Niederkrüchten Hightech-Maschinen für die Ernte

Niederkrüchten · Der Weuthen-Kartoffeltag ist eine Art Familientreffen der Kartoffelbranche, aber zugleich Agrarmesse und wichtiges Stimmungsbarometer für den Markt. Auf einem Feld an der Nordtangente drehte sich alles um die "tolle Knolle"

Nein, es ist kein Kartoffelwetter in diesem Jahr. Das Frühjahr war zu kalt, der Sommer zu nass, und der Spätsommer ist zu heiß. Das ist alles andere als ein Grund zur Euphorie, aber auch kein Anlass zu größeren Sorgen, meint Ferdi Buffen. Der Geschäftsführer des führenden europäischen Kartoffelvermarkters, der Wilhelm Weuthen GmbH & Co. KG, ist nicht nur berufsbedingt überzeugt von der "tollen Knolle": "Die Kartoffeln waren und sind einer der wenigen Lichtpunkte in der Agrarwirtschaft." Buffens Wort hat Gewicht. Seine Rede zur Lage am Markt beim alljährlichen Weuthen-Kartoffeltag gilt in Fachkreisen als Gradmesser. Und darum hören an die 1000 Gäste - von Kartoffelanbauern bis zu Führungskräften aus der Lebensmittelindustrie - sehr aufmerksam zu.

Nach einer erfolgreichen Vermarktung der Frühsorten erwartet Buffen allerdings "nur knapp durchschnittliche Erträge" in der Haupternte, die Mitte September startet und bis Ende Oktober läuft. Geringere Mengen erhöhen jedoch naturgemäß die Vermarktungs-chancen in einem Markt, der nach Kartoffeln lechzt. Denn in der Veredlungsindustrie, die Pommes frites, Chips oder andere Fertigprodukte herstellt, hält der Boom an, betont Buffen: Bis Ende 2017 kommen mehr als eine Million Tonnen neue Produktionskapazitäten in den Niederlanden, Belgien und Deutschland hinzu. Für die gesamte Kartoffelwirtschaft und nicht zuletzt für die rheinische Kartoffelregion biete das "hervorragende Zukunftsperspektiven." Bei den Speisekartoffeln, die im Kochtopf landen, prognostiziert der Weuthen-Geschäftsführer Erzeugerpreise von 15 bis 20 Euro pro 100 Kilo. Bei den Veredlungskartoffeln hält Buffen eine Preisspanne von zwölf bis 15,50 Euro pro 100 Kilo für realistisch. Das Preisniveau liege damit etwas höher als im Vorjahr - gut für die Bauern.

Der Weuthen-Kartoffeltag ist aber nicht nur wegen solcher Marktinformationen aus erster Hand längst zu einem Pflichttermin für die Branche geworden. Die Veranstaltung hat sich zu einer kleinen Agrarmesse gemausert. Auf einem Versuchsfeld sind in Dutzenden Reihen Neuzüchtungen zu sehen. Über 300 Kartoffelsorten gibt es inzwischen, sagt Thomas Anhäuser, der bei Weuthen den Markt für Speisekartoffeln betreut. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Denn die Züchter versuchen stets, die Erträge, die Haltbarkeit und nicht zuletzt den Geschmack zu optimieren. "Jazzy" zum Beispiel ist für schäl-unwillige Hobbyköche eine Verheißung: Diese Sorte braucht nur zwölf Kochminuten und ist mit Schale zu genießen. "Annabelle" wiederum ist frühreif, tiefgelb in der Fleischfarbe und hervorragend im Geschmack.

Die Lebensmittelindustrie legt noch einen viel größeren Kriterienkatalog vor: Stärkegehalt, Lagerfreundlichkeit, Gleichmäßigkeit sowie Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Wetterkapriolen (Stichwort Klimawandel) sind hier unter anderem von Bedeutung.

Auch der Erntevorgang wird auf Effizienz und Ertrag getrimmt. Nostalgie-Fans, die sich an Pferdegespanne erinnern, die den Schleuderroder durch den Acker zogen, müssen ins Landwirtschaftsmuseum gehen. Auf dem Weuthen-Kartoffeltag sind gewaltige Hightech-Maschinen aufgebaut. Deren Fahrerkabine sieht aus wie ein Flugzeug-Cockpit. Moderne Vollernter schaffen heute locker mehrere Dutzend Tonnen Kartoffeln pro Stunde. Einige haben Abmessungen wie ein hübsches kleines Stadt-Appartement - und sind auch in etwa so teuer.

(jo-s)
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