Viersen Kita-Streik: Huckepack-System soll helfen

Viersen · Drei Wochen Streik in den städtischen Kindertageseinrichtungen: Die Viersener Verwaltung zieht eine Zwischenbilanz.

 Verdi-Mitglied Lena Nippeßen und Gewerkschaftssekretär Nils Graf demonstrieren das Huckepack-Prinzip. Um während des Streiks mehr Betreuungsangebote zu schaffen, sollen die Kinder von einer Erzieherin und einem Elternteil betreut werden. Die Stadt hat die Rechtsfragen für diese Streik-Notlösung gerade geprüft.

Verdi-Mitglied Lena Nippeßen und Gewerkschaftssekretär Nils Graf demonstrieren das Huckepack-Prinzip. Um während des Streiks mehr Betreuungsangebote zu schaffen, sollen die Kinder von einer Erzieherin und einem Elternteil betreut werden. Die Stadt hat die Rechtsfragen für diese Streik-Notlösung gerade geprüft.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Seit dem 11. Mai haben die Verdi und Komba ihre Gewerkschaftsmitglieder zum Streik in den Kindertagesstätten und den Betreuungseinrichtungen der Grundschulen aufgerufen. Für Eltern, Kinder und Schüler hat sich seitdem so mancher Tagesablauf gründlich verändert. Auch bei der Stadtverwaltung im Jugendamt stehen die Telefone nicht still. Ein Spagat für die Mitarbeiter: Viele Eltern werfen der Verwaltung Versagen vor und machen sie für die Situation mitverantwortlich. Jetzt soll es in Viersen ein so genanntes Huckepack-System geben: Eine Erzieherin und ein Elternteil betreuen gemeinsam eine Gruppe.

Die Stadt hat ebenfalls mit der Situation massive Probleme: Als Träger der Einrichtungen wurde sie jeweils in kurzen Anschreiben von Beginn und Fortsetzung der Streiks unterrichtet. Informationen, welche Einrichtungen in welchem Umfang bestreikt werden, wurden und werden nicht mitgeteilt. "Wir können nur mehr oder weniger spontan reagieren", so Wolfgang Timons, für die Kindertagesstätten zuständiger Abteilungsleiter im Jugendamt. Man habe erreicht, dass bei den freien Trägern 25 Plätze zur Belegung zur Verfügung gestellt werden. "Im Übrigen arbeiten diejenigen Kolleginnen, die nicht streiken. Dadurch kann ein stark reduziertes Betreuungsangebot aufrechterhalten werden."

Im Einzelfall verlangt dies organisatorischen Aufwand: "Es müssen die Beschäftigungsverhältnisse (Stunden) beachtet werden, einige Kolleginnen sind erkrankt, einige Stellen nicht besetzt. Je Gruppe müssen stets zwei Betreuerinnen anwesend sein. Wir tun, was wir können." Über zusätzliche Kapazitäten verfüge die Stadt nicht: "Rund 50 Prozent des Personals streikt."

Kita-Streik: Demo in Krefeld
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Im Einzelnen stellte sich die Viersener Streiksituation in den vergangenen drei Wochen so dar: Die Kindertageseinrichtungen Anne-Frank-Straße, Friedrichstraße und Robend mussten komplett geschlossen werden. Hintergrund ist der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad des Personals. In der der Kita Friedrichstraße konnte zwischenzeitlich eine reduzierte Betreuung angeboten werden. Ähnliches gilt in den Kitas Brabanter Straße, Gehlingsweg, Heesstraße, Hüsgesweg, Konrad-Adenauer-Ring und Steinkreis. Nur die in den Kitas Heidweg, Junkershütte und den ausgelagerten Gruppen der Kita Röhlenend gab es regulären Betrieb.

Im Betreuungsbereich der Grundschulen (Offene Ganztagsgrundschule/ OGS) wird ebenfalls gestreikt, die organisatorischen Probleme gleichen denen der Kitas. "Allerdings können wir im Primarstufenbereich aufgrund des Alters der Kinder leichter in Ausnahmefällen vom Vier-Augen-Prinzip in der Betreuung abweichen", so Sandra Küpper, zuständige Abteilungsleiterin im Schulverwaltungsamt.

Der Streik hatte hier bislang folgende Auswirkungen: In der ersten Streikwoche haben einzelne Mitarbeiter teilgenommen, so dass alle Einrichtungen - abgesehen von der Körnerschule am 12. Mai - regulär geöffnet waren. Ab der zweiten Streikwoche sind jedoch Mitarbeiter an fünf OGS (Agnes-van-Brakel-Schule, Albert-Schweitzer-Schule, Remigiusschule, Körnerschule, KGS Zweitorstraße und ein Springer) in den Streik getreten. Nur durch die Bereitschaft des nichtstreikenden Personals kann aktuell an allen Grundschulen ein reduziertes Betreuungsangebot sichergestellt werden. Derzeit sind alle Einrichtungen vom Streik betroffen. Betreut werden zwischen 30 und 40 Prozent der Kinder.

"In der Öffentlichkeit wird oft der Eindruck erweckt, als hätte die Stadt Einfluss auf den Streik oder die Verhandlungsführung der Arbeitgeberseite. Dies ist nicht der Fall", so Jugenddezernent Dr. Paul Schrömbges. "Am Tisch sitzen die Gewerkschaften und der Kommunale Arbeitgeberverband, die bundesweit verhandeln." Die Stadt als Träger der Einrichtung gerate derzeit zwischen alle Stühle: "Wir können das Betreuungsangebot nicht aufrecht erhalten, weil ein großer Teil unseres Personals streikt. Die Verhandlungsführung liegt beim Spitzenverband, nicht bei der Stadt. Die Not der Eltern können wir organisatorisch nicht beheben: Es können nicht alle Kinder betreut werden - das ist ja das Ziel des Streiks."

"Viele Eltern helfen einander aus, Verwandte, Freunde und Bekannte auch", so Wolfgang Timons. Mehrfach sei angefragt worden, ob eine ergänzende Betreuung durch Eltern in Kitas möglich sei. "Wir haben die Rechtsfragen geklärt. Es wird ein sogenanntes Huckepack-System geben: Eine Erzieherin und ein Elternteil betreuen gemeinsam eine Gruppe." Damit könne man die Betreuung erheblich ausweiten. Die organisatorischen Vorbereitungen liefen derzeit. "Über das neue Angebot wird vor Ort informiert", so Timons.

(RP)
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