Viersen Hebammen brauchen Unterstützung

Viersen · Die Hebammen stehen bundesweit vor großen Problemen. Ihre Existenz ist bedroht. Ein Thema auch im Dülkener Geburtshaus Fidelis, das sein zehnjähriges Bestehen feiert.

 Das Dülkener Geburtshaus Fidelius hat sein 10-jähriges Bestehen gefeiert. Doch die Existenz vieler Hebammen wird immer mehr bedroht.

Das Dülkener Geburtshaus Fidelius hat sein 10-jähriges Bestehen gefeiert. Doch die Existenz vieler Hebammen wird immer mehr bedroht.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Als Claudia Tiuela im Jahr 2003 ihre Hebammentätigkeit aufnahm, lag ihre Berufshaftpflichtversicherung bei 420 Euro pro Jahr. Heute, zwölf Jahre später, zahlt die Hebamme, die zusammen mit Sylvia Hönig das Geburtshaus Fidelis in Dülken betreibt, 6400 Euro.

Die Haftpflichtversicherungsprämien haben sich mehr als verzehnfacht und das unabhängig von den Geburten, die eine Hebamme begleitet. "Als freiberufliche Hebammen müssen wir damit Kosten tragen, die wir teilweise gar nicht mehr erwirtschaften können. Hebammen, die nur wenige Geburten begleiten, können dies nicht mehr leisten und ziehen sich aus ihrem Beruf zurück", sagt Tiuela.

Etwas, was Schwangere merken, wenn sie auf der Suche nach einer Hebamme sind. Denn es wird immer schwieriger, eine Hebamme zu finden. Etliche sind über Monate hinaus ausgebucht, weil sich viele ihrer Kolleginnen vollständig aus der Geburtshilfe zurückgezogen haben. Denn, wenn die Versicherungspolice das Einkommen auffrisst, macht es wenig Sinn zu arbeiten, egal, wie viel Freude man an dieser besonderen und verantwortungsvollen Arbeit hat.

Die Erhöhung der Versicherung begründet sich dabei aber nicht, weil es mehr geburtsrechtliche Schadensfälle gibt, für die Hebammen verantwortlich gemacht werden. Vielmehr sind die Ausgaben für schwere Schäden, wenn sie denn passieren, drastisch gestiegen. Schadensersatzansprüche sind in die Höhe geschnellt und dank des medizinischen Fortschrittes leben auch schwer behinderte Kinder heute länger. Was aber wiederum bedeutet, dass die Kosten für deren Lebensunterhalt gestiegen sind. Galten im Jahr 2003 noch 2,5 Millionen Euro als ausreichend für eine Schadensabdeckung, so liegt die Regulierungssumme heute bei sechs Millionen Euro.

Die Haftpflichtproblematik zieht aber auch noch weitere Kreise. Der Versicherungsmarkt ist inzwischen so dezimiert, dass der Deutsche Hebammenverband derzeit nur noch bis Juni 2016 ein Angebot für eine Versicherung hat. Hebammen dürfen aber nur arbeiten, wenn sie eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung nachweisen können. "Für uns bedeutet das in der Praxis, dass wir Schwangeren aktuell nicht mehr zusagen können, dass wir uns ab Juni des nächsten Jahres um sie kümmern dürfen", verdeutlicht Hönig die einsetzende Problematik.

Für die beiden Inhaberinnen vom Fidelis ist dies eine mehr als nur unmutbare Situation. Sie bedroht die Existenz des Geburtshauses, dessen Angebotspalette von der Beratung zur Familienplanung über die Schwangerschaftsvorsorge und die Geburt bis hin zur Stilberatung und das erste Lebensjahr eines Babys geht.

Daher war die Problematik auch ein Thema bei der Feier anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Fidelis. "Wir brauchen die Hilfe der Politik, um die Preisspirale der Versicherung zu stoppen und keine weiteren Stolpersteine", machte Tiuela deutlich. Wobei die weiteren Stolpersteine die Krankenkassen betreffen. Diese haben nämlich Ausschusskriterien ins Leben gerufen, die den Hebammen, die Hausgeburten betreuen beziehungsweise in Geburtshäusern arbeiten, das Leben zusätzlich schwer machen. So dürfen zum Beispiel Schwangere nicht mehr außerklinisch entbinden, wenn sie über den errechneten Termin hinaus sind. Machen sie es dennoch, übernimmt die Krankenkasse die Kosten nicht. Ausgleichzahlungen und Sicherstellungszuschläge, die es derzeit für Hebammen gibt, sehen Hönig und Tiuale nicht als die endgültigen Lösungen an, um zu verhindern, dass immer mehr Hebammen ihren Beruf aufgeben.

Bei den Besuchern der Jubiläumsfeierlichkeiten von Fidelis kristallisierte sich eins heraus. "Ich möchte selbst bestimmen, wo ich entbinde", brachte es Maria-Kathleen Zorn auf den Punkt. Und dafür brauchen Schwangere die Möglichkeit der Hausentbindung genauso wie ein Geburtshaus als auch eine Klinik. Und sie brauchen vor allen Dingen ausreichend Hebammen.

(tref)
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