Heimat genießen - in Viersen Heimat auf der Zunge zergehen lassen

Viersen · Rheinischer Sauerbraten, Bohnengemüse, süßer Stuten: Die typischen Niederrhein-Gerichte bereiteten Familien und Landfrauen im NEW-Kochstudio zu. Für Michael Lenzen und Sohn Noah schmeckt so Heimat - und das richtig gut.

Klack, klack, klack: Präzise wie ein Uhrwerk schneidet Noah (sechs Jahre) grüne Bohnen klein. Langsam wächst der Gemüseberg auf seinem Schneidebrett. Sein Vater Michael Lenzen (37) beobachtet die Vorbereitungen im Viersener Kochstudio der NEW ganz genau, denn mit "Bonnegemüs" (Bohnen-Untereinander) steht eines seiner Lieblinsgerichte auf dem Speiseplan: "Das kenne ich sehr gut, noch von meiner Oma. Ich esse es immer noch gern. Etwa wenn ich aus dem Urlaub komme. So schmeckt Heimat", sagt der Mönchengladbacher. Jetzt hilft er seinem Sohn bei der Zubereitung. Die Kartoffeln sind geschält, wurden im kalten Waser aufgesetzt, gleich kommen die Bohnen dazu. Michael Lenzen freut sich schon auf den ersten Löffel.

"Bonnegemüs" ist nur eines der typischen Niederrhein-Gerichte, die Ursula Fiering-Willeboordse (60), Ernährungswissenschaftlerin bei der NEW, in Topf, Pfanne und Ofen zubereitet. Neben Unterstützung aus dem eigenen Haus hat Annemarie Slaats (58), Landwirtin aus Boisheim und Vorsitzende der Landfrauen im Kreis Krefeld/Viersen, die Schürze umgebunden. Sie ist Fachfrau für die deftige Kost, deren Zutaten teilweise direkt vom Feld kommen. "Kartoffel-Möhren-Stampf, Buttermilchsuppe - das hat bei uns auch erst gegeben", erzählt die Boisheimerin. Allerdings: Nur Bottermelksprenk auf dem Tisch? "Das reicht meinem Mann nicht", sagt Annemarie Slaats lachend. Deshalb bereitet sie die süßliche Suppe aus Milch, Mehl, Graupen und Apfelkraut meist als Vorspeise zu: "Gern am Freitag. Danach gibt es Pfanne- oder Reibekuchen."

Gehaltvolles, "das die schwer arbeitenden Männer satt macht": So beschreibt Ursula Fiering-Willeboordse die Gerichte der Landfrauen. Wie gesund diese Speisen sind, das wissen auch Ernährungswissenschaftler heute: "Viel Getreide, frisches Gemüse und Obst, Grieß und Milchprodukte liefern Vitamine und Mineralstoffe", sagt die Oecotrophologin. Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit werde berücksichtigt: "Standen ,Äpfel' im Rezept, wurde halt die Sorte vom eigenen Baum genommen. Waren gelbe Möhren reif, gab es Möhren-Kartoffel-Stampf", sagt Fiering-Willeboordse.

Das ist bei Annemarie Slaats bis heute so geblieben. Eine Rezeptsammlung hat sie nicht - die heißt Tante Hildegard. Die 90-Jährige könne viele Gerichte aus dem Kopf zubereiten: ob Gemüse mit Pinkel oder Mett für die Wochentage oder die feineren Speisen für die Sonntage. "So ein richtig schöner Braten mit Erbsen und Möhren, dazu Salzkartoffeln", sagt Landfrau Slaats auf die Frage nach ihrem Lieblingsgericht. Er brauche zwar einige Zeit, aber diese könne in der Küche gut genutzt werden, etwa für die Zubereitung des Nachtischs.

In der NEW-Backstube hat sich Dorothe Gingter (47) dem Pottweck, dem süßen Stuten aus dem Topf, gewidmet. Wie aus dem Kochbuch schaut er aus: Mit brauner Kruste wölbt er sich verheißungsvoll über den Topf, lockt fluffig und mit einen Duft zum Reinbeißen. "Dazu jetzt Marmelade, Butter oder Käse", meint Gingter. - "Und obendrauf eine Scheibe Schwarzbrot", ergänzt Slaats.

Noah hat das "Bonnegemüs" fertig zubereitet. Jetzt versenkt er den Löffel erst im Gemüse, dann im Mund - und strahlt. Es bleibt nicht seine einzige Kostprobe. Auf die Frage, was ihm am besten geschmeckt hat, sagt er schlicht: "Alles."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort