Kreis Viersen Landwirte besorgt wegen Schweinepest

Kreis Viersen · Der Rheinische Landwirtschaftsverband schaut mit Sorge auf die Ankunft der Erntehelfer aus Osteuropa zur Spargel- und Erdbeersaison. Mit Flyern will man vor der Gefahr der Übertragung warnen. Bauern im Kreis Viersen ziehen mit

 Spargelbauer Hermann Ingenrieth vom Genholter Hof in Brüggen gehört zu den Landwirten, die ihre Erntehelfer über die Tierseuche informieren.

Spargelbauer Hermann Ingenrieth vom Genholter Hof in Brüggen gehört zu den Landwirten, die ihre Erntehelfer über die Tierseuche informieren.

Foto: Jörg Knappe

Ein achtlos weggeworfenes Wurstbrot würde reichen. "Wildschweine sind Allesfresser", sagt Paul-Christian Küskens, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Krefeld-Viersen. "Sie laufen über Rastplätze, wenn nichts los ist, oder nachts sogar bis zur Wohnbebauung, das glaubt man gar nicht."

Die Landwirte in Nordrhein-Westfalen treibt die Sorge um, dass mit Beginn der Spargel- und Erdbeerzeit die Afrikanische Schweinepest nach Deutschland kommen könnte. Denn die meisten der landesweit rund 40.000 Erntehelfer reisen aus Osteuropa an, wo der Erreger bereits grassiert. Der Rheinische Landwirtschaftsverband (RLV) befürchtet, dass die Saisonarbeiter infiziertes Fleisch aus der Heimat mitbringen, hier nicht richtig entsorgen und sich Wildschweine darüber anstecken könnten.

Marilena Kipp, Sprecherin des RLV in Bonn, erklärt: "Unsere Hauptsorge ist, dass die Saisonarbeiter Lebensmittel mitbringen, denn viele Menschen in Osteuropa haben noch Hausschlachtungen." Eingeschweißte Ware sei kein Problem. "Die wird dort genauso kontrolliert wie hier", sagt Kipp. Auch "vernünftig entsorgte" Lebensmittel würden keine Bedenken bereiten. "Aber die Erntehelfer sollen das Wurstbrot eben nicht einfach an der Raststätte in einen Mülleimer ohne Deckel wegwerfen", sagt Kipp. Der Erreger sei im Blut infizierter Tiere sehr widerstandsfähig und über Wochen haltbar. "Wenn jemand beispielsweise ein infiziertes Wildschwein schießen würde, und dessen Blut läuft in den Waldboden, ist es noch lange weiterhin ansteckend", erklärt die RLV-Sprecherin.

Für Küskens ist die Schweinepest in Osteuropa gar nicht so weit weg. "Aktuell haben wir die Entwicklung, dass sie um 300 Kilometer gesprungen ist: nach Rumänien, wo sonst nie etwas los war", sagt der Landwirt. "Für Saisonarbeiter oder Lkw-Fahrer, die meist wochenlang unterwegs sind, kann die mitgebrachte Dauerwurst auch ein Stück Heimat sein. Gerade darin ist der Erreger jedoch nicht abgetötet." Für den Menschen ist er ungefährlich, "aber wir haben gerade im Westkreis eine starke Wildschweinpopulation".

In Osteuropa grassiere die Tierseuche seit etwa acht bis zehn Jahren. Über Abfälle von Schiffen auf Deponien sei sie von der Schwarzmeer-Region aus weiter nach Westen gewandert. "Anhand von Karten kann man sehen, dass die Ausbruchsherde entlang von Autobahnen und Fernstraßen liegen", sagt der Vorsitzende der Kreisbauernschaft. "Das Problem ist menschengemacht."

Darum versucht der RLV, mit einem Flyer vor den Gefahren zu warnen. In Englisch, Rumänisch, Tschechisch und Polnisch wird auf den Handzetteln darauf aufmerksam gemacht, Fahrzeuge, Kleidung und Gerätschaften gründlich zu reinigen, wenn die betreffende Person in ihrer Heimat Kontakt zu Haus- oder Wildtieren hatte. Lebensmittel sollten nicht nach Deutschland mitgebracht beziehungsweise nicht hier weggeworfen oder verfüttert werden. Seit November können sich Mitglieder die Zettel auf der Internetseite des Verbands herunterladen und an ihre Arbeiter verteilen.

Spargelbauer Hermann Ingenrieth vom Genholter Hof in Brüggen hat das gemacht. Die ersten Erntehelfer aus Polen und Rumänien sind bereits auf seinem Hof angekommen - wegen des bislang mäßigen Wetters nicht so viele wie üblich. In der Hochzeit beschäftigt der Landwirt 25 Kräfte. "Es gibt zwar keine Schweine in der Nachbarschaft, aber ich möchte die Erntehelfer trotzdem sensibilisieren, mit dem Flyer und im persönlichen Gespräch." Die heimischen Schweinebauern seien in Lauerstellung. "Ein Ausbruch hier wäre eine ziemliche Katastrophe für die Branche", sagt Ingenrieth. Probleme habe es bislang nicht gegeben: "Die Arbeiter, die schon hier sind, telefonieren nach Hause und informieren die, die noch kommen." Bislang verkauft Ingenrieth Spargel aus dem Gewächshaus, die Freilandernte tue sich noch schwer. "Die Sonne muss erst Wärme in die Dämme bringen", sagt Ingenrieth. Voraussichtlich Mitte des Monats könne der Verkauf starten.

Auch für Willi Bonnacker aus Nettetal ist es selbstverständlich, seine Erntehelfer über die Afrikanische Schweinepest zu informieren. "Wir müssen unsere Kollegen schützen", sagt er. Darum habe er die RLV-Flyer bereits mit den Einladungen zur Ernte vor rund drei Wochen verschickt. 60 Arbeitskräfte - die meisten aus Osteuropa - arbeiten schon bei ihm auf dem Hof. Seit Freitag verkauft er den ersten Spargel. Wenn die Spargel- und Erdbeersaison ihren Höhepunkt erreicht, werden es rund 150 sein.

Wie Landwirt Küskens berichtet, sollen auch Aushänge an den Raststätten selbst vor der Verbreitung des Erregers warnen. Ob das wirklich etwas bringe, sei fraglich. "Wer liest so etwas während einer Rast schon?", fragt Küskens. "Aber wir lassen halt keinen Versