Serie Mein Verein Heimatgeschichte lebendig halten

Viersen · Mit blauem Dunst hat das Tabakskollegium Kaldenkirchen trotz des Namens nichts zu tun. Die Mitglieder verstehen sich als eine Art Heimatverein. Sie bewahren alte Fotos und Zeitungsartikel. Künftig wollen sie verstärkt junge Familien ansprechen

 Heinz-Willi Schmitz war bis vor Kurzem Sprecher der Runde, Elvire Kückemanns ist seine Nachfolgerin.

Heinz-Willi Schmitz war bis vor Kurzem Sprecher der Runde, Elvire Kückemanns ist seine Nachfolgerin.

Foto: jobu

Kaldenkirchen Zigarren, Pfeifen, Zigarillos? Von wegen: "Wir haben, glaube ich, überhaupt nur einen Raucher unter uns", sagt Elvire Kückemanns und schmunzelt. Blauer Dunst nämlich ist nicht gern gesehen, obwohl die Herrschaften sich unterm Namen Tabakskollegium Kaldenkirchen zusammenfinden. Rauchende Köpfe allerdings, die gibt es schon. Denn die Mitglieder machen sich allerhand Gedanken: "Wir arbeiten daran, die Geschichte unserer Stadt lebendig aufzubereiten", erklärt Heinz-Willi Schmitz (73), bis vor Kurzem Sprecher der Runde. Seine Nachfolgerin Kückemanns (72) ergänzt: "Wir wollen künftig mit unseren Veranstaltungen verstärkt auch die jüngere Generation ansprechen."

Ein Tabakskollegium ist landläufig bekannt als illustre Runde, die Preußens König Wilhelm I. im 18. Jahrhundert nach niederländischem Vorbild um sich scharte. Damals paffte man tatsächlich "Tobak" und pflegte dabei einen regen Gedankenaustausch. Im Laufe der Jahrhunderte bildeten sich ähnliche Runden im ganzen Land, und 1950 auch in Kaldenkirchen, um den Gründer Georg Dahlschen.

"Damals machten sich engagierte Bürger auf Initiative von Dahlschen daran, im Krieg verloren gegangene Zeugnisse der Heimatgeschichte aufzustöbern und zu erhalten", sagt Schmitz - eine Art Heimatverein. Bei der Namensgebung mag "sicherlich auch die für Kaldenkirchens Geschichte bedeutsame Tabakindustrie eine Rolle gespielt haben", vermutet er. Viele Urkunden und Fotos trug das Tabakskollegium zusammen: "Man wandte sich an die Bürger von Kaldenkirchen. Es war ja viel zerstört, gab kein Archiv, aber das Tabakskollegium konnte manche historischen Dokumente retten", berichtet Kückemanns.

Im rauchfreien Bürgerhaus Kaldenkirchen, wo die Treffen stattfinden, haben Kückemanns und Schmitz Beispiele für den historischen Fundus des Kollegiums ausgebreitet, alte Fotos, Zeitungsausschnitte. Beim Sammeln und Archivieren allein blieb es nicht: "Betriebsbesichtigungen gehören zu unserem Programm. Wir besuchen Firmen, die prägend für Kaldenkirchen und die Region waren und sind", sagt Schmitz.

Aus dem Tabakskollegium, in älteren Dokumenten auch Tabakkollegium geschrieben, ging der Bürgerverein Kaldenkirchen hervor, das Kollegium aber blieb als eine Art Verein im Verein, ist heute dem Bürgerverein angegliedert. Zu den Treffen, bei denen auch schon mal Vorträge in der Kaldenkirchener Mundart Koakerker Platt gehalten werden, kommen "durchschnittlich mehr als 50 Personen", sagt Kückemanns. Derzeit plane man naturkundliche und kulturelle Führungen und Veranstaltungen: "Kaldenkirchen und Umgebung hat so viel Schönes zu bieten, das möchten wir Ältere auch jungen Menschen, Familien vor allem, nahebringen."

Das Tabakskollegium pflegt einen regen Austausch mit dem Heimatverein der Nachbargemeinde in den Niederlanden, Heemkundige Kring Tegelen. Schmitz: "Kaldenkirchen und Tegelen haben eine lange gemeinsame Geschichte, sie gehörten früher beide zum Herzogtum Jülich." Mit dem Austausch betreibe man grenzüberschreitendes Miteinander im geeinten Europa.

Einem Europaabgeordneten freilich schien das Tabakskollegium zunächst suspekt: "Karl-Heinz Florenz empfing uns bei einem Besuch in Brüssel erst, nachdem man ihn aufgeklärt hatte, dass wir kein Raucherclub sind", erzählt Schmitz und zwinkert. Mit Rauchen hat das Tabakskollegium nun mal trotz des Namens nichts am Hut.

(jobu)
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