Viersen Innenstadt: Schwieriges Pflaster für Blinde

Viersen · Der Weg zum Busbahnhof ist für Nina Odenius mit Hindernissen gepflastert. Die 26-jährige Viersenerin ist blind. Sie möchte auf die Probleme der Sehbehinderten aufmerksam machen

 Weg mit Hindernissen am Busbahnhof: Die Müllcontainer stehen auf dem Blindenleitsystem. Nina Odenius muss einen Umweg laufen, um dann die Bodenrillen neu zu suchen.

Weg mit Hindernissen am Busbahnhof: Die Müllcontainer stehen auf dem Blindenleitsystem. Nina Odenius muss einen Umweg laufen, um dann die Bodenrillen neu zu suchen.

Foto: Knappe

Das gleichmäßige klackernde Geräusch begleitet Nina Odenius auf Schritt und Tritt. Es ist die weiße Kugel am Ende des Blindenstocks, die für das Klackern sorgt. Es ist ein abgestimmter Rhythmus. Linker Fuß nach vorn, der Blindenstock bewegt sich über den Boden nach rechts, rechter Fuß vor, Blindenstock links. "Als blinder Mensch lernt man das korrekte Gehen mit dem Blindenstock, um möglichst sicher unterwegs zu sein. Ich pendle meine Umgebung quasi aus", erklärt Nina Odenius, während sie mit dem Stock voran über den Bürgersteig geht.

Die 26-jährige Viersenerin möchte die Probleme blinder und sehbehinderter Menschen in ihrer Heimatstadt bekannter machen. Innerhalb der Woche des Sehens vom 8. bis 15. Oktober plant sie mehrere Aktionen. So soll dann das Erlebnismobil der Christoffel-Blindenmission in die Kreisstadt kommen.

Die Studentin ist vom Rahser aus auf dem Weg in die Innenstadt. Eine Strecke, die für sie mit Herausforderungen gespickt ist, denn sie muss mehrere Straßen überqueren. Dabei gibt es kein Blindenleitsystem, das ihr sagt, wo ein Bürgersteig endet oder eine Ampel ist. "Gefährlich wird es, wenn ich etwas unterpendle", erklärt Odenius. Das kann ein Strauchwerk sein, das in Kopfhöhe über dem Bürgersteig wächst, ohne das Odenius es mit dem Blindenstock ertasten könnte. Inzwischen hat sie die erste Ampel erreicht. Passanten haben ihr den Weg gewiesen. Die Ampeln in Viersen setzen keine Geräusche ab und sind im Alleingang für Blinde nicht zu entdecken. Die Aufschrift auf dem Signalgeber, die sehende Menschen drücken, hilft Odenius nicht weiter. Die 26-Jährige fasst unter den Signalgeber. "Dort befindet sich ein Pfeil. Diesen drücke ich und halte meine Hand auch dort. Wenn er anfängt zu vibrieren, weiß ich, dass die Ampel auf Grün umgesprungen ist", sagt sie. Der Pfeil gibt ihr noch eine weitere Information: Wenn eine kleine Verdickung auf dem Pfeil sitzt, weiß sie, dass es sich um eine Ampel mit Verkehrsinsel handelt.

Am Busbahnhof wird das Ganze dann etwas einfacher. Der Bahnhof verfügt über ein Leitsystem und Aufmerksamkeitsfelder. Das System besteht aus dicht nebeneinander liegenden Rillen im Boden, die blinde Menschen quasi führen. In den Aufmerksamkeitsbereichen liegen viele einzelne Erhöhungen nebeneinander. "Sie sagen mir, dass dort irgendetwas ist, auf das ich achten muss", erklärt die blinde Frau. Allerdings nutzt das Leitsystem wenig, wenn - wie am Busbahnhof - Müllcontainer genau auf den Bodenplatten mit den Rillen stehen. Odenius verliert an der Stelle das Leitsystem und muss es mühsam neu suchen, nachdem sie die Container umrundet hat. Sekunden später hängt die Kugel des Blindenstockes unter einem anderen Hindernis: Einer der Busse hat so geparkt, dass das Busvorderteil in das Leitsystem hineinragt. Odenius hat den Eindruck, dass viele Menschen nicht wissen, was die Rillen und Erhebungen im Boden bedeuten. "Oft stehen Menschen darauf und wundern sich, wenn ich sie anstoße."

Viele Leute wüssten auch nicht, wie ein blinder Mensch geführt wird, sagt Odenius. Einhaken und losmarschieren sei verkehrt. "Ich halte mich in Ellenbogenhöhe bei meiner Begleitung fest." So sei der Kontakt gegeben, und sie könne einfach auf die vorgegebene Richtung reagieren. Diese Art der Führung funktioniere auch bei Engpässen wie einer Baustelle auf dem Bürgersteig. Der Führende drückt einfach seinen Arm nach hinten und lässt ihn während der Querung der engen Stelle dort. So weiß ein Blinder, dass er nicht neben, sondern hinter seiner Begleitung gehen soll. Geht der Arm wieder nach vorn, kann der Weg nebeneinander fortgesetzt werden.

(tref)
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