Brüggen Flüchtlinge warten auf Anerkennung

Brüggen · In der Hoffnung auf ein besseres Leben sind sie gekommen. Doch viele Asylsuchende warten monatelang darauf, dass etwas passiert. In Brüggen klagen Flüchtlinge über lange Wartezeiten, endlose Tage und Schlafmangel.

 Diese Flüchtlinge möchten Deutsch lernen. Ihr Lehrer Frank Heidrich (Mitte, am Tisch sitzend) hilft ihnen in der Brüggener Burg dabei. Viele Flüchtlinge warten monatelang auf die Prüfung ihrer Asylanträge. Das Warten, die Ungewissheit und die Lebensbedingungen in den Unterkünften machen ihnen zu schaffen.

Diese Flüchtlinge möchten Deutsch lernen. Ihr Lehrer Frank Heidrich (Mitte, am Tisch sitzend) hilft ihnen in der Brüggener Burg dabei. Viele Flüchtlinge warten monatelang auf die Prüfung ihrer Asylanträge. Das Warten, die Ungewissheit und die Lebensbedingungen in den Unterkünften machen ihnen zu schaffen.

Foto: Busch

Deutsch ist nur ein kleiner Teil des Tages. Der Unterricht dauert nicht lange genug, um diese Tage auszufüllen, die scheinbar kein Ende nehmen. Was also können Flüchtlinge tun, wenn der Unterricht endet? Vielleicht gehen sie bei der Tafel vorbei oder bei der Kleiderkammer, holen sich etwas zu essen oder etwas zum Anziehen. Vielleicht gehen sie einfach nur zurück zum Container. Und warten darauf, dass der Tag vorbeigeht.

Das Gefühl, nichts zu tun zu haben und nicht zu wissen, wie es weitergeht, ist für viele Flüchtlinge schlimm. Davon berichten einige, die derzeit in Brüggen untergebracht sind. Der 24-jährige Ablel etwa ist mit seiner 20-jährigen Ehefrau Ruta aus Eritrea geflohen. Das Paar lebt nun seit sieben Monaten in Deutschland. Ob die beiden bleiben dürfen, wissen sie nicht. Bislang habe es keine Anhörung gegeben, sagt Ablel, und es habe auch niemand ihre Fingerabdrücke genommen. "Morgens lernen wir Deutsch", sagt Ablel, "und mittags tun wir - nichts." Dann sitzen sie da auf ihren Betten in der Unterkunft im Heidecamp und warten.

Anderen Flüchtlingen geht es ebenso. "Man kann nicht den ganzen Tag fernsehen", sagt Omar. Der 43-Jährige ist mit seiner gleichaltrigen Frau Hiyam und den drei Kindern - elf, 14 und 16 Jahre alt - aus dem Irak geflohen. In einem kleinen Boot fuhren sie über das Mittelmeer, gemeinsam mit 40 weiteren Menschen. Eng war es auf dem Boot, und eng ist es in den Unterkünften, in denen die Flüchtlinge nun über Monate hinweg sitzen und warten. "Du kannst keine zehn Minuten in so einem Raum sein", sagt Omar. "Du kannst nicht atmen."

Daheim im Irak war er bei der Polizei, hatte dort einen guten Job. "Der IS hat mir mein Zuhause und mein Geld genommen", sagt er. "Jetzt sitzen wir hier seit sechs Monaten, und ich weiß nicht, was mit mir und meiner Familie passiert. Wie lange müssen wir noch warten? Ein Jahr, zwei Jahre?", fragt Omar. Zurückkehren in den Irak könne er nicht, "wenn ich zurückgehe, tötet mich der IS". Doch ohne Ausweis und ohne Arbeit zu sein, ist furchtbar für ihn. Verzweifelt klingt er und aufgebracht, wenn er sagt: "Ich bin nicht hierher gekommen, um Geld von der Regierung zu bekommen! Ich bin ein Mann! Ich möchte arbeiten und für meine Familie sorgen - nicht in einem Zimmer sitzen und warten, warten, warten!"

Auf die Unterstützung anderer angewiesen zu sein, Geld für das Nötigste zum Leben zu bekommen, damit fühlt sich auch Ahmad nicht wohl. "Meiner Meinung nach ist es nicht gut, Geld zu bekommen, ohne zu arbeiten", sagt der 30-jährige IT-Fachmann. Seit sechs Monaten wartet er nun darauf, dass sich etwas tut, dass er erfährt, ob er bleiben darf. "Ich verliere eine Menge Zeit", sagt Ahmad. "Manche bekommen die Aufenthaltsgenehmigung nach ein paar Wochen. Ich warte seit sechs Monaten und hatte noch nicht einmal einen Anhörungstermin." Auch für den 25-jährigen Mohammed aus Syrien ist die Warterei das größte Problem. "Ich möchte lernen, weiter Wirtschaft studieren und arbeiten", sagt Mohammed. Wie Ahmad hat er die letzten sechs Monate jedoch mit Warten zugebracht.

