Andreas Lahm "Die Region ist mit Stroke Units gut versorgt"

Viersen · Gut 1800 Patienten — 580 aus dem Kreis Viersen - wurden 2016 in der Stroke Unit von Maria Hilf Mönchengladbach behandelt. Geschäftsführer Andreas Lahm erklärt, dass Schlaganfallpatienten in spezialisierten Zentren die beste Prognose haben

 "Studien zeigen, dass eine Behandlung auf einer Stroke Unit hilft, Todesfälle und schwere Behinderungen zu vermeiden", sagt Andreas Lahm, Geschäftsführer der Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach.

"Studien zeigen, dass eine Behandlung auf einer Stroke Unit hilft, Todesfälle und schwere Behinderungen zu vermeiden", sagt Andreas Lahm, Geschäftsführer der Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach.

Foto: Kliniken Maria Hilf

KREIS Viersen Wer nach einem Schlaganfall-Zentrum im Kreis Viersen Ausschau hält, kann lange suchen: Die nächsten Stroke Units liegen jenseits der Kreisgrenzen. Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft weist zwei zertifizierte Einheiten aus: das Alexianer-Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld und die Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach. Darüber hinaus verfügen die Helios-Kliniken in Krefeld über eine Stroke Unit. Während die Krefelder Krankenhäuser vor allem Zulauf aus der Region Kempen bekommen, werden viele Schlaganfallpatienten aus Viersen und Umgebung in die Mönchengladbacher Klinik gebracht, die nur wenige Kilometer hinter der Viersener Stadtgrenze liegt. Andreas Lahm, Geschäftsführer der Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach, hält diese Versorgung der Region für ausreichend.

Das Städtische Krankenhaus Nettetal hat im vergangenen Jahr eine Neurologie beantragt, das AKH Viersen ebenfalls. Eine Neurologie ist immer auch ein Grundstein zum Aufbau einer Stroke Unit. Droht Ihnen da Konkurrenz aus dem Kreis Viersen?

Lahm Nein, das nicht. Ich sehe nur keinen Bedarf. Die Region ist mit Stroke Units gut versorgt. Es gibt mit den Alexianern und uns zwei zertifizierte Stroke Units, zu denen die Anfahrtswege - je nach Standort im Kreis Viersen - vertretbar kurz sind. Ich kann von meinem Büro aus die Viersener Stadtgrenze sehen. Lange Anfahrtswege sind also kein Argument.

Es gab das Gerücht, dass Ihre Schlaganfallstation voll gewesen sei?

Lahm Es gibt sicherlich Zeiten, in denen wir stark belegt sind, aber wir sind trotzdem als Maximalversorger mit fast 800 Betten immer aufnahmefähig für Schlaganfall-Notfälle. Die Bezirksregierung hat auch gerade die Zahl der Betten in der Neurologie von 95 auf 120 erhöht.

Wie viele Patienten behandeln Sie pro Jahr?

Lahm Im vergangenen Jahr waren es 1798 Schlaganfallpatienten - mit denen, die uns aus anderen Krankenhäusern überwiesen wurden, hatten wir rund 2000 Patienten. 574 kamen 2016 aus dem Kreis Viersen.

Das AKH hat eine Tele-Stroke-Unit eingerichtet. Ist das eine sinnvolle Ergänzung für die Versorgung?

Lahm Die Tele-Medizin ist in den USA weitaus etablierter als bei uns. Sie wird dort vor allem für strukturschwache Gebiete genutzt. Da reden wir aber in ländlichen Räumen von völlig anderen Distanzen. Ich würde unsere Region - was die Krankenhauslandschaft angeht - als Ballungsraum sehen. Grundvoraussetzung für eine Stroke Unit ist, dass rund um die Uhr ein behandelnder Neurologe in der Klinik ist. Das ist beim AKH nicht der Fall.

"Time is brain" - "Zeit ist Hirn", sagt man beim Schlaganfall. Wie schnell sollte ein Patient behandelt werden?

Lahm Generell spricht man von einem Zeitfenster von vier Stunden. Bis dahin sollte der Patient in der Klinik sein, um das Blutgerinnsel mit einer Lyse-Behandlung auflösen oder neuroradiologisch oder gefäßchirurgisch beseitigen zu können. Aber grundsätzlich gilt: Je schneller, desto besser, denn desto schneller kann man Zellschäden im Gehirn entgegenwirken. Man geht davon aus, dass pro Minute 14 Milliarden Synapsen zerstört werden. Das entspricht einer Alterung von drei Wochen in nur einer Minute.

Studien kritisieren, dass Schlaganfallpatienten noch zu selten in Stroke Units behandelt werden. Der Heilmittelreport der Barmer GEK von 2012 besagt, dass nur gut jeder zweite Patient auf einer Stroke Unit behandelt wird. Teilen Sie diese Kritik?

Lahm Mir sind ähnliche Studien bekannt. Ich kann nur sagen: Es ist aus medizinischer Sicht dringend zu empfehlen, so schnell wie möglich ein spezialisiertes Zentrum aufzusuchen. Das belegen zahlreiche Untersuchungen. Die Studie der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg zum Beispiel besagt, dass die Behandlung auf einer Stroke Unit hilft, Todesfälle und schwere Behinderungen zu verhindern, wenn die Patienten rechtzeitig eingeliefert werden. In spezialisierten Zentren wurde bei 44 Prozent der Patienten die Lyse-Behandlung oder Intervention begonnen. Oft lässt sich damit das Blutgerinnsel auflösen oder beseitigen. In anderen Krankenhäusern erhielten dagegen nur 13 Prozent der ankommenden Patienten eine Trombolyse. Neuroradiologische Interventionen oder gefäßchirurgische Eingriffe sind meist gar nicht möglich.

Welche Ausstattung braucht ein Krankenhaus für eine Stroke Unit?

Lahm Eine Stroke Unit ist eine Einrichtung der Neurologie. Allerdings braucht es die Verzahnung mit anderen Disziplinen wie Kardiologie, HNO, Gastroenterologie, Gefäßchirurgie und vor allem Neuroradiologie mit Interventionsmöglichkeit Hinzu kommen Therapieansätze der Logopäden, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten, die bei uns ab dem ersten Tag greifen.

SABINE JANSSEN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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