Viersen Familien bieten Kranken ein Heim

Viersen · Ein LVR-Projekt hilft 25 geistig Behinderten und Psychisch Kranken. Gasteltern berichten

 Gemeinsam Pizza machen, essen und am Küchentisch klönen: Toni ist durch das LiGa-Projekt Teil von Familie geworden. Mutter Silvia und Tochter Jenet Jakusch sehen ihn als Familienmitglied. RP-Foto: Franz-Heinrich Busch

Gemeinsam Pizza machen, essen und am Küchentisch klönen: Toni ist durch das LiGa-Projekt Teil von Familie geworden. Mutter Silvia und Tochter Jenet Jakusch sehen ihn als Familienmitglied. RP-Foto: Franz-Heinrich Busch

Foto: Jakusch

"Als die erste Nachricht von Toni einging, er sei um 20 Uhr Zuhause, wusste ich: Jetzt ist er richtig bei uns angekommen. Zuhause hatte er bis dahin nie gesagt", sagt Silvia Jakusch und lächelt in Richtung Toni. Der 25-Jährige lächelt zurück. Für ihn ist Familie Jakusch, in der er seit fast einem Jahr lebt, ein Heim geworden. "Mit LiGa ist mein Leben bergauf gegangen. Ich habe viel gelernt, was ich vorher nicht drauf hatte. Ich bin von Null auf Hundert geklettert", sagt Toni.

Er ist einer von 25 Menschen im Kreis Viersen, die vom Projekt LiGa (Leben in Gastfamilien) profitieren. Die LVR-Klinik Viersen für psychisch Kranke oder geistig Behinderte bietet Möglichkeiten, in einem Wohnheim zu leben oder ambulant betreut zu werden. LiGa ist ein spezielles Angebot. "Dabei wird normaler Familienalltag gelebt", sagt Markus Kellmann, Abteilungsleiter vom LVR-Wohnverbund. Dabei ist die LVR Klinik allerdings auf die Unterstützung von Familien, Paaren oder Singles angewiesen, die bereit sind, einen Klienten bei sich aufzunehmen. Menschen wie Familie Jakusch.

"Ich habe damals einen Aufruf in der Zeitung gelesen. Da die Schwiegermutter meines Bruders etwas Ähnliches macht, war ich interessiert", erzählt Jakusch, die zwei Töchter und einen Sohn hat. Die Familie überlegte und fasste den Entschluss, sich zu bewerben. Gespräche mit dem LVR folgten. "Wir sammeln Informationen über die Bewerber. Es gibt keine schematische Zuordnung, sondern es geht um eine individualisierte Anpassung: Wer passt zu wem? Wo stimmen Schnittmengen überein?", erläutert Petra Hüpen vom LiGa-Team. Hat die Familie zum Beispiel Hunde und der Klient hat Angst vor Tieren, passt es genauso wenig zusammen wie Raucher und Nichtraucher. Bei Übereinstimmungen gibt es ein erstes Treffen, eine Probewoche folgt.

Bei Familie Jakusch und Toni stimmte die Chemie sofort. "Toni gehört zur Familie und für uns ist es ganz normal, ihn dabei zu haben. Für mich ist er eine Art Schwiegerkind, das dazu gekommen ist", beschreibt Jakusch die Situation. Hilfe durch das LiGa-Team außerhalb der üblichen zweiwöchigen Besuche hat sie noch nie gebraucht.

Das LiGa-Team steht den Familien aber jederzeit zur Seite. "Es gibt auch Notrufnummern, so dass wir 24 Stunden erreichbar sind, wenn sich jemand unsicher fühlt oder ein Problem auftaucht", sagt Hüpen. Fachwissen müssen die Familien nicht mitbringen. Einzige Voraussetzung: die Bereitschaft, Zeit für einen Menschen mitzubringen. Wer Vollzeit arbeitet, ist daher nicht geeignet. Zudem muss ein ausreichend großes Zimmer zur Verfügung stehen, so dass es Rückzugsmöglichkeiten gibt. Die Klienten sind mindestens 18 Jahre alt. "Niemand verpflichtet sich für eine bestimmte Zeit. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, auszusteigen", sagt Kellmann. Er kann immer wieder feststellen, dass sich durch die Gastfamilien für die Klienten der Blick nach vorne öffnet, sie mit einer oftmals belastenden Vergangenheit abschließen können: Oft ist LiGa der Start in ein neues Leben.

(tref)
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