Viersen Groko beherrscht die Debatte beim Fisch

Viersen · Die Bundespolitik stand beim politischen Aschermittwoch im Grenzland im Mittelpunkt. Die CDU Niederkrüchten und die SPD Brüggen begrüßten die Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Viersen, Uwe Schummer und Udo Schiefner

Bei der CDU Niederkrüchten standen am Aschermittwoch Fisch, Bratkartoffeln und Politik auf dem Speiseplan. Zum Auftakt servierte der Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer einen Einblick in die Berliner Küche, in der es nach Jamaika-Aus und Groko-Hickhack mächtig brodelt. Schummer nahm zunächst die politische Konkurrenz aufs Korn: die Jamaika-Flüchtlinge von der FDP und den möglichen Koalitionspartner SPD ("Ist das noch eine Partei oder schon eine Therapiegruppe?").

Im Koalitionsvertrag stecke viel CDU, betonte Schummer, etwa im Hinblick auf die schwarze Null in der Haushaltspolitik, auf das Bekenntnis zu Europa und die verschärften Rahmenbedingungen in der Flüchtlingsfrage. Allerdings werde die Sachdiskussion überlagert von der Kabinettsfrage. In der CDU rumort es - nicht zuletzt, weil die Union das Finanzministerium der SPD überlässt. Kritik daran wies Schummer zurück. Wahlziel der CDU sei die Kanzlerschaft gewesen: "Wir wollten das Kanzleramt. Hier werden die Richtlinien der Politik entschieden", so Schummer. Dem müsse sich auch ein SPD-Finanzminister unterwerfen.

Dass es auch an der Niederkrüchtener Basis hier und da Bauchgrummeln gibt, blieb nicht verborgen. Aus dem Publikum kam der Hinweis auf fehlende Aufbruchstimmung und fehlenden Mut in der CDU. Auch deshalb seien die politischen Ränder erstarkt. "Einen Aufbruch wird es mit einer Groko nicht geben", räumte Schummer ein. Er deutete an, dass eine neue große Koalition eine des Übergangs sein könnte. "Wir wollen dreieinhalb Jahre arbeiten und dann mit einer neuen Mannschaft in die nächste Wahl ziehen."

Einen Überblick über das kommunalpolitische Geschehen in der Gemeinde kredenzte Fraktionschef Johannes Wahlenberg. Im Rat stünden schwierige Entscheidungen an, vor allem in Bezug auf die maroden Schwimmbäder. Das Freibad soll in diesem Jahr geschlossen bleiben. Stattdessen solle das derzeit wegen Sicherheits- und Hygienemängeln geschlossene Hallenbad saniert und zunächst ganzjährig betrieben werden - auch um das Schulschwimmen sicherzustellen. Den Traum von einem Schwimmbad-Neubau hält Wahlenberg nur in einer interkommunalen Lösung für realisierbar. Bei der Konversion des Flughafengeländes gebe es nach wie vor keine konkreten Fortschritte in den Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Die CDU dränge darauf, zeitnah zumindest Bereiche für den örtlichen Bedarf an Gewerbeflächen zu aktivieren. Der geplante Edeka-Neubau im Elmpter Heineland rückt näher. Wahlenberg geht davon aus, dass der Rat im kommenden Frühjahr den Satzungsbeschluss über den Bebauungsplan fasst. Auch für Alt-Niederkrüchten will die CDU einen Vollsortimenter, um den Einzelhandel im Ort zu stärken.

Auch die CDU Schwalmtal warf bei kaltem Fisch, gebackenen Kartoffeln und Lachsfilet in Spinat-Sahne-Soße am Aschermittwoch einen Blick nach Berlin und weiter nach Europa. Nach dem Willen der Christdemokraten im Kreis Viersen soll der Vorsitzende der Schwalmtaler CDU, der Landtagsabgeordnete Stefan Berger, die Nachfolge von Karl-Heinz Florenz im Europäischen Parlament antreten. Sein Landtagskollege Marcus Optendrenk betonte, wie wichtig es sei, "dass wir jemanden von hier nach Brüssel bringen können, der nicht vergisst, wo er herkommt".

Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Verhandlungen für eine große Koalition. Berger und Optendrenk fahren am 26. Februar zum Bundesparteitag. Beide erklärten, dem Koalitionsvertrag zustimmen zu wollen. "Ich persönlich sehe, dass wir im Moment keine Alternative haben", sagte Berger. Optendrenk warnte: "Ich glaube, dass es nicht besonders hilfreich ist für Deutschland, wenn wir noch ein langes Palaver haben."

Der Vorsitzende der CDU im Kreis machte auch deutlich, dass ein Koalitionsvertrag eine Bestandsaufnahme zu einem Zeitpunkt X sei. Der Blick auf frühere Koalitionsverträge zeige, dass mitunter Probleme auftauchten, die man nicht habe vorhersehen können, und auf die man dann reagieren müsse.

Viel Zustimmung erhielt der Vorsitzende der Jungen Union Schwalmtal, Fabio Crynen, für seinen Einwand, das Programm der CDU biete "auf bundespolitischer Ebene keine Orientierung mehr". Der CDU fehle ein Markenkern. Optendrenk pflichtete ihm bei: Schon das Wahlprogramm sei nicht konkret genug gewesen. Auch Berger betonte, die CDU müsse in den nächsten Jahren eine Debatte über ihre Ausrichtung führen.

Als Landtagsabgeordneter sicherte Optendrenk zu, dass man sich mit dem Thema der Angriffe auf Hilfskräfte - Feuerwehr, Polizei, Rettungssanitäter - auseinandersetzen werde: "Wir müssen denjenigen, die für die Allgemeinheit den Kopf hinhalten, den Rücken stärken."

Die örtliche Situation ging im Groko-Trubel fast unter. In Schwalmtal habe es einen tiefgreifenden Wandel gegeben, so Berger. Seit 1990 seien rund 5000 neue Bürger hergezogen. Ihnen müsse man Angebote machen, "dafür sorgen, dass sie hier ankommen, nicht nur hier wohnen". Dazu zähle für die CDU auch, neue Mitstreiter für die Arbeit in Ratsgremien zu gewinnen.

In Brüggen war das Fischessen der SPD im Burghof beliebt wie selten zuvor. Als Gäste begrüßten die Brüggener die Niederkrüchtener Genossen mit ihrem Ortsvereins-Vorsitzenden Marco Goertz und die Nettetaler SDP-Ortsvereinsvorsitzende Tanja Jansen sowie Vertreter der Jusos. Der Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner gab einen Bericht aus Berlin ab. Ob nun die Groko die Ideallösung ist, ob es Neuwahlen gibt oder eine Minderheitenregierung kommt, zu allem stand er Rede und Antwort. Zu einer Frau als mögliche Außenministerin meinte er: "Ihr Nachname fängt mit B an, mehr verrate ich nicht." Bei der Abstimmung am 3. März müsse jeder für sich entscheiden, so Schiefner. Er appellierte an alle, sachlich und besonnen an die Sache heranzugehen. Der SPD-Fraktionschef Gottfried Optenplatz kündigte an, Ja zur Groko zu sagen, "damit das Dilemma um die SPD aufhört".

Als Nachfolger des verstorbenen Ratsmitglieds Heinz Rantowski wird Manuel de Sousa am Dienstag im Rat vereidigt. Mit Blick auf die Ratsarbeit erklärte Optenplatz, dass die Gemeinde vor einem in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichenen Ergebnis stehe und für 2018 "große Aufgaben mit großen Kosten" bevorstehen. Zu den Zukunftsprojekten gehören die Feuerwehrgerätehäuser sowie die Schwimmbäder. Beim Thema Bäder arbeite die Brüggener SPD eng mit den Genossen in Niederkrüchten zusammen.

Bei der Brüggener CDU konnte der stellvertretende Vorsitzende Jürgen Offermanns rund 50 Mitglieder begrüßen. Nach dem Fischessen gab Fraktionschef Thomas Schmidt einen ausführlichen Bericht über die Ratsarbeit. Der vom Kämmerer vorgelegte Haushaltsentwurf sei schon deshalb außergewöhnlich, weil er ausgeglichen sei, während in den vergangenen Jahren alle Fraktionen um Einsparungen bemüht gewesen seien, um Horrorszenarien abzuwenden. Große Investitionen seien langfristig durch Kredite zu finanzieren.

Mit Blick auf die derzeit heiß diskutierte Umgestaltung der Borner Straße in Brüggen erklärte Schmidt, die CDU wolle die Lösung gemeinsam mit den Bürgern entwickeln. Allerdings dürften die Kosten bei einem so weitreichenden Konzept nicht ausschlaggebend sein. Es gehe nicht nur um die Sicherheit der Radfahrer, sondern auch um städtebauliche Aspekte, nicht zuletzt um die optische Anbindung an die Nahversorger. Schmidts Wunsch: "Vom Hagenkreuzweg bis zur Sparkasse eine ,befahrbare Fußgängerzone'".

Bürgermeister Frank Gellen gab einen Ausblick aufs Jahr. Unter anderem kann das Haus am Eichenweg bald bezogen werden, Teile des Gebäudes am Altenheim werden vermutlich Mitte des Jahres fertig. Ziehen dort dann Asylsuchende ein (derzeit 190 in der Gemeinde), werden die alte Landesjagdschule und das Bürogebäude von Menz und Könecke frei. In Bracht wird der Bischof-Dingelstadt-Platz umgestaltet, der Spatenstich fürs neue Pfarrheim ist für Samstag geplant. Eindringlich warb Gellen wegen unerträglicher Enge für den Umzug der Brachter Verwaltungsnebenstelle. Über den möglichen Umzug will der Rat am Dienstag in nicht-öffentlicher Sitzung sprechen.

(jo-s)
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