Torsten Esser Erinnerungen an den Monte Quasselino

Viersen · Der Journalist Torsten Eßer schreibt ein Buch über den Spiel- und Diskutierhügel in der Viersener Fußgängerzone, der 1996 abgerissen wurde. Er sammelt Geschichten und Bilder von Menschen, die sich in den 70er- bis 90er-Jahren dort trafen.

 Ende der 1970er-Jahre tanzten Frauen unter Führung von Marie-Luise Morawietz von der SPD um den "Monte". Immer wieder gab es Kritik an den Jugendlichen, die dort saßen, die Schlabberjeans und lange Haare trugen. Die Frauen wollten zeigen, dass Frieden vor der eigenen Haustür anfängt, und warben für das Recht der Jugend auf Lebensraum und persönlichen Stil (oben). Torsten Eßer machte 1985 Abitur, die jungen Leute feierten am "Monte" (links).

Ende der 1970er-Jahre tanzten Frauen unter Führung von Marie-Luise Morawietz von der SPD um den "Monte". Immer wieder gab es Kritik an den Jugendlichen, die dort saßen, die Schlabberjeans und lange Haare trugen. Die Frauen wollten zeigen, dass Frieden vor der eigenen Haustür anfängt, und warben für das Recht der Jugend auf Lebensraum und persönlichen Stil (oben). Torsten Eßer machte 1985 Abitur, die jungen Leute feierten am "Monte" (links).

Foto: Eßer/Stadtarchiv

Viersen 1972 wurde der Diskutierhügel in der Viersener Innenstadt angelegt. Kurz nach dem Bau schon begannen die Diskussionen um den "Monte Quasselino", seine Fahnenstangen, seine Bäume, seine Besucher. 1996 schließlich wurde der Hügel abgerissen. Torsten Eßer, in Viersen am und mit dem "Monte" aufgewachsen, schreibt nun ein Buch über den Diskutierhügel. Er sammelt Anekdoten und Fotos und hofft, dass viele Viersener Erinnerungen an den "Monte" haben, die sie gern mit ihm teilen möchten.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch über den "Monte" zu schreiben?

Torsten Esser Vor zehn Jahren habe ich eine Internetseite angelegt (www.monte-quasselino.de), um dort Geschichten und Bilder über den "Monte" zu sammeln. Dann habe ich eine Zeit lang in Spanien gelebt, die Seite schwebte unfertig im Netz herum. Jetzt arbeite ich schon seit einiger Zeit gemeinsam mit meinem Vater Paul Eßer an einem Niederrhein-Buch. Im Zuge dessen kam ich auf die Idee, nicht nur Geschichten über den "Monte" zu sammeln, sondern die Geschichte des Diskutierhügels auch unter architektonischen und politischen Gesichtspunkten aufzuarbeiten.

Sie sammeln jetzt Anekdoten für das Buch. Gibt es eine, die Sie persönlich mit dem "Monte" verbinden?

Esser Ich habe viele Erinnerungen an den "Monte". 1985 habe ich am Humanistischen Gymnasium Abitur gemacht, und von 1977 bis 1984 war ich sehr häufig am "Monte". Viele Jugendgruppen trafen sich dort, und das führte immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Geschäftsleuten oder Anwohnern, die sogar eine Bürgerwehr gründen wollten, um den "Monte" von dem "Gesindel" freizuhalten. Wir haben damals Schneebälle an die Hauswand eines Geschäftsmanns geworfen, da ist ein Stück von seinem Glockenspiel abgefallen.

Finden Sie es schade, dass es den "Monte" nicht mehr gibt?

Esser Ja, ich finde es schade, und zwar unter mehreren Gesichtspunkten. Zum einen finde ich es schade, dass er nicht mehr da ist, weil ich dort schöne Sachen erlebt habe. Unsere Abifeier beispielsweise hatten wir 1985 auf dem Monte. Ich sehe uns noch in weißen Maleranzügen dort stehen, die Sektflasche in der Hand. Zum anderen finde ich es auch architektonisch schade. Ich habe nichts gegen das Café, das jetzt da steht, aber architektonisch ist das nicht besonders originell, und der "Monte" war originell. Nirgendwo in Nordrhein-Westfalen, hat mir der Architekt Herr Penker erzählt, gab es in einer Fußgängerzone einen Kommunikationspunkt für die Bürger, einen Treffpunkt, der so originell angelegt war.

Vielleicht hatte sich das überholt?

Esser Ein Architekt sagte zum Abriss des "Monte", er sei nicht mehr zeitgemäß gewesen. Doch das halte ich für Blödsinn. Heute sieht man überall Jugendliche sitzen, das Handy in der Hand. Aber wenn es solche Kommunikationspunkte gibt, dann geht man vielleicht auch mal dorthin, um andere zu treffen, und legt das Handy beiseite.

Sollte es Ihrer Meinung nach also mehr solcher Kommunikationspunkte in den Innenstädten geben?

Esser Absolut. Ich denke, wenn man solche Möglichkeiten eröffnet, dann werden sie auch angenommen. Und zwar nicht nur von Jugendlichen, das war auch beim "Monte" so. Da trafen sich Menschen jeden Alters. Ich finde es gut, wenn solche Treffpunkte von allen genutzt werden, wenn Schüler da sitzen, wenn Rentner da sitzen. Solche Treffpunkte sollten für alle da sein.

Wie weit sind Sie mit Ihrem Buch?

Esser Für den wissenschaftlichen Teil habe ich viele Unterlagen gesammelt. Ich muss noch die Protokolle der Ratssitzungen von damals durchgehen, und das wird dauern, weil es viele Diskussionen um den "Monte" gab. Das war ein politisches Hin und Her, das sich durch alle Fraktionen zog. Und ich hoffe ja, dass sich viele Leute melden, die Anekdoten erzählen können und Bilder haben. Bis ich alles verarbeitet habe, vergeht sicherlich ein Jahr.

Nun habe ich also eine Anekdote zu erzählen oder habe alte Fotos - wie kommt beides zu Ihnen?

Esser Ich habe ja die Internetseite, dort gibt es ein Kontaktformular. Man kann mir eine E-Mail schreiben oder mich anrufen. Wichtig ist natürlich, dass die Leute damit einverstanden sind, dass ihre Geschichten und Bilder veröffentlicht werden. Ich freue mich auch über kritische Berichte. Und es müssen ja nicht nur Geschichten sein, bei denen der "Monte" im Mittelpunkt steht. Der Hügel kann auch Ausgangspunkt einer Geschichte sein. Er war Treffpunkt. Viele Ausflüge haben dort begonnen, viele Liebesgeschichten nahmen dort ihren Anfang.

(RP)
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