Viersen Immer mehr Biber an Schwalm und Nette

Viersen · Der Biber breitet sich im Grenzland immer weiter aus. Biber-Experte Michael Straube geht ihren Spuren nach und kartiert sie. Er warnt vor zunehmenden Konflikten zwischen den Nagetieren und dem Menschen

 Putzig anzuschauen ist der Biber, der sich an den Flüssen im Grenzland immer weiter ausbreitet: 2009 wurden im Kreis Heinsberg noch neun Reviere gezählt, 2015 waren es schon 40. Das entspricht etwa 150 Tieren.

Putzig anzuschauen ist der Biber, der sich an den Flüssen im Grenzland immer weiter ausbreitet: 2009 wurden im Kreis Heinsberg noch neun Reviere gezählt, 2015 waren es schon 40. Das entspricht etwa 150 Tieren.

Foto: Felix Heyder/dpa

Vor hundert Jahren war der Biber im Grenzland ausgerottet. Das hat sich längst geändert: Seit zu Beginn der 1980er-Jahre in der Eifel Biber ausgesetzt wurden, haben sich ihre Nachkommen inzwischen fleißig vermehrt. Auf dem Wasserweg gelangten die großen Nagetiere in die Rur, die Schwalm, die Nette. Vor Jahrzehnten wurden sie ausgesetzt, um Nadelbäume zu fällen und damit heimischen Baumarten wieder Platz zu machen. Doch der Biber fällt alles, was ihm vor die Schnauze kommt, auch Laubbäume.

Seine Ausbreitung wird zunehmend zu Problemen führen, glaubt Biber-Experte Michael Straube. Der Diplom-Landschaftsökologe, der sich im Naturschutzbund (Nabu) im Kreis Heinsberg engagiert, war Referent bei der "EcoTop 2016", einem Symposium deutscher und niederländischer Naturschützer im niederländischen Herkenbosch. Dort hielt Straube einen Vortrag zur Ausbreitung des Bibers in Rur, Schwalm und Nette. Der Naturschützer geht im Grenzland den Spuren des Bibers nach und kartiert sie. Dabei hat er festgestellt: "Überall, wo ich hinkomme, war der Biber schon da."

Im vergangenen Jahr fand Straube fast 1000 Biberspuren im Kreis Heinsberg. Zu den Spuren zählen Fraß- und Nagespuren an Bäumen, Burgen, Trittsiegel (Fußspuren), Dämme oder Duftmarken, mit denen die Tiere ihre Reviere kennzeichnen. 40 Reviere stellte er so im Kreis Heinsberg fest, das entspricht etwa 150 Tieren. 2009 waren es noch neun Reviere. Allein entlang der Rur wurden 2015 mehr als 90 Biberreviere bestätigt. Auch der Kreis Viersen ist inzwischen vom Biber durchgängig besiedelt, erläuterte Straube. Etwa zehn Reviere gibt es im Kreis Viersen. An der Schwalm insgesamt gibt es sechs bis sieben Reviere, an der Niers und Nette jeweils drei bis vier Reviere. Durch den Mühlenbach gelangen die Nagetiere auch nach Mönchengladbach. Straubes Fazit: "Der Biber ist bei uns deutlich auf dem Vormarsch."

Durch seine Untersuchungen konnte Straube feststellen, dass der Biber sich keineswegs nur am Fluss aufhält. "Biber sind auch dort, wo man sie gar nicht erwartet", erklärte Straube. Mitunter findet man Biberspuren an Teichen, die gut zehn Kilometer vom nächsten Fließgewässer entfernt liegen. Auch sind die Tiere "relativ störungstolerant", so Straube: Von Spaziergängern mit Hunden oder Tretbooten lassen sich Biber nicht aus dem Konzept bringen: Selbst dort, wo sich Ausflügler gern aufhalten, etwa an der Dalheimer Mühle oder am Raderveekes Bruch, haben Biber für ihre Familien Burgen gebaut.

Straube warnt vor zunehmenden Konflikten zwischen Mensch und Tier - etwa, weil der Biber Bäume fällt, die direkt am Ufer stehen, auf landwirtschaftlichen Flächen Futter sucht. Auch für den Biber selbst führt die zunehmende Verbreitung zu Problemen: So lange die Qualität des Lebensraums stimmt, vermehren sich die Tiere. Bei steigender Population kann es sein, dass der Platz knapp wird. Die Tiere werden sich um Reviere streiten müssen. Von der Maas wurden Biberkämpfe gemeldet, in der Provinz Limburg entdeckte man Tiere mit großen Fleischwunden - Zeichen für die wachsende Anzahl. Die Kämpfe können für die Tiere tödlich enden: Dringen Bakterien in die Wunden ein, können die Biber sterben.

Straube rät zu einem Bibermanagement. Das heißt zum Beispiel, dass man landwirtschaftliche Flächen nicht bis ans Ufer führt, sondern einen Streifen von zehn Kilometern an Flussufern der Natur überlässt - weiter als zehn Kilometer entfernt sich der Biber nicht vom Fluss. Bäume lassen sich mit Manschetten aus Maschendrahtzaun um den Stamm schützen. Eingreifen muss der Mensch, wenn die Sicherheit auf dem Spiel steht, der Biber etwa Dämme aushöhlt, Hochspannungsleitungen gefährdet oder Schienenwege unterhöhlt. Die Frage nach einem Bibermanagement sei "eine Frage an uns", so Straube: "Mit wie vielen Bibern können wir leben?" Noch seien Biber nicht gezielt getötet worden, "doch diese Frage wird man sich in den nächsten zehn Jahren stellen müssen".

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort