Viersen Im Stadtbad kann auch der Schweiß fließen

Viersen · Das Bad an der Burgstraße wurde 1906 eröffnet. Damals gab es dort Schwitzapparate, heute feiert die Sauna das zehnjährige Bestehen

 Viele Gäste kamen am 1. Juli 1906 zur feierlichen Eröffnung des Viersener Stadtbads.

Viele Gäste kamen am 1. Juli 1906 zur feierlichen Eröffnung des Viersener Stadtbads.

Foto: Verein für Heimatpflege

Schöner schwitzen - das können die Besucher des Viersener Stadtbads seit zehn Jahren. Im Jahr 2006 wurde auch der Saunabereich des zuvor restaurierten Jugendstilbads umfangreich renoviert. Der Badbetreiber, die NEW AG, ließ etwa eine Kältegrotte und ein Tepidarium nach römischen Vorbild, eine finnische Holzsauna sowie eine Soft- und Dampfsauna mit Sternenhimmel einrichten.

Nicht nur die Architektur des Bades erinnert an die wilhelminische Epoche. Wie die damaligen Besucher der Badeanstalt schwitzen, davon zeugt ein historisches Heißluftbad aus Holz. In dem Schwitzkasten, der einzig den Kopf freilässt, können die Saunagäste auch heute noch probeweise Platz nehmen - Platzangst nicht ausgeschlossen.

 Die Badekarten von 1906 zeigten, was Gäste für ein Bad und die Handtuchleihe damals zahlen mussten.

Die Badekarten von 1906 zeigten, was Gäste für ein Bad und die Handtuchleihe damals zahlen mussten.

Foto: busch-

In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte das Baden - und damit auch die Badeanstalten - noch einen anderen Stellenwert jenseits eines Spaß- oder Vergnügungsbades, schreibt Professor Udo Mainzer über das Stadtbad Viersen in dem gleichnamigen Buch, das der Verein für Heimatpflege zur Wiedereröffnung herausgegeben hat. "Der Ort des Badens war kultureller, gesellschaftlicher, bisweilen sogar politischer Mittelpunkt."

Schwimmbäder hatten eine hohe sozialgeschichtliche Bedeutung. Sie stellten eine wichtige Errungenschaft für die Gesundheit der Menschen dar, zugleich waren sie unter sportlichem Aspekt wichtig. Während heute das eigene Badezimmer selbstverständlich ist, war es damals auch in Viersen ein seltener Luxus. Stattdessen wurde die Niers zum Baden benutzt. 1904 fehlte in Viersen mit seinen rund 23.000 Einwohnern eine eigene Bade- und Schwimmanstalt, nachdem die ersten Bäder wie die Hahnsche Badeanstalt geschlossen hatten. Anders als in Dülken, Rheydt, Mönchengladbach oder Krefeld, wo es bereits öffentliche Badeanstalten gab. Im Juli 1904 stellte der Stadtrat die Weichen für den Bau eines neuen Bades. Josef Kaiser schenkte der Stadt das Grundstück an der Burgstraße. Am 1. Juli 1906 wurde die neue Badeanstalt eröffnet; sie kostete 250.000 Mark und wurde größtenteils über Anleihen finanziert. Neben einem Schwimmbassin waren im Hochparterre "Wannenbäder erster, zweiter und dritter Klasse, alle hübsch und bequem eingerichtet, außerdem eine Anzahl Brausebäder und die Warteräume für Herren und Damen", hieß es in der Viersener Zeitung. Es gab 21 Männerbäder, 22 Brausebäder und sechs Brausen und eine Sitzbadewanne für Damen in der Schwimmhalle neben den aneinander gereihten Fußwaschbecken. "Auf dem hinter der Anstalt liegenden Grundstück wird das Sonnenbad eingerichtet", so die weitere Beschreibung. Im ersten Stock waren die Heilbäder untergebracht, russische Dampf- und römische Bäder, besondere Schwitzapparate, ein Lichtheilapparat mit 48 Glühlampen, ein Vollbad (römisch) mit einer Anzahl Duschen und einer Ganzbrause.

Zur Eröffnung am Sonntag, 1. Juli 1906, bemerkte der Viersener Redakteur Ernst Brües, dass ein Schwitzbad recht schön sei, bei dem nur der Kopf frei sei. Hätte man auch für die Arme ein paar Löcher angebracht, so könnte man bequem bei einem solchen Bade die Zeitung lesen. Da jedoch das Lesen der Zeitung in Viersen für manchen in der letzten Zeit aufregend wirken könne, so hätte man beim Bade darauf Rücksicht genommen und das Lesen unmöglich gemacht.

Heute ist das Stadtbad ein Treffpunkt für alle Schwimmbegeisterten und, wie Bademeister Roger Beckmann sagt, "auch Treffpunkt für viele Stammgäste. Viele haben ihre üblichen Zeiten. Wenn jemand mal nicht kommt, fällt das sofort auf." Und wer schöner schwitzen will, der geht nach oben.

(busch)
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