"Keine Angst vor Entwicklungen haben"

Viersen · Der Viersener SPD-Parteivorsitzende Michael Lambertz zieht ein Jahr nach der Kommunalwahl eine Zwischenbilanz.

 Michael Lambertz, Parteivorsitzender der SPD in Viersen.

Michael Lambertz, Parteivorsitzender der SPD in Viersen.

Foto: wka

Herr Lambertz, vor rund einem Jahr war Kommunalwahl. Was ist in dieser Zeit in Viersen für die Bürger bewegt worden?

Lambertz Als Handwerker ist es mir wichtig, dass wir eine Arbeit sauber zu Ende führen. Die Arbeiten an den wichtigen Bereichen der Viersener Südstadt, Bahnhofsvorplatz, Gereonplatz usw. aber auch der Bereich des Bodeweesgelände sind fertig oder stehen kurz vor ihrer Fertigstellung. Hier können die Bürger sehen, was sich bewegt, wie die Stadt sich entwickeln soll. Davon haben sie mehr als von vollmundigen aber inhaltsleeren Versprechungen. Richtig ist aber, dass wir unsere politischen Ziele mit unserer dann hoffentlich gewählten Bürgermeisterin Sabine Anemüller formulieren.

Die Verwaltung scheint in Viersen das Heft des Handelns in weiten Bereichen in der Hand zu haben. Fühlen Sie sich als SPD ausreichend in die politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden?

Lambertz Es könnte sicher besser sein. Wir werden zu Beginn der Amtszeit der neuen Bürgermeisterin oder des neuen Bürgermeisters sicher darüber reden müssen, wie die Politik besser eingebunden werden kann. Wir setzen darauf, dass Sabine Anemüller, zusammen mit der weitgehend neuen Führungsmannschaft der Dezernenten auch neue Maßstäbe bei der Beteiligung der Politik und vor allem auch der Bürger setzt.

Herrscht zwischen den Grünen und der SPD in der Kreisstadt Eiszeit? Auf Landesebene arbeiten beide Parteien intensiv zusammen, ist das auch in Viersen wieder denkbar?

Lambertz Eiszeit wäre ein völlig falscher Eindruck und man kann sagen, dass die Chemie zwischen den Grünen und der SPD stimmt. Wir haben nach der Kommunalwahl einige Gespräche mit den Grünen geführt. Es war eine sachliche und freundschaftliche Atmosphäre. Über Sachfragen wird man sich sicher einigen können. Eines unserer Ziele war auch, die Grünen zur Unterstützung unserer Bürgermeister-Kandidatin zu gewinnen. Sie haben sich anders entschieden und das respektieren wir.

In Mönchengladbach ist ein neues Einkaufscenter in der City eröffnet worden. Muss die Politik in Viersen den Einzelhandel nun verstärkt unterstützen?

Lambertz Der Viersener Einzelhandel ist gerade in Alt-Viersen gut aufgestellt. Man darf keine Angst vor den Gladbacher Entwicklungen haben. Aber vor allem sollten wir unsere Innenstadt nicht schlecht reden. Wir Sozialdemokraten haben den Einzelhandel immer unterstützt, weil er für die Stadt eine ganz wichtige Funktion erfüllt. Wichtig ist aber auch, dass der Einzelhandel nicht einzeln handelt, sondern sich seiner Kraft besinnt und gemeinsam den Entwicklungen der Zukunft begegnet. Und damit ist nicht nur Mönchengladbach gemeint, sondern insbesondere auch die Bedrohungen durch das veränderte Kaufverhalten der Kunden, zum Beispiel durch den Internethandel.

Die Firma Kaisers hat an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße im Bereich Fleischerei und Logistik noch zahlreiche Arbeitsplätze. Diese Jobs könnten bei einem Verkauf von Kaisers in Gefahr sein. Hat sich die SPD mit Bürgermeister Günter Thönnessen an der Spitze um dieses Thema gekümmert?

Lambertz Einige unserer Parteikollegen haben sich in Gesprächen mit möglicherweise betroffenen Mitarbeitern informiert. Da es noch keine Entscheidung hinsichtlich einer Entwicklung gibt, ist die Politik sicher gut beraten, nicht durch öffentliches Geschrei eine Lösung im Sinne der Arbeitnehmer zu gefährden. Uns ist bekannt, dass die Verwaltung mit dem Bürgermeister an der Spitze intensive Gespräche führt. Wir erwarten, dass wir zeitnah über Ergebnisse informiert werden. Dass wir Sozialdemokraten alles tun werden, um die Arbeitsplätze in Viersen zu halten, versteht sich von selbst.

Im September wird in Viersen das Amt des Bürgermeisters neu besetzt. Die SPD startet mit Kandidatin Sabine Anemüller ins Rennen. Glauben Sie, dass die Politik die Bürger in Viersen an die Wahlurne locken kann?

Lambertz Mit der Einzelwahl eines Bürgermeisters betreten wir alle Neuland und haben somit auch keine Erfahrungswerte. Die SPD hat eine hervorragende Kandidatin. Hochqualifiziert und sehr sympathisch. Sabine Anemüller kommt überall gut an, man gratuliert der SPD zu der Entscheidung, sie aufzustellen. Das macht uns Hoffnung. Entscheidend wird sein, dass wir eine möglichst hohe Wahlbeteiligung erreichen.

Seit rund einem Jahr arbeiten in Viersen mit Kämmerer Norbert Dahmen und Baurätin Beatrice Kamper zwei neue Dezernenten. Ihr erstes Fazit aus politischer Sicht?

Lambertz Wir sind von der Arbeitsweise sehr angetan. Frau Kamper, die ja bekanntlich unser Vorschlag war, zeichnet sich durch hohe Kompetenz aus. Ihre Art die Aufgaben anzugehen überzeugt. Auch Herr Dahmen, der als bekennendes CDU Mitglied von uns kritisch begleitet wird, gibt sich hinsichtlich der Zusammenarbeit mit allen Parteien offen. Insgesamt ist es aber zu früh nach so kurzer Amtszeit ein abschließendes Urteil abzugeben.

Es fällt auf, dass fast alle Parteien ziemlich überaltert sind. Wo ist der politische Nachwuchs in der SPD in Viersen?

Lambertz Die Viersener SPD ist relativ gut aufgestellt. Keine Partei deckt so wie wir ein Spektrum von 70-Jährigen, die uns mit ihrer Erfahrung zur Verfügung stehen, bis hin zu unserem jüngsten Fraktionsmitglied mit 20 Jahren ab. Den Schwerpunkt bilden bei uns die Mittvierziger. Wir bilden damit die Altersstruktur unserer Gesellschaft ab. Dass die "alten Hasen" häufiger zu Wort kommen, darf nicht den falschen Eindruck hinterlassen, wir wären überaltert. Richtig ist aber sicher, dass sich die Schwerpunkte verschieben müssen und auch verschieben werden. Das ist ein natürlicher Vorgang. Richtig ist aber auch, dass wir qualifizierten und politikbegeisterten Nachwuchs brauchen.

DIE FRAGEN STELLTE RP-REDAKTEUR JOACHIM NIESSEN

(RP)
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