Viersen "Kahnakten" wieder zuhause

Viersen · Eine Bombe hatte 1945 historische Akten Dülkens im Mittellandkanal versenkt. Weil ein Dülkener sich erinnerte, dass Reste davon im Düsseldorfer Staatsarchiv lagerten, brachte Historiker René Franken sie nun zurück nach Dülken.

DÜLKEN Muss jetzt die Geschichte der ehemaligen Stadt Dülken umgeschrieben werden? Das vielleicht nicht gerade, doch die Historiker jubeln: Nach 64 Jahren sind vergessene Dokumente plötzlich wieder aufgetaucht.

Sie waren 1943 aus dem Dülkener Rathaus vor den Fliegerangriffen ausgelagert, zum Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf und von dort auf dem Wasserweg nach Niedersachsen gebracht worden, um sie in einem der alten Salzbergwerke sicher zu lagern. Doch am 15. März 1945 versenkte ein Luftangriff den Kahn auf dem Mittellandkanal. Erst Monate später konnten die "Kahnakten" gehoben werden. Sie waren in einem unbeschreiblichen Zustand – angekokelt, matschig, zusammengepresst. Die Tinte war vielfach verlaufen. Es waren 28 Kartons, voll mit vielen tausend Dokumenten: eine Loseblatt-Sammlung, die nach ihrer Rückkehr erst einmal gesichert werden musste.

Restauration dauerte Jahrzehnte

Schon 1947 meldeten die Düsseldorfer nach Dülken: "Euer Archiv ist wieder aufgetaucht." Doch es sollte Jahrzehnte dauern, bis alles restauriert war. Dabei geriet ein großer Teil schlicht in Vergessenheit, lag im Magazin des Staatsarchivs, da weder Personal noch Geld vorhanden waren, um diese für Historiker so wichtigen Original-Quellen zu identifizieren – obwohl es in Dülken ein Verzeichnis für alle Dokumente gab, die nach Düsseldorf gingen.

Da war es ein unwahrscheinlicher Zufall, der dem Dülkener Historiker René Franken den bisher schönsten Erfolg in seinem Bemühen um die Geschichte seiner Heimatstadt bescherte. Nach einem Vortrag 2008 in Dülken, bei dem er den Verlust dieser Kahnakten erwähnte, rief ihn ein Bürger an: "Aber in Düsseldorf sind noch Restbestände dieser Kahnakten!" Franken fuhr mit Stadtarchivar Marcus Ewers nach Düsseldorf und fand tatsächlich diese Dokumente, "deren Lese-Zustand oft besser als erwartet war". Denn die Düsseldorfer hatten Blatt für Blatt in Japan-Papier eingelegt, sie so vor Fäulnis und mechanischer Zerstörung bewahrt.

Begeistert packten die beiden die Kartons ein und Franken sichtete schon mal ein paar: "Da fand ich die Wachordnung der Torwächter aus dem 16. Jahrhundert. Dazu viele Geschichten, die das Leben in einer mittelalterlichen Kleinstadt beschreiben." Diese alten Dokumente müssen nun "zum Sprechen gebracht" werden, das heißt sortiert und identifiziert, dann gescannt und digitalisiert. Hilfe wurde ihm von allen Seiten zugesichert: Dr. Paul Schrömbgens sprach für die Verwaltung, Kulturausschuss-Vorsitzender Helmut Beckers und seine Vize Anne Bieler wollen sich sich seitens der Politik ebenso engagieren wie Dr. Albert Pauly (Verein für Heimatpflege Viersen) und Peter Vogels (VVV Dülken).

(RP)
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