Kreis Viersen IHK warnt vor Investitionslücke

Kreis Viersen · Die Unternehmen im Kreis Viersen investieren deutlich weniger als im NRW-Schnitt. Schuld daran seien schlechte Rahmenbedingungen: überfüllte Straßen, hohe Steuern, kein Anschluss ans Breitband-Internet

Lahmt die Wirtschaft im Kreis Viersen, weil die Rahmenbedingungen schlecht sind? Diesen Schluss legt eine jetzt veröffentlichte Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein nahe. Zu hohe kommunale Steuersätze, mangelhafte Breitbandanbindung und der schlechte Zustand der Verkehrsinfrastruktur sind demnach aus Sicht der Unternehmen der Region die schwerwiegendsten Investitionshemmnisse.

"Für die regionale Entwicklung sind private Investitionen von großer Bedeutung", erklärt Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein. "Investitionen von Unternehmen sind ein Bekenntnis für den jeweiligen Betriebsstandort und sichern Arbeitsplätze." Zuletzt beobachtete die IHK im Rahmen der Konjunkturumfrage, dass das Investitionsverhalten der Betriebe in der Region eher zurückhaltend war. "Die Investitionsbudgets wurden zwar regelmäßig moderat erhöht, gemessen an der guten Geschäftslage erschien ihr Wachstum jedoch sehr gering", erklärt Steinmetz.

Für die Analyse des Investitionsgeschehens griff die IHK unter anderem auf Daten der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zurück. Dabei handelte es sich um Bilanzdaten der Unternehmen am Mittleren Niederrhein. Die Sachanlagen sind demnach von 2005 bis 2014 um lediglich 19 Prozent angewachsen. Der Bilanzwert der Unterposition "Technische Anlagen und Maschinen" lag im Jahr 2014 sogar 1,2 Prozent unter dem Wert von 2005. "Dies ist ein Indiz dafür, dass die Unternehmen im Zeitverlauf bei größeren realen Investitionen zurückhaltender geworden sind", erklärt Rupert Lienau, Vizepräsident Creditreform Deutschland.

Die IHK nutzte für ihre Analyse auch Daten des Statistischen Landesamtes NRW. "Demnach sind die Bruttoanlageinvestitionen der Industrie im Kreis Viersen in den vergangenen 15 Jahren zurückgegangen", berichtet Gregor Werkle, IHK-Referent für Wirtschaftspolitik. Blickt man auf die einzelnen Wirtschaftszweige, fällt auf, dass von den Industriebranchen im Kreis Viersen insbesondere die Hersteller von Metallerzeugnissen, die Chemische Industrie und die Ernährungsindustrie wichtige Impulsgeber sind. "45 Prozent der Investitionen des verarbeitenden Gewerbes im Kreis Viersen entfielen im Jahr 2015 auf diese drei Branchen", erklärt Werkle.

Bedenklich ist aus Sicht der IHK, dass sich die Investitionen in der Gesamtregion vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2015 schlechter entwickelt haben als in Nordrhein-Westfalen. In einer breit angelegten Unternehmensbefragung hat die IHK daher nach den Gründen für diese Investitionszurückhaltung geforscht.

"27 Prozent der Unternehmen hätten an ihrem Betriebsstandort in der Region mehr investiert, wenn die Rahmenbedingungen am Standort besser gewesen wären", erklärt Steinmetz. Ein bedeutendes Hemmnis waren für die Hälfte dieser Unternehmen die hohen kommunalen Hebesätze der Grund- und Gewerbesteuer. Ein Drittel der Betriebe beklagt sich darüber, dass Bevölkerung und Politik notwendigen Investitionen der Unternehmen ablehnend gegenüberstünden. Aber auch eine mangelhafte Verkehrsinfrastruktur (27 Prozent), der Fachkräftemangel (26 Prozent) und eine ausbaufähige Informations- und Kommunikationsinfrastruktur (20 Prozent) sind für einen großen Anteil der Unternehmen Gründe dafür, weniger zu investieren.

Der IHK-Hauptgeschäftsführersieht auf regionaler Ebene auf fünf Gebieten Handlungsbedarf, um das Investitionsgeschehen wieder zu beleben. "Wir müssen mehr in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur investieren", fordert Steinmetz. Seit Jahren plädiert die IHK zudem dafür, die Breitbandinfrastruktur auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu heben. "Dies ist in Teilen des IHK-Bezirks nicht der Fall. Wird dieser Standortnachteil behoben, ergeben sich hieraus auch wieder mehr private Investitionen." Dieses Problem haben auch der Kreis und die kreisangehörigen Kommunen erkannt und im vergangenen Jahr die Stelle eines Breitbandbeauftragten geschaffen. Er soll die handelnden Akteure zusammenbringen und den Ausbau forcieren. Problem: Die Stelle ist noch nicht besetzt. Bei der ersten Ausschreibungsrunde im vergangenen Jahr gab es keine geeigneten Bewerber. Der Kreis schrieb die Stelle daraufhin erneut aus. "Das Bewerbungsverfahren ist jetzt abgeschlossen", erklärte Kreis-Sprecher Markus Wöhrl. Die Chancen stehen gut, dass der Kreis Viersen nun recht zeitnah einen Breitbandbeauftragten bekommt.

Steinmetz fordert zudem, dass sich alle Beteiligten mehr als bisher für die Bekämpfung des Fachkräftemangels engagieren. "Wenn Unternehmen in der Region keine Mitarbeiter mehr finden, gehen sie dorthin, wo qualifiziertes Personal zu bekommen ist." Die Haushalte der Städte und Gemeinden sollten über die Ausgabenseite und nicht über eine weitere Erhöhung der Steuersätze konsolidiert werden. Außerdem dauere die Entwicklung von Gewerbegebieten in der Region zu lange. Steinmetz: "Wir benötigen aber Erweiterungsflächen für hiesige Betriebe und passgenaue Flächen für ansiedlungsinteressierte Unternehmen. Auf diesen Flächen finden schließlich Investitionen statt."

(mrö)
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