Viersen Ein Paar unterwegs auf unterschiedlichen Flügeln

Viersen · Das Duo "2Flügel" präsentierte Nachdenkliches und Heiteres in der Viersener Kreuzkirche.

Zwei Flügel, wenn auch von recht unterschiedlicher Art, gab es in der gut gefüllten, erneut stimmungsvoll ausgeleuchteten evangelischen Kreuzkirche in Viersen. Zunächst einmal pianistisch in Form eines Konzertflügels. Und dann, im übertragenen Sinn, als inhaltlich breit gestreute Wortbeiträge. Die flogen gewissermaßen über heitere und ernste persönliche Erlebnisse hinweg und sahen herab auf menschliche Grunderfahrungen und missliche politische Verhältnisse.

Klammer des weit gespannten Bogens war das Thema Reisen. Die waren weit und ausgedehnt; sie führten das Ehepaar Christina Brudereck und Benjamin Seipel unter anderem nach Birma und Südafrika, nach Fernost und New York, nach Bethlehem und Jerusalem.

Christina Brudereck ist studierte Theologin und hat gelernt, wie man ein Publikum in seinen Bann zieht. Sie weiß erschütternde Erfahrungen wiederzugeben, so die Beobachtung von Kindern aus den Slums in Südafrika, die im Müll nach Essbaren suchen. Dass auf anderen Kontinenten gastfreundliche Menschen ihr gebratene Katze als besondere Delikatesse anboten, ist eine andere, unvergessene Reiseerfahrung. Unter den vielen menschlichen Begegnungen, die Brudereck erfahren durfte, hat sie eine besonders beeindruckt, die mit der Pianistin Alice Herz-Sommer. Diese faszinierende Frau fand, obwohl als Jüdin nach Theresienstadt deportiert, zu einer optimistischen Lebenseinstellung zurück und wurde 110 Jahre alt.

Wer viel reist, sieht die Heimat mit anderen Augen. Heimat, definierte einst der Pädagoge Eduard Spranger, ist "geistiges Wurzelgefühl". So ähnlich sah es Brudereck auch und skizzierte mit vielen Beispielen Heimat als ein Konglomerat von gewohnten, sehr lieb gewordenen Alltäglichkeiten wie auch von tief sitzenden Urerfahrungen und in die Weite weisenden Träumen.

Benjamin Seipel, Pianist und Dozent an der Kölner Hochschule für Musik im Hauptberuf, steuerte am Flügel musikalische Assoziationen bei. Den Erinnerungen an die Beethoven-Verehrerin Alice Herz-Sommer widmet er einige Takte aus Beethovens Sonaten "Pathétique" und "Mondschein". Den Israel-Erlebnissen wurden hebräische Motive zugeordnet, einige Takte aus Bernsteins "West Side Story" klangen ebenso an wie eigene Improvisationen. Lied-Kompositionen von Seipel ergänzten die Textbeiträge auch thematisch: "Ich bin unterwegs, das Leben ist wie eine Reise, die mich in Atem hält".

(-tr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort