Viersen Hebammen auf den Barrikaden

Viersen · Claudia Wolsing, Hebamme aus Schwalmtal, kämpft für bessere Arbeitsbedingungen in ihrem Beruf. Das Problem: Die Haftpflichtprämien steigen drastisch, die Vergütung ist aber weiterhin schlecht.

 Hebammenprotest auf der Hindenburgstraße in Mönchengladbach: Die Geburtshelferinnen wehren sich mit Plakatsprüchen gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in ihrem Beruf.

Hebammenprotest auf der Hindenburgstraße in Mönchengladbach: Die Geburtshelferinnen wehren sich mit Plakatsprüchen gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in ihrem Beruf.

Foto: KN

Claudia Wolsing ist seit 23 Jahren Hebamme. Zusammen mit ihren Kolleginnen Antje Hagedorn und Monica Ebbers betreibt sie eine Praxis in Niederkrüchten. Das Ausüben ihres Berufs war für die Kreisvorsitzende des Hebammenverbandes jedoch noch nie so schwierig wie in den vergangenen Jahren.

Der Grund: Die Haftpflichtprämien für Hebammen sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen, die Vergütung durch die Krankenkassen jedoch nicht. "Ich kann es mir einfach nicht mehr leisten, Geburtshilfe anzubieten", sagt Wolsing.

Denn die horrenden Gebühren fallen erst dann an, wenn eine Hebamme das tut, wozu sie eigentlich berufen ist: Frauen bei der Geburt zu helfen. "Wenn dabei etwas passiert — das Kind also später pflegebedürftig würde — haftet unsere Versicherung", erklärt Wolsing. Nur in den seltensten Fällen ist die Hebamme aber wirklich schuld daran, es sei eben laut Wolsing einfach "eine Naturkatastrophe".

Pro Geburt bekommt Wolsing circa 250 Euro brutto, die Versicherung kostet im Jahr aber rund 3700 Euro. "Ich müsste also rund 15 Geburten jährlich gratis machen, um meine Versicherung zu bezahlen", hat Wolsing ausgerechnet. Und in Zukunft vielleicht sogar noch mehr. Denn die Versicherungsbeiträge sollen im nächsten Jahr um weitere 15 Prozent angehoben werden. Das bedeutet eine jährliche Prämie von 4200 Euro statt bisher 3700 Euro.

Nach einigen Streiks und Protestaktionen der Hebammen haben die Krankenkassen am Donnerstag angeboten, die Vergütung für Hebammen um 1,98 Prozent anzuheben. "Das ist viel zu wenig und hilft uns auch nicht weiter", beklagt Wolsing. Am Montag wollen die Krankenkassen nun ein neues Angebot machen. Wolsing erwartet davon nicht viel. "Ich habe meine Erwartungen schon extrem runtergeschraubt", sagt sie.

Wolsing kann aufgrund der hohen Versicherungsprämien zur Zeit nur die nötigsten Leistungen anbieten. "Ich lindere Schwangerschaftsbeschwerden, leite Kurse und mache Wochenbettbesuche. Geburtshilfe zu leisten kann ich mir momentan nicht leisten." Für die Niederkunft müssen "ihre Frauen" dann also ins Krankenhaus, wo sie von einer ihnen völlig unbekannten Hebamme betreut werden. "Das ist wirklich schade für die Frauen", sagt Wolsing.

Sie sieht die Politik in der Pflicht. "Die Krankenkassen werden uns nicht helfen, solange sich die Politik nicht bei ihnen für uns einsetzt", prophezeit sie. Bisher sei aber keinerlei Reaktion seitens der Regierung gekommen. Sie fühlt sich nicht ernst genommen. "Ich glaube, die Politiker denken, für uns sei das ja eh mehr Berufung als Beruf und wir würden schon weitermachen". Dass sie ja auch ihre Familie ernähren müsse, werde dabei oft nicht bedacht.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort