Serie Mein Jahr In China "Ich hoffe, dass es mich souveräner macht"

Viersen · Leon Zehner ist im Herbst vergangenen Jahres als freiwilliger Helfer der Entwicklungshilfe in die Provinz Yunnan gereist. Jetzt geht für den jungen Schwalmtaler eine spannende Zeit zu Ende. Er zieht Bilanz, was der Auslandsaufenthalt ihm gebracht hat.

 Gesichtsverlust und andere kulturelle Unterschiede: Der 19-Jährige Schwalmtaler erlebte im Alltag mit chinesischen Freunden, wie stark die eigenen Ansichten von der eigenen Kultur geprägt sind.

Gesichtsverlust und andere kulturelle Unterschiede: Der 19-Jährige Schwalmtaler erlebte im Alltag mit chinesischen Freunden, wie stark die eigenen Ansichten von der eigenen Kultur geprägt sind.

Foto: Leon Zehner

schwalmtal/ Lanping "Warum gehst du denn nach China"? Das war wohl die häufigste Frage, die man mir vor meinem Abflug im September vergangenen Jahres gestellt hat. Besondere Betonung wurde dabei immer auf das Wort "China" gelegt. Viele Bekannte warnten mich vor den vermeintlich schlechten Seiten des Landes: Diebe, schlechte Luft, korrupte Politik. Mir fiel auf, dass die Aussagen selten begründet waren. Somit haben sie mich nur in meiner Ansicht bekräftigt, dass wir nahezu Nichts über China wissen.

Jetzt ist mein Jahr in China vergangen. Ich weiß nicht auf alle Fragen zum Land eine Antwort. Aber ich habe einen guten Eindruck von dem Leben im Süden Chinas bekommen. Chinesen begegnen anderen Menschen und ihrer Kultur mit großem Interesse. Sie stellen viele Fragen über Deutschland. Ich habe keine Chinesen getroffen, die einem mit negativen Vorurteilen gegenübertreten. Sie sind beeindruckt von unserer Pünktlich- und Genauigkeit.

 Als freiwilliger Helfer hat Leon Englisch unterrichtet. Über die Verhältnisse an chinesischen Schulen staunte er anfangs.

Als freiwilliger Helfer hat Leon Englisch unterrichtet. Über die Verhältnisse an chinesischen Schulen staunte er anfangs.

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Ich habe auch gelernt, dass meine eigene Ansichten stark von der Erziehung und der Kultur abhängig sind. Als ich zum Beispiel von dem Schulleiter meiner Schule zu einem Essen eingeladen wurde, erzählte er mir, dass noch eine Lehrerin fehlen würde und ich mich freuen könne, da sie sehr schön sei. Nachdem mir die anderen Lehrer das bestätigten, wartete ich gespannt. Wenig später kam die Lehrerin. Was sie auszeichnete: ihre weiße Haut. Besonders im Süden Chinas ist das eine Seltenheit und deshalb das Schönheitsideal schlechthin. Ich war eher enttäuscht, freute mich aber für die anderen Lehrer, die ihre Augen nicht von der "weißen Lehrerin" lassen konnten.

Die Situation ist mir in Erinnerung geblieben, und ich habe daraus gelernt: Ich möchte Menschen nicht für ihre Meinung verurteilen, sondern wissen, wie sie dazu gekommen sind. Ich hoffe, dass mich meine Erfahrungen im Umgang mit Menschen, die anderer Meinung sind, souveräner macht.

 Gerade angekommen: Leon im September vergangenen Jahres.

Gerade angekommen: Leon im September vergangenen Jahres.

Foto: leon zehner

Nach meinem Jahr in China weiß ich nun auch, dass ich in Deutschland Psychologie studieren möchte. Durch meine Rolle als Gruppenleiter habe ich mich um das Wohl der Anderen gekümmert. Ich habe meine Stärken erprobt und auch an meinen Schwächen gefeilt.

Ich habe außerdem genug Abstand von zu Hause gewonnen, um darüber nachzudenken, wie ich sein möchte und was ich kann. Es war keineswegs ein Ruhejahr, sondern es war gut zur Selbstfindung.

An der Stelle möchten ich gern alle jungen Leute ermutigen, eine Auszeit im Ausland einzulegen. Studium und Ausbildung kommen nach der Schule oft viel zu schnell. Gerade durch das G8-System stehen viele von uns hilflos vor der Aufgabe des nächsten Schritts. Ein Auslandsjahr in einem Land, das sich von Deutschland deutlich unterscheidet, hat mir da sehr geholfen. Alle Freiwilligen, die ich kenne, haben in der Zeit viel gelernt, der Auslandsaufenthalt hat sie gestärkt.

Mein Jahr ist nun also vorbei. Wenn mich jemand in Deutschland fragen würde, wie das Jahr war, wüsste ich nicht, wie ich in einem kurzen Satz antworten könnte. Ich denke an abendliche Tänze mit Minderheiten der Region, üppige Essen mit Einheimischen und viel unangetastete Natur. All das und viel mehr ist in China zu finden. Das Beste ist: Diese Erfahrung kann mir keiner nehmen.

Jetzt freue ich mich auf das nächste Abenteuer: Ich mache mit Freunden eine Radtour durch China, und auch davon werde ich berichten.

Bis zum nächsten Mal - zàijiàn!

(RP)
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