Kreis Viersen Ein Gelber Engel steckt in Erklärungsnot

Kreis Viersen · Mit Manipulationen bei der Wahl zum Lieblingsauto der Deutschen fingen die Negativschlagzeilen über den ADAC an. Ausbaden müssen das auch die Pannenhelfer auf den Straßen. Thomas Groegerchen aus Schwalmtal ist einer von ihnen. Die RP hat ihn bei seiner Arbeit begleitet.

 Thomas Groegerchen arbeitet seit eineinhalb Jahren für den ADAC als Pannenhelfer. Trotz der Skandale möchte er die Arbeit auf der Straße nicht mehr gegen eine Werkstatt tauschen.

Thomas Groegerchen arbeitet seit eineinhalb Jahren für den ADAC als Pannenhelfer. Trotz der Skandale möchte er die Arbeit auf der Straße nicht mehr gegen eine Werkstatt tauschen.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Wenn Thomas Groegerchen ankommt, winken die Menschen meist schon von Weitem. In ihrer Mimik spiegeln sich Freude und Erleichterung, aber auch Sorge. Wird Groegerchen helfen können? Kann die Reise weitergehen? Oder wird es richtig teuer? Der 34-Jährige arbeitet als "Gelber Engel" für den ADAC. Acht Stunden täglich ist er im Kreis Viersen, in Mönchengladbach, im Kreis Heinsberg und in Grevenbroich mit seinem gelben Pannenfahrzeug unterwegs, legt manchmal 200 Kilometer zurück, um liegen gebliebene Autos wieder flottzumachen. 80 Prozent der Fahrzeuge, so schätzt Groegerchen, schaffen es nach der Pannenhilfe aus eigener Kraft weiter.

Groegerchen liebt seine Arbeit, das sieht man ihm an, wenn er erzählt. Aber er gibt auch zu, dass die vergangenen Monate nicht leicht waren. Die Negativschlagzeilen, die der ADAC lieferte, nahmen kein Ende: Manipulationen bei der Wahl zum Lieblingsauto der Deutschen, Führungskräfte und deren Angehörige sollen ADAC-Rettungshubschrauber privat genutzt haben, angeblich wurden Pannenhelfer dazu gedrängt, möglichst viele neue Batterien zu verkaufen.

In den ersten Wochen bekam der Kfz-Mechaniker jeden Tag Sprüche seiner Kunden zu hören: "Na, mit dem Hubschrauber gekommen?" beispielsweise. "Vor allem die Manipulationen bei der Wahl zum Lieblingsauto der Deutschen sind den Leuten im Gedächtnis geblieben", sagt Groegerchen. Das habe dem Image des ADAC sehr geschadet. "Uns glaubt man jetzt keinen Test mehr", sagt er. Manchmal sei er durchaus in Erklärungsnot geraten.

Der junge Pole aus Breyell, dessen silberner Audi A4 nicht mehr anspringen will, sagt nichts zu den Skandalen. Er spricht und versteht nicht viel Deutsch und entschuldigt sich dafür mehrfach. "Ich lerne", sagt er, und Thomas Groegerchen erklärt ihm geduldig, was er tut, um den Wagen mit fast 300 000 Kilometern auf dem Tacho wieder ans Laufen zu kriegen. Wie so oft ist die Batterie schuld. Ein Messgerät, das Groegerchen anschließt, zeigt, dass sie nur entladen ist. Eine neue ist nicht notwendig — das für diesen Audi passende Modell hätte der Gelbe Engel ohnehin nicht dabei gehabt. "Jetzt 20 Minuten fahren, damit sie sich wieder auflädt", rät Groegerchen dem Polen und gestikuliert dabei mit den Händen, als halte er ein Lenkrad fest. Der junge Mann strahlt und entschuldigt sich noch mal für sein dürftiges Deutsch. Schnell ist der Pannenbericht ausgefüllt, und der Helfer überreicht noch zwei Werbebroschüren des ADAC. Schon geht es weiter durch den Kreis Viersen.

Seltener auf ADAC-Skandale angesprochen

Groegerchen fährt ziellos umher und wartet auf den nächsten Auftrag. Mit dem auffälligen Pannenfahrzeug Präsenz zeigen ist besonders wichtig in den Wochen nach den Skandalen. Tatsächlich begegnen ihm mehrmals Abschleppfahrzeuge des Unternehmens Bröker, das im Auftrag des ADAC unterwegs ist. Auch vom Konkurrenten AvD (Automobilclub von Deutschland) kommt ihm ein Pannenfahrzeug entgegen — aber das sei äußerst selten, sagt Groegerchen. Wie viele ADAC-Mitglieder nun kündigen, müsse man abwarten, sagt der Familienvater. Inzwischen habe sich die Aufregung aber deutlich gelegt, er werde viel seltener auf die Skandale angesprochen. "Die meisten sind froh, dass wir schnell kommen und ihnen helfen. Und sie sagen uns oft, dass wir Mitarbeiter ja nichts dafür können."

So sieht es auch Bauunternehmer Heribert Müller, dessen auf einer Baustelle in Waldniel stehender Mercedes der M-Klasse nicht mehr anspringt — "selbst schuld, ich habe die Zündung über Stunden angelassen", sagt Müller. Er freut sich, dass er nur eine halbe Stunde auf den Pannenhelfer warten musste. Seit fast 30 Jahren ist er ADAC-Mitglied, an einen Austritt habe er keine Sekunde lang gedacht. "Da gibt es größere Skandale. Und was interessiert mich, was das Lieblingsauto der Deutschen ist? Ich bilde mir meine eigene Meinung."

Anfangs habe er sich schon Gedanken um seinen Arbeitsplatz gemacht, sagt Groegerchen. Zusätzlich zu den Skandalen habe es die erste Preiserhöhung seit zehn Jahren gegeben. "Das war natürlich ungünstig." Auf die Werbeflyer reagierten die Kunden nun verhaltener als früher. Die Unsicherheit bleibt also. "Man weiß ja nie genau, was da oben vor sich geht. Aber unser Teamleiter hat uns beruhigt", so der Pannenhelfer. Verhaltensmaßregeln für die Mitarbeiter habe es nicht gegeben. "Ich bin weiterhin freundlich zu den Menschen und verbiege mich nicht", beschreibt Groegerchen seine Einstellung.

Richtige Entscheidung getroffen

Seit eineinhalb Jahren arbeitet der 34-jährige Amerner nun für den ADAC. Vorher hat er bei Mercedes gelernt und dort viele Jahre als Mechaniker gearbeitet. Bereut hat er die Entscheidung, Pannenhelfer zu werden, auch jetzt noch nicht: "Die Arbeit ist viel abwechslungsreicher. Man trifft so viele Menschen und hat es mit ganz unterschiedlichen Fahrzeugtypen zu tun." Vom Fahrrad (auch Flickzeug hat er im Gepäck) über Wohnmobile bis zum Ferrari — die Abwechslung ist groß.

So ist auch der nächste Fall etwas kniffliger: Wilfried Scholz aus Elmpt ist mit seinem Kia Sorento nach Born zu einem Kunden gefahren. Als er weiterfahren wollte, sprang sein Auto nicht mehr an. Groegerchen probiert, schließt ein Messgerät an, vermutet den Grund für den Defekt im Schlüssel des Autos, in dem auch der Sender für die Wegfahrsperre untergebracht ist. Gerade hat Scholz seine Frau angerufen, um sie zu bitten, den Ersatzschlüssel vorbeizubringen, da hat Groegerchen den Fehler gefunden: Eine Sicherung ist defekt — allerdings die für den Airbag. Und die dürfte eigentlich nichts mit der Zündung zu tun haben. Autofahrer Scholz freut sich, dass der ADAC schnell helfen konnte. Die Skandale lassen auch ihn kalt: "So etwas gibt es doch bei vielen großen Konzernen. Wenn man etwas sucht, dann findet man auch was. Das kann man den Mitarbeitern nicht ankreiden."

Groegerchen gibt Scholz noch ein paar Ersatzsicherungen in die Hand und setzt sich wieder in sein gelbes Auto. Scholz winkt freundlich zum Abschied.

(RP)
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