Der Ort des Wartens ist das Bett. Im Container an der St.-Barbara-Straße teilen sich vier Menschen ein Zimmer. Die Räume sind klein. Stellt man zwei Betten mit dem Kopfteil gegeneinander, belegen die beiden Betten schon eine Wandseite. Die gegenüberliegende Seite wird ebenso durch zwei Betten eingenommen. In dem Raum, den sich Salih (23) mit drei weiteren Personen teilt, steht an dieser gegenüberliegenden Wand ein Etagenbett. Salihs Bett ist das untere, "dort kann ich nur liegen. Wenn ich mich hinsetze, stoße ich oben mit dem Kopf an", sagt der junge Iraker.

Salih wäre froh, wenn er wenigstens im Bett sitzen könnte. Denn für die Flüchtlinge, die im Container untergebracht sind, spielt sich das ganze Leben auf dem Bett ab: Man sitzt dort, man isst dort, man lernt dort. Das eigene Bett ist der einzige Bereich, der für einen allein da ist.

Wie die anderen wartet Salih darauf, dass sich etwas tut. Seinen Studentenausweis hat der junge Mann aufbewahrt, doch er weiß, dass er wohl nicht zurückkehren kann. "Ich bin Jeside", sagt der 23-Jährige. "In meinem Heimatland werden Jesiden gekidnappt und ermordet." Er hat es geschafft, zu fliehen. "Aber was tue ich hier? Ich bin hierher gekommen, um Deutsch zu lernen und weiter zu studieren. Jetzt sitze ich hier und warte."

Warten muss Salih, wenn er duschen will. Zwei Duschen gibt es, eine ist kaputt. Die noch funktionierende ist durch einen Vorhang vom Rest des Raumes abgetrennt. Waschbecken gibt es auf der anderen Seite, eine leere Shampooflasche liegt da, sonst ist der Raum leer. Jeder bringt sein Duschzeug, sein Handtuch mit, wenn er sich waschen will. Warten muss Salih auch, wenn er sich etwas kochen möchte. In der Küche gibt es vier Herde, doch wenn 40 Menschen gegen 18 Uhr versuchen, sich ein Abendessen zuzubereiten, dann dauert es, bis man den Herd nutzen kann. Und wenn er dann schließlich im Bett liegt, wartet Salih auf den nächsten Tag. "Oft kann ich nicht schlafen, weil es nachts so laut ist", sagt der junge Mann.

Viele Flüchtlinge können im Container nicht schlafen. Es kann sein, dass der eine oder andere trinkt und dann randaliert. Es kann auch sein, dass man mitten in der Nacht geweckt wird, weil jemand ins Zimmer kommt, der dringend eine Zigarette haben will. Es kann sein, dass es Streit unter einigen Bewohnern gibt und die Polizei kommt.

Eltern können nicht schlafen, weil sie sich Gedanken um ihre Kinder machen. Im Heidecamp lebt eine 35-Jährige mit ihrem zwölfjährigen Sohn, mit dem Kind teilt sie sich ein Zimmer. Ihr Ehemann ist tot. Seit drei Monaten versucht sie, das Zimmer für sich und das Kind so gut herzurichten, wie es eben geht. Sie bittet um Entschuldigung dafür, dass es nicht aufgeräumt ist, doch das geht gar nicht. Auf dem Boden und an den Wänden stapeln sich Kleidung, Bettwäsche und Geschirr, Gewürze, Waschzeug. Dass ein Schrank oder ein großes Regal fehlt, ist das eine. Vor allem aber fehlt es an einer Perspektive: Die Mutter kann ihrem Kind nicht sagen, wie es weitergeht. Sie weiß es selbst nicht.

Auch Abdul (35) aus Syrien sorgt sich um seine Familie. Er lebt mit seiner Frau und den beiden zehn und zwölf Jahre alten Kindern im Container. Seit drei Monaten ist die Familie in einem Raum untergebracht. Dort essen die vier, dort schlafen sie, dort spielen die Kinder. Das Leben im Container sei nicht gut für die Kinder, meint Abdul, "es ist auch nicht gut für die Gesundheit. Meine Frau ist krank, die Kinder auch. Sie waren jetzt zwei Wochen nicht in der Schule."

(RP)
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