Niederkrüchten Eiskalt gefangen auf Hiddensee

Niederkrüchten · Aus einer Woche Urlaub auf Hiddensee wurden eineinhalb. Vier Tage lang saß die Elmpterin Gitta Prause auf der eingeschneiten Ostseeinsel Hiddensee fest. Mit der RP sprach sie über ihr unfreiwilliges Abenteuer.

Dass ihr Urlaub außerplanmäßig verlängert wird, schwant Gitta Prause schon am 29. Januar. Das Fährschiff "Vitte" liegt mit Maschinenschaden in der Werft, und das Sturmtief Keziban verheißt Chaos. Als Gitta Prause am letzten Samstag, dem eigentlichen Abreisetag, in ihrem Ferienhäuschen aufwacht, ist die Ostseeinsel von der Außenwelt abgeschnitten. Keziban hat über Nacht einen halben Meter Neuschnee und bis zu drei Meter hohe Verwehungen aufgetürmt. Weil die Vitte, das einzige eisbrechende Fährschiff der Reederei, weiter ausfällt, ist die Fahrrinne zugefroren. Ein 30 Zentimeter dicker Eispanzer bedeckt den Bodden zwischen Hiddensee und der Nachbarinsel Rügen.

Schneedecke über dem Bodden

Gitta Prause schwankt zwischen Bewunderung für ein einmaliges Naturschauspiel und Panik. "Ich kam mir vor wie eingesperrt", sagt die 58-Jährige. Sie überlegt ernsthaft, sich über das Ostsee-Eis die fünf Kilometer nach Rügen durchzuschlagen. Diesen ebenso beschwerlichen wie gefährlichen Weg hatten vor dem Sturm einige Urlauber und Einheimische gewagt. Doch nach dem Wüten Kezibans liegt eine dicke Schneedecke auf dem Eis, die eine Orientierung nahezu unmöglich macht.

Der Eisbrecher "Ranzow" scheitert unterdessen beim Versuch, die Fahrrinne frei zu machen. Gitta Prause und ihre Freundin Claudia Markert, die zusammen Urlaub machen, richten sich in ihrem Ferienhäuschen im Dörfchen Kloster notgedrungen auf den Sonderurlaub ein. Am Samstag können sie im kleinen Laden im Ort noch ein paar Vorräte einkaufen. "Das Nötigste war da", sagt die Elmpterin. Nur das Brot wird bald knapp. Die beiden Frauen steigen auf Knäcke um.

Gitta Prause, die aus Dresden stammt, und mit Tochter, Schwiegersohn und Enkel Niklas vor zweieinhalb Jahren nach Elmpt zog, ist Stammgast auf Hiddensee – immer im Winter. "Ich liebe die klare Luft und die Ruhe. Und so ein Sturm kann einem wunderbar den Kopf freiblasen", sagt sie. Vor Keziban hatte sie überhaupt keine Angst. Unruhe löst nur das permanente Gefühl aus, eingeschlossen zu sein, sich nicht mehr frei bewegen zu können.

Mit ihrer Tochter in Elmpt steht sie in ständigem Handykontakt. Am Donnerstag möge sie doch bitteschön zuhause sein, fordert die Tochter die Mutter scherzhaft auf: "Da gehen wir zu Mario Barth nach Düsseldorf, und du musst Babysitten." Gitta Prause konnte ihren Oma-Pflichten nachkommen. Denn am vergangenen Dienstag kam endlich die Rettung aus der Luft. Ein privater Hubschrauber fliegt einige Dutzend Urlauber nach Rügen aus. Für 40 Euro pro Person. Zehn Bus- und Bahnstunden später kommt Gitta Prause glücklich in Elmpt an.

Ihrer Liebe zu Hiddensee hat das eiskalte Abenteuer nichts anhaben können: "Für nächstes Jahr haben wir schon vorgemerkt."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort