Viersen Krankenhäuser protestieren gegen Reform

Viersen · Das Nettetaler Krankenhaus, das AKH und das St. Irmgardis beteiligen sich mit Aktionen und Delegationen an den heutigen Protesten gegen das Krankenhausstrukturgesetz in Berlin. Die Geschäftsführer kritisieren das Gesetz scharf.

Viersen: Krankenhäuser protestieren gegen Reform
Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

nettetal Wer heute Mittag in Süchteln und in Nettetal Luftballons am Himmel aufsteigen sieht, braucht nicht nach einer Hochzeit oder einem Kinderfest Ausschau halten. Der Anlass ist weit weniger erfreulich: Mit der Luftballon-Aktion protestieren das Städtische Krankenhaus Nettetal und das katholische St. Irmgardis gegen das Krankenhausstrukturgesetz. Ärzte und Pflegekräfte der Krankenhäuser schicken in ihrer "aktiven Mittagspause" die Ballons mit der Aufschrift "Krankenhausreform - So nicht!" auf die Reise in Richtung Berlin. Dort findet heute am Brandenburger Tor eine Kundgebung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) statt.

An der bundesweiten Demonstration nehmen auch Mitarbeiter aus der Region teil: Der Nettetaler Krankenhausgeschäftsführer Jörg Schneider und vier Mitarbeiter fahren nach Berlin, aber auch das Allgemeine Krankenhaus (AKH) in Viersen schickt eine Delegation. "Wir hatten bereits mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Uwe Schummer gesprochen", sagt AKH-Geschäftsführer Kim-Holger Kreft. "Wir wollen die Politik wachrütteln. Wir brauchen eine Reform, die dort ansetzt, wo die wirklichen Probleme sind", sagt der Nettetaler Geschäftsführer.

 Krankenhäuser in Not: Wenn das Strukturgesetz kommt, könnte das für wirtschaftlich schwächere Häuser das Aus bedeuten.

Krankenhäuser in Not: Wenn das Strukturgesetz kommt, könnte das für wirtschaftlich schwächere Häuser das Aus bedeuten.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Der Geschäftsführer von St. Irmgardis, Ottmar Köck, sieht das ähnlich. Die Reform werde mit Galgenhumor in Fachkreisen auch "Krankenhausschließungs-gesetz" genannt. Die These dahinter: Die Reform sorge dafür, dass die Krankenhauslandschaft sich auf marktwirtschaftliche Weise bereinige, ohne dass Politiker unliebsame Entscheidungen zu Schließungen treffen müssen. "Am Ende reguliert es der Markt, wie man so schön sagt. Viele Häuser, die in den roten Zahlen sind, werden die Folgen der Reform nicht stemmen können. Man geht davon aus, dass etwa 15 Prozent der Häuser verschwinden werden", sagt Köck.

Dabei betont die Reform zunächst die Qualitätssteigerung als Ziel und das Pflegeförderungsprogramm. Gut 660 Millionen Euro - eventuell sogar mehr - soll es bundesweit ab 2016 für mehr Pflegepersonal geben. "Heruntergerechnet bedeutet das für Süchteln etwa 1,5 Stellen mehr. Ich lasse mal die Frage außen vor, wo das Pflegepersonal angesichts des Fachkräftemangels herkommen soll", erklärt Köck. Das Programm sei jedoch ein Trugschluss, denn durch zwei weitere Neuregelungen werde den Kliniken wiederum Geld entzogen.

Da ist zum einen der Wegfall des Versorgungszuschlags. Er wurde eingeführt, um die Diskrepanz zwischen den Tariferhöhungen und dem, was die Krankenkassen zahlen, zu überbrücken. Der Versorgungszuschlag aber werde 2017 abgeschafft. "Wenn wir durch eine neue Stelle 80 000 Euro gewinnen, verlieren wir durch den Wegfall des Versorgungszuschlags 150 000 Euro. Unterm Strich stehen wir also nicht besser da", so der Geschäftsführer.

Und da ist zum anderen noch eine neue Abschlagszahlung, die die Krankenhäuser ab 2017 zahlen müssen: "den Fixkostendegressionsabschlag". Bisher sei es so gewesen, dass Krankenhäuser, die mehr Patienten als geplant behandeln, für ihre Leistungen einen Abschlag von 25 Prozent hinnehmen mussten, erklärt der Geschäftsführer. "Das heißt, wenn mehr Patienten kommen als geplant, kann man nur 75 Prozent der Leistung abrechnen. Der neue Abschlag ist noch höher: Er liegt bei etwa 50 Prozent für fünf Jahre. "Wenn Sie also gute medizinische Arbeit leisten und mehr Patienten kommen, werden sie wegen der besseren Qualität ihres Hauses mit 50 Prozent Abschlag bestraft", sagt Köck. Dagegen steckten die Pläne, Kliniken für nachweisbar gute Arbeit mit einem Bonus zu belohnen, in den Kinderschuhen.

Wenn die Reform kommt, werde die Luft für alle Krankenhäuser dünner. "Wir schreiben schwarze Zahlen, und der Neubau des Bettenhauses läuft unverändert. Aber das Gesetz kommt auch für uns nicht passend", sagt Köck. Es mache das Handeln auf lange Sicht hin schwieriger. Möglicherweise müsse man manche Pläne wie die Sanierung des Altbaus zeitlich nach hinten schieben.

Eine andere Schieflage im Personalbereich gehe die Reform indes überhaupt nicht an, kritisiert Köck. "Die Dokumentationspflicht ist enorm, das System ist von Misstrauen geprägt. Unsere Pflegekräfte verbringen etwa 50 Prozent der Arbeitszeit am Schreibtisch. Dort muss man ansetzen. Wenn jede Pflegekraft eine Stunde weniger am Schreibtisch sitzen müsste, würden alle Hurra schreien."

(RP)
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