hoffmann kam Sabine Karnath 1992 zur Gemeindeverwaltung Schwalmtal. Einige Jahre zuvor hatte die Gemeinde damit begonnen, den ruhenden Verkehr zu überwachen. Aber der Mitarbeiter, der diese Arbeit übernommen hatte, lebte in Schwalmtal und war dort sehr bekannt. Und so kam es vor, dass tatsächlich seine Kinder "angemacht" wurden, weil ihr Vater jemandem ein Knöllchen verpasst hatte.

Deshalb kommen die beiden jetzigen Mitarbeiterinnen nicht aus der Gemeinde. Und auch, wenn sie feststellt, dass das Unrechtsbewusstsein der Autofahrer bei Parkverstößen nicht besonders ausgeprägt ist, kann sich Sabine Karnath nur an zwei schlimme Vorfälle mit wütenden Autofahrern in all den Jahren erinnern.

Bis die Gemeinde vor etwa einem Jahr von einem Energieversorger zwei E-Bikes erhielt, war Sabine Karnath entweder zu Fuß oder mit dem Auto in der Gemeinde unterwegs. "Mit dem Auto war ich zwar etwas schneller von Waldniel aus in Amern", erzählt sie. "Aber innerhalb Amerns ist alles jetzt wesentlich einfacher." Außerdem sei das Radfahren umweltfreundlicher und gesünder - und sie selbst sei "auch viel näher dran".

Und zwar näher an allem: an den Menschen, aber auch an den geparkten Autos. Wenn sie selbst mit dem Auto unterwegs war und ihr ein Parkverstoß auffiel, musste sie sich erst einen Parkplatz suchen und dann zu Fuß zu dem falsch abgestellten Wagen zurückgehen - mitunter war das Auto dann schon weg. Viele Autobesitzer hatten auch einfach Glück, denn aus einem fahrenden Auto heraus konnte Sabine Karnath natürlich nicht sehen, ob eine Parkscheibe hinter der Windschutzscheibe lag - und schon gar nicht, ob diese richtig eingestellt war.

Ihr Hauptarbeitsgebiet sind die Ortskerne von Waldniel und Amern sowie die Wohngebiete. Schon da gibt es für Autofahrer viel zu beachten. Denn nicht alles steht auf Schildern - manches gehört einfach zur Straßenverkehrsordnung. Ein Beispiel: Wer im eingeschränkten Halteverbot (das ist das, was die meisten "Parkverbot" nennen) steht, darf nur Be- und Entladen - und das auch nur bis zu drei Minuten lang. Da dauert das Parken vor der Pommesbude, warten, bis die Pommes gebrutzelt sind, zahlen und wieder einsteigen, zu lange.

Man darf auch nicht "gegen die Fahrtrichtung" parken, sondern muss immer rechts am Straßenrand anhalten. In verkehrsberuhigten Bereichen wie auf dem Markt in Waldniel darf man nur in den eingezeichneten Parkbuchten parken - auch wenn es gepflasterte Flächen gibt, die verlockend groß und einladend aussehen. In scharfen Kurven ist das Parken generell verboten. Mit diesem Problem muss sich Schwalmtals Politesse auf der Amerner Straße vor Edeka derzeit häufig beschäftigen. Das Thema des dauerhaften Parkens in dieser Kurve hat sogar schon die Politiker im Planungsausschuss erreicht.

So modern wie ihr Fahrrad, so modern ist auch die Art und Weise, wie Sabine Karnath Falschparker notiert. Wenn sie vom Rad steigt, zückt sie nicht mehr den Stift, um den Übeltäter "aufzuschreiben", wie man das früher machte. Sie protokolliert auch nicht mehr, in welcher Stellung sich ein Ventil am Vorderreifen befindet, um vielleicht später nachweisen zu können, ob ein Auto bewegt wurde oder nicht.

Wie eine kleine Damenhandtasche, nicht größer als ein Walkman, hängt ein Drucker an ihrer Hüfte. Der ist per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden, ohne das sie nicht losfährt. Das Gerät kann alles: Fotos machen, um Parksituationen zu dokumentieren, Formulare ausfüllen, um sie auszudrucken, und - das ist wie früher - sie hinter den Scheibenwischer zu heften. Gleichzeitig werden alle Daten ins Rathaus gesendet, wo sie auf dem Rechner einer Kollegin im Innendienst landen. Wer nicht versteht, welchen Parkverstoß er begangen haben soll oder sich beschweren möchte, kann also sofort im Rathaus nachfragen. Sabine Karnath ist dann mit ihrem Pedelec schon unterwegs ins nächste Wohngebiet.

(hah)
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