Schwalmtal Eine Reise in die gute alte Zeit

Schwalmtal · Der Heimatverein zeigt am Wochenende, wie man früher unterwegs war — und wie man den Schmutz der Straße wieder los wurde

 Der Sitzschlitten gehört zu den Schätzen in der Heimatstube.

Der Sitzschlitten gehört zu den Schätzen in der Heimatstube.

Foto: Busch Franz-Heinrich sen.

Auf dem Treppenabsatz im ersten Stock liegen Taschen und Tornister. "Dat is enne Aap", sagt der Heimatvereinsvorsitzende Klaus Müller und hält einen mit Fell besetzten Rucksack hoch. Wegen des Fells wurde der Rucksack im Volksmund "Aap" genannt - Affe. Daneben liegen Gamaschen, die man bei Regen oder Schnee über die Schuhe zog, alte Schultornister und Taschen - darunter die Tasche des Briefträgers und die Tasche des Milchmanns. Schwimmmeister Heinrichs reiste 1960 mit einem Lederkoffer zu den Olympischen Sommerspielen nach Rom - Aufkleber auf dem Gepäckstück erinnern an Stationen wie Bozen und Triest.

 Astrid Babucke vom Heimatverein Waldniel zeigt eine Waschglocke, mit der früher die Wäsche gestampft wurde. Über dem Waschkessel hinten in der Ecke hängen eine Schnellpisser-Unterhose und ein Leibchen.

Astrid Babucke vom Heimatverein Waldniel zeigt eine Waschglocke, mit der früher die Wäsche gestampft wurde. Über dem Waschkessel hinten in der Ecke hängen eine Schnellpisser-Unterhose und ein Leibchen.

Foto: Busch

Die Taschen werden am Wochenende im Innenhof der Heimatstube an der Niederstraße in Waldniel ausgestellt, ebenso wie Reisewecker oder ein Sitzschlitten aus alter Zeit. Der Heimatverein Waldniel, der das kleine Museum führt, beteiligt sich am Themenjahr des Kulturraums Niederrhein, das unter dem Motto "Unterwegs" steht. Passend dazu zeigt die Dülkener Künstlerin Petra Kanke Objekte, die sie aus Filtertüten fertigte - darunter Schuhe und Stiefel, die so stabil erscheinen, als seien sie aus Kunststoff.

Wer in der "guten alten Zeit" auf Reisen ging, musste damit rechnen, dass die Schuhe schmutzig und die Kleider staubig wurden. Wie aufwendig das Waschen war, zeigt der Heimatverein in der neu gestalteten Waschküche. Verschmutzte Wäsche wurde in der Zinkwanne über ein Waschbrett gerieben oder mit der Waschglocke gestampft, um sauber zu werden. Der beheizbare Waschkessel wurde noch in den 1950er-Jahren genutzt, nicht nur zum Waschen. "Darin hat man auch Tüüt gekocht oder Erbsensuppe für 100 Mann", sagt Müller.

Solch einen Kessel kennt der 68-Jährige noch aus seiner Kindheit, "ich erinnere mich noch daran, dass ich ihn anfeuern musste". Alle drei Wochen wurde bei Müllers damals montags gewaschen. Das Waschen war so aufwendig, dass an Waschtagen nicht gekocht wurde - man wärmte die Reste vom Sonntagsessen auf. Um die Kleider zu schonen, unterschied man Sonntags- und Alltagskleider. Die Jungen, daran erinnern sich Klaus Müller und der zweite Vorsitzende des Heimatvereins, Peter Oelers (76), trugen ohnehin meist Lederhosen, "die wurden gar nicht gewaschen". Und die Frauen, die sich auf eine Heirat vorbereiteten, legten Wert auf eine umfangreiche Aussteuer, "dann mussten sie nicht so oft waschen".

Auch eine der ersten elektrischen Waschmaschinen ist im Museum zu sehen. Wer keine hatte, konnte bei einer Firma am Bleichwall in Waldniel tageweise auch eine Waschmaschine leihen. Wie viel Waschpulver benötigt wurde, verrät der Aufdruck auf dem "Persilknüppel": "1 Waschkessel = 6 Eimer Wasser = 1 Doppelpaket Persil".

Wer sich auf den Weg zur Arbeit machte, nahm früher ein "Knüerke" mit - auch als Henkelmann bekannt. In dieser Proviantbox aus Blech wurde das Mittagessen transportiert, "häufig Kartoffeln, Gemüse und ein Stück Fleisch oder Bratwurst", erklärt Müller. In den Firmen wurden die Henkelmänner der Mitarbeiter dann zur Mittagszeit im heißen Wasserbad erwärmt.

Nach des Tages Mühen blieb am Abend nur noch der Weg ins Bett. Um es gemütlich zu haben, war einiger Aufwand nötig. Daran erinnern die Gegenstände im liebevoll eingerichteten Schlafzimmer. Dort gibt es eine Messingwärmeflasche, die mit heißem Wasser befüllt wurde, und eine aus Keramik, in der heißer Sand war. Wer sich waschen wollte, schleppte Wasser in einer Kanne ins Schlafzimmer. Waschbecken mit Abfluss gab es noch nicht, man wusch sich über einer Schüssel. Schüssel und Kanne aus Porzellan stehen im Museum, ebenso wie die Weiterentwicklung, die Waschkommode. Dreht man an der Kommode die Schublade auf, kommen zwei Waschschüssel zum Vorschein - ähnlich wie beim Topfkarussell, das es heute in vielen Küchen gibt.

Wer wissen will, wie man damals nach dem Waschen roch, sollte sich von Müller eine zylinderförmige kleine Dose zeigen lassen. Darin befindet sich, immer noch duftend, ein altes Stück Kaloderma-Seife.

(RP)
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