Dr. Karsten Woelke "Diese Pollensaison wird sehr bedeutsam"

Viersen · Die Schattenseite des milden Winters ist der frühe Start der Pollensaison. Der Chefarzt der Allgemeinen Inneren Medizin und Pneumologie des Allgemeinen Krankenhauses Viersen empfiehlt Allergikern, bei dauerhaften Beschwerden zum Arzt zu gehen.

 Durch den milden Winter beginnt die Allergiesaison früher, und sie zieht sich in die Länge.

Durch den milden Winter beginnt die Allergiesaison früher, und sie zieht sich in die Länge.

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Droht Allergikern in diesem Jahr eine besonders harte Pollensaison, Herr Dr. Woelke?

 Dr. Carsten Woelke, Chefarzt am AKH in Viersen.

Dr. Carsten Woelke, Chefarzt am AKH in Viersen.

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Woelke Diese Saison wird sehr bedeutsam. Die für Allergiker entscheidende Zeitphase ist durch den milden Winter um drei Wochen vorgezogen. Erle und Hasel sind in diesem Jahr besonders früh dran. Bald wird uns auch die Birke erreichen.

Wann beginnt die Pollenzeit, wann endet sie?

Woelke Durch den milden Winter beginnt die Allergiesaison früher, und sie zieht sich in die Länge. Man hat da fast ein gesamtes Jahr. Viele Patienten sind ja gegen mehrere Dinge allergisch. Schon im Januar und Februar ging es mit Hasel und Erle los. Die Beifuß-Ambrosie, die hoch allergen ist, blüht beispielsweise bis Ende Oktober.

Wo kann sich eine Allergie manifestieren?

Woelke Wenn die Nase betroffen ist, spricht man von einer Rhinitis, bei den Augen von einer Konjunktivitis. Eine allergische Reaktion kann sich auch an den Bronchen widerspiegeln. Beim Asthma wird dabei differenziert zwischen einem allergischen und einem nicht-allergischen Asthma bronchiale. Auch an der Haut kann sich eine Allergie, beispielsweise anhand von Quaddeln, zeigen. Der Schlimmste Fall ist ein anaphylaktischer Schock.

Sind Patienten mit einer allergischen Erkrankung besonders anfällig für Asthma?

Woelke Ja, absolut. Wir sprechen da von einem Etagen-Wechsel. Viele Patienten haben über eine längere Zeit erst eine Rhinitis. Zwei, drei Jahre später wechselt das eine Etage tiefer. Es kommen Luftnot und Husten dazu, was Ausdruck eines allergischen Asthmas sein kann.

Welches sind die häufigsten pollenbedingten Allergien?

Woelke Im Frühjahr sind das besonders Erle, Hasel und Birke. Im Juni häufen sich dann die Gräserallergien, da sind zusätzlich Getreidebestandteile wie Gerste und Roggen sehr potent.

Welche Symptome hat eine Allergie?

Woelke Wenn man erstmals mit einem Allergen in Kontakt kommt, passiert nichts. Zunächst werden spezielle Antikörper gebildet. Zu einer allergischen Reaktion kommt es erst beim nächsten Kontakt. Im Bereich der Nase läuft diese, und man bekommt schlecht Luft. Im Augenbereich jucken und tränen die Augen. Im bronchialen Bereich ist das ein Hustenanfall, verbunden mit einem Pfeifen und Atemnot.

Was unterscheidet eine allergische Erkrankung von einer Erkältung?

Woelke Es ist sehr wichtig, diesen Unterschied herauszufinden. Asthmatische oder rhinitischen Beschwerden treten anfallsartig auf. Wenn draußen schlechtes Wetter ist und es regnet, hat man natürlich eine geringe Pollenexposition in der Luft. Bei situativen Symptomen, beispielsweise zu einer bestimmten Tages- oder Jahreszeit, spricht vieles für eine Allergie.

Sollten Allergiker einen Arzt aufsuchen?

Woelke Wenn die Symptome mehrfach auftreten, ist es wichtig, dass nach einem Besuch beim Hausarzt auch ein Allergologe oder ein allergisch spezialisierter Arzt konsultiert wird. Man sollte eine Allergietestung machen, und klären, welche Therapieform man anwendet.

Gibt es einen Behandlungsmethode, die dauerhaften Erfolg verspricht?

Woelke Die gibt es prinzipiell: die spezifische Immuntherapie. Dabei führt man dem Körper das Allergen zu und gewöhnt ihn daran. Die Behandlung muss man aber frühzeitig beginnen, schon im Winter, und nicht erst, wenn die Allergiesaison startet. Diese Methode ist keine Soforttherapie, die Behandlung kann sich über zwei, drei Jahre ziehen. Problematisch wird es, wenn man viele Allergien hat.

Empfehlen Sie, Medikamente zu nehmen?

Woelke Die sollte man schon nehmen, wenn man dauerhaft Beschwerden hat. Mit den Antihistaminika kann man viel ausrichten. Wenn das nicht ausreicht, ist Cortison wirksam. Das sollte man aber nicht dauerhaft nehmen. Bei Asthma hilft ein cortisonhaltiges Spray.

Wie schätzen Sie homöopathische Mittel ein?

Woelke Da ist die Datenlage nicht so gut. Wenn ein Asthma vorliegt oder eine Insektengiftallergie, würde ich davon abraten, da diese Medikamente nicht ausreichen. Bei weniger akuten Beschwerden kann man aber schauen, ob sie zum Erfolg führen.

Welche Möglichkeiten haben Allergiker alternativ?

Woelke Wichtig ist eine Prophylaxe. Man sollte bei intensivem Pollenflug keine sportlichen Aktivitäten draußen machen und den Kontakt mit den Allergenen meiden. Kleidung sollte man nicht im Schlafzimmer ablegen. Zudem sollte man eher abends als morgen duschen und die Haare waschen. Bei Problemen mit den Augen hilft eine Sonnenbrille, um den Aufprall der Allergene zu meiden.

Hat sich der Zahl der Allergiker in den vergangenen Jahren verändert?

Woelke Wir haben die letzten 20 Jahre einen Trend gesehen. Die Allergien sind im Vormarsch. Man geht davon aus, dass 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland in dieser Saison mit allergischen Symptomen zu tun hat — mit stark steigender Tendenz. Die genaue Kausalität ist nicht bekannt. Da spielen sicherlich auch genetische Faktoren eine Rolle.

MARCEL KLEIFELD FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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