Viersen Immer weniger Niederländer sprechen Deutsch

Im traditionsreichen Restaurant "De Maagdenberg" in Venlo gaben sechs niederländische Jugendbands am 23. April 2015 ein Konzert - ausschließlich mit deutschen Musiknummern. Am selben Tag beugten sich Teilnehmer einer Konferenz in Venlo über Ergebnisse der Enquete "Schulleiter beurteilen den Stellenwert des Fachs Deutsch im Unterricht an weiterführenden Schulen". In der Diskussion erklärte der Vorstandsvorsitzende von Siemens Nederland, Ab van der Touw: "Sprachkenntnisse dürfen kein Handelshindernis sein, sie müssen den Handel stimulieren." Deutschland ist der Handelspartner Nummer eins für die Niederlande, vor allen Dingen für Nordrhein-Westfalen. Jährlich werden rund 100 Milliarden Euro umgesetzt. Der Niedergang deutscher Sprachkenntnisse in weiten Teilen der niederländischen Gesellschaft hat Politik und Wirtschaft alarmiert. Dort wird Deutsch als Karrieresprache eingestuft. Dennoch lernen immer weniger Niederländer in der Schule Deutsch.

Die in Venlo vorgestellte Untersuchung zeigt, dass in den vergangenen 20 Jahren die Zahl niederländischer Schüler, die Deutsch lernen, um ein Drittel gesunken ist. In den 1990er-Jahren gab es eine Bildungsreform, die Schülern die Wahlfreiheit für Fremdsprachen eröffnete. Sie bevorzugen seither Englisch. Fast gleichzeitig sank das allgemeine Interesse unter Jugendlichen an Deutschland. Rund 70 Prozent der niederländischen Jugendlichen haben mit ihrem größten und wirtschaftlich wichtigsten Nachbarn "nichts am Hut" (Belevingsonderzoek Duits, DIA 2010).

Alarmiert hat die Niederländer, dass weitaus mehr Deutsche in den Niederlanden studieren und intensiv ihre Sprache lernen. Die Fontys Hochschule in Venlo verlangt von ihren deutschen Studenten niederländische Sprachkenntnisse und die Bereitschaft zu Praktika in niederländischen Unternehmen. Das Goethe-Institut verzeichnet bei Niederländern steigendes Interesse an Sprachkursen, weil sie im Beruf Deutsch benötigen.

Aus der Enquete und dem landesweiten "Tag der deutschen Sprache" am 23. April 2015 sind konkrete Schlüsse gezogen worden. Dazu gehört die Initiative der Montessori-Schule in Venlo. Denn in den Workshops vertraten Fachleute die Auffassung, dass Deutschunterricht in das Programm "vroeg-vreemde-talen-onderwijs op basisscholen" (Frühförderung fremder Sprache in der Grundschule) aufgenommen werden sollte. Angestrebt wird die durchgehende Sprachvermittlung von der Grundschule bis zur Hochschulqualifizierung. Kinder, die in der Grundschule schon Deutsch lernten, finden in der weiterführenden Schule nämlich keine Fortsetzung, es entsteht ein Bruch.

(lp)
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