Schwalmtal Ein neues Haus für das Kinderdorf

Schwalmtal · Weil das Bethanien-Kinderdorf immer mehr Kinder aufnimmt, wird das Regenbogenhaus gebaut. Doch die Stiftung Deutsches Hilfswerk fördert mittlerweile fast nur noch Altenhilfe. Deswegen werden jetzt Spender gesucht

 Kinderdorfleiter Klaus Esser auf der Baustelle für das Regenbogenhaus.

Kinderdorfleiter Klaus Esser auf der Baustelle für das Regenbogenhaus.

Foto: Ahlen

Im Bethanien-Kinderdorf in Waldniel steht ein großer gelber Kran. Es wird gebaut: Das Regenbogenhaus entsteht. Dort soll bald eine Kinderdorf-Familie mit neun Kindern einziehen, die im Moment noch im Wiesenhaus wohnt. Dort ist es eigentlich zu eng. Ins Wiesenhaus wiederum zieht dann die neue, kleinere Familie ein, die im Augenblick ihr Zuhause im Lindenhaus hat. Das wiederum war eigentlich schon zum Abriss vorgesehen und bereits entkernt. Es ist wieder hergerichtet worden, weil der Bedarf so groß ist.

Die Zahlen der vergangenen Jahre zeigen, dass immer mehre Kinder und Jugendliche außerhalb ihrer Familien aufwachsen müssen. "Als ich 1992 ins Kinderdorf kam, hatten wir 87 Plätze. Heute sind es 146", sagt Kinderdorfleiter Klaus Esser. Und selbst damit können die Bethanier nur einen Bruchteil der Kinder aufnehmen, für die sie Anfragen von den Jugendämtern bekommen. Im Jahr 2014 waren es 201 Kinder, für die ein Platz gesucht wurde. Bethanien konnte 27 aufnehmen. Und das, obwohl in den vergangenen Jahren jährlich zehn neue Plätze geschaffen wurden.

Beim Bau des Regenbogenhauses taucht nun ein zusätzliches Problem auf. Bislang hat immer die Stiftung Deutsches Hilfswerk dem Kinderdorf finanziell unter die Arme gegriffen, wenn ein neues Haus gebaut werden musste. "Aber die hat aufgrund des demografischen Wandels ihre Spendenziele umgestellt und fördert nun nur noch Altenhilfe", erklärt Esser. Gesucht seien deshalb jetzt andere Großspender.

Denn auch in der Bevölkerung sei die Spendenbereitschaft nicht mehr so hoch, wie sie mal war, das merke auch der Förderverein, der mit "Weihnachtswunschbäumen" versucht, Geld für Therapiestunden als Weihnachtsgeschenke für die Kinder zu erhalten.

Tatsächlich seien vereinzelt Stimmen zu hören, die sagten, die Kinder in Bethanien seien ja nicht mehr länger auf Spenden angewiesen, sie hätten ja alles. Sogar Pferde, die andere Eltern sich nicht leisten könnten. Esser schüttelt ein wenig traurig den Kopf. "Kaum jemand kann nachvollziehen, was es für ein Kind bedeutet, ohne leibliche Eltern aufzuwachsen", sagt er. So sehr man sich in der Kinderdorffamilie bemühe, ein Zuhause zu schaffen - "es bleibt doch immer anders". Viele Kinder hätten mit Rückständen zu kämpfen, die sie für den Rest ihres Lebens begleiten würden. Und viele kämen auch mit einem Schuldgefühl - gerade, wenn sie sich von psychisch kranken Eltern verabschieden müssen. Zuvor haben sie dann oft über Jahre die Situation vor der Außenwelt verheimlicht, und wenn es dann doch auffalle, entstehe bei vielen dieser Kinder das Gefühl, versagt zu haben, nicht "gut genug" gewesen zu sein, um diese Familie zusammenzuhalten.

Es gibt in Bethanien unterschiedliche Therapien - mit Musik, aber eben auch mit den Pferden. "Und egal bei welcher Therapie, es geht immer um das Selbstbewusstsein des Kindes, nie um irgendwelche Leistungen, die zu erzielen sind", erklärt der Kinderdorfleiter. Und weil eben nicht alle Therapiemöglichkeiten über die Regelsätze abgedeckt werden würden, seien die Spenden auch weiterhin notwendig, um die bestmögliche Förderung für jedes Kind zu erzielen. Erst recht, weil es immer mehr Kinder gebe, die das Kinderdorf brauchen.

(hah)
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