Viersen Festival wächst über den Jazz hinaus

Viersen · Das 30. Internationale Jazzfestival war für die Organisatoren ein Erfolg. Rapper Samy Deluxe und die Band Bosse zogen auch Nicht-Jazzfans an

 Pianist Florian Weber (links) war "artist in residence" beim Festival. Einer seiner Gäste: Rapper Samy Deluxe.

Pianist Florian Weber (links) war "artist in residence" beim Festival. Einer seiner Gäste: Rapper Samy Deluxe.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Axel Bosse gelang am Samstagabend, was so manchem Künstler vor ihm in den vergangenen Jahren nicht gelungen war: Die Leute blieben. Sie blieben nicht nur sitzen, sie standen auch auf und kamen nach vorn zur Bühne. Das hatte der Sänger und Frontmann der Band Bosse den Festivalbesuchern auch empfohlen: nach vorn kommen, mal antanzen. "Denn tanzen macht locker", erklärte Bosse. Und darauf ließen sich viele Zuhörer ein.

Ob man sich einlassen muss auf andere Musikstile, wenn man ein Jazzfestival besucht, darüber wurde in den vergangenen Jahren in Viersen alljährlich diskutiert. Liebhaber der "schrägen Tönchen" beklagten die Programmgestaltung der Organisatoren, die Pop-Acts zum Festival in die Festhalle holten - etwa die Band Lukas Graham oder Sängerin Stefanie Heinzmann. Doch das wird so bleiben, machten Festivalorganisator Tobias Kremer und die städtische Kulturamtsleiterin Brigitte Baggen unmissverständlich klar.

Das bekräftigte Kremer gestern auch im Gespräch mit unserer Redaktion. Während sich manche Zuhörer nicht auf andere Musikstile einlassen wollen, wollen Musiker das sehr wohl: Jazzpianist Florian Weber beispielsweise, der als "artist in residence" beim Festival mit verschiedenen Künstlern auftrat, hatte Rapper Samy Deluxe mitgebracht. Mit ihm geht Weber ab Oktober auf Tour. Die Mischung von Jazz und anderen Stilen bleibt dem Viersener Festival erhalten, wenn es nach Kremer geht - "weil man damit neues Publikum werben kann, weil es ein Marketinginstrument ist, aber auch, weil es Spaß macht", erklärte Kremer. "Ich bin Jazzmusiker durch und durch, aber ich habe mit Entertainment kein Problem." Vielleicht müsse man den Namen ändern: "Ist der Name Jazzfestival noch zeitgemäß? Verstehen die Leute noch, was hier passiert?"

Insgesamt zählten die Organisatoren am Freitag- und Samstagabend 2326 Besucher, im vergangenen Jahr waren es 2365. Dass am Freitagabend zu später Stunde die Halle zügig leer wurde, dürfte nicht am Auftritt der Band Fanfare Ciocarlia gelegen haben, sondern vielmehr an der Lautstärke, in der das Ensemble gut gelaunt Balkan-Beats präsentierte, sondern vielmehr an der Lautstärke: Die Bässe brachten die Halle zum Beben. Damit Besucher im benachbarten kleinen Saal das Konzert von Florian Weber und Saxofonist Lee Konitz verfolgen konnten, mussten alle Türen geschlossen werden. Ohne Ohrstöpsel war die Band praktisch nicht zu ertragen. "Ungenießbar", urteilte auch Kremer gestern. Die Organisatoren hätten versucht, die Lautstärke drosseln zu lassen, "doch das ist auch eine Frage der künstlerischen Freiheit. Wir messen die Lautstärke, wie es unsere Pflicht als Veranstalter ist, doch je weniger Leute dann im Saal sind, desto schwieriger wird es." Da Musik im Raum viel Hall und viele Echos erzeuge, versuchten insbesondere Mischer von Popbands immer wieder, Hall und Echos durch Lautstärke zu übertönen. "Es gab keine Chance, außer zu sagen: Hört auf", so Kremer. Das taten die Veranstalter nicht, und so erhielten die verbliebenen 50 Besucher vor der Bühne von Fanfare Ciocarlia auch noch die ersehnte Zugabe.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort