Kreis Viersen Keine Angst vor dem HIV-Test

Kreis Viersen · Rund 2700 Bürger in NRW wissen nicht, dass sie infiziert sind. Der Gang zur Aids-Beratung könnte helfen, doch kostet er viele Menschen Überwindung. Eine Testwoche soll die Hemmschwelle senken

Der Gang zum Arzt ist oft unangenehm, doch manchmal ist er es ganz besonders - etwa, wenn die Diagnose das gesamte Leben auf den Kopf stellen könnte. Immer wieder ist die Angst vor Testergebnissen sogar so groß, dass sich Menschen erst gar nicht trauen, sich untersuchen zu lassen. Einer der bekanntesten Fälle hierfür ist der HIV-Test. "Viele Leute lassen sich nicht testen, weil sie Angst vor möglichen Konsequenzen haben", sagt etwa Beate Guse von der Aids-Beratungsstelle des Gesundheitsamtes des Kreises Viersen.

Wie wichtig es aber sein kann, sich auf eine Erkrankung testen zu lassen, zeigt eine Hochrechnung des Robert-Koch-Instituts. Demnach leben in Nordrhein-Westfalen rund 18.500 Menschen, die HIV-positiv oder bereits an Aids erkrankt sind. 2700 von ihnen jedoch wissen nichts davon.

Das sei besonders deshalb so tragisch, weil es heute möglich sei, den Ausbruch von Aids durch Medikamente zu verhindern, sagt Katarina Esser, Gesundheitsdezernentin des Kreises. Früher sei eine HIV-Diagnose ein Todesurteil gewesen - heute sei sie vielmehr eine "Zwischenbilanz". Wer infiziert sei, könne dank heutiger Behandlungsmethoden die weiteren Schritte seiner Behandlung planen.

Mit einer regionalen HIV-Testwoche wollen der Kreis Viersen sowie die Städte Krefeld und Mönchengladbach nun die Hemmschwelle senken, sich in einer der Beratungsstellen auf eine HIV-Infektion testen zu lassen. In der Regel sind die Beratungsstellen der jeweiligen Gesundheitsämter nicht täglich geöffnet - in der Woche vom 3. bis 7. Juli aber weiten sie ihr Angebot aus und sind an jedem Tag für Interessierte da.

Die Beratungsstellen bieten beim Thema laut Beate Guse einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Hausarzt: Sowohl die Beratung als auch der HIV-Test geschehen anonymisiert. "So kann bei einem positiven Test jeder selbst entscheiden, wem er vom Ergebnis erzählt."

Ein Besuch bei einer der Beratungsstellen läuft grundsätzlich immer nach demselben Schema ab. Am Anfang steht in der Regel ein allgemeines Gespräch über die Infektionswege sowie das persönliche Infektionsrisiko des Patienten. Oft lasse sich hier eine Fehleinschätzung des im Privatleben - vor allem dem Sexualverhalten - eingegangenen Risikos erkennen, sagt Guse. Dabei könne die falsche Interpretation des eigenen Verhaltens in beide Richtungen gehen. "Die einen dachten lange, sich einem hohen Infektionsrisiko auszusetzen, waren aber eigentlich nie gefährdet. Da ist ein Test dann gar nicht nötig", sagt Guse. Genau so gebe es aber auch Menschen, die sich nicht im Klaren seien, wie gefährdet sie durch ihr persönliches Verhalten sind. Unwissenheit sei dabei keine Frage des Alters oder der Zugehörigkeit einer speziellen Gesellschaftsschicht.

Nach der Beratung folgt dann der HIV-Test. Hier gibt es zwei Varianten: Beim Labortest wird eine Blutprobe entnommen, ins Labor geschickt, und einige Tage später liegt dann das Ergebnis vor. In diesem Fall kann eine Infektion nachgewiesen werden, wenn sie mindestens sechs Wochen zurückliegt. Eine Alternative ist der sogenannte HIV-Schnelltest - dabei liegt das Ergebnis bereits nach etwa einer halben Stunde vor, sofern die vermeintliche Infektionssituation mindestens zwölf Wochen zurückliegt. Der Nachteil: Der Schnelltest kann nur verlässlich nachweisen, dass keine Infektion vorliegt. Ist der Test hingegen positiv auf HI-Viren, muss das Ergebnis durch einen Labortest bestätigt werden, da es hier sozusagen zu einem Fehlalarm kommen kann.

Viele Menschen, erklärt Guse, schätzten auch die Beratungssituation falsch ein. So hätten sie Angst, sich gegenüber den Beratern zu öffnen. "Für uns sind diese Gespräche aber Alltag. Wenn die Menschen merken, dass wir normal mit ihnen umgehen, öffnen sie sich auch", sagt Guse. Und: "Wir geben nicht vor, wie sie was zu tun haben - wir zeigen ihnen Wege auf."

(tsp)
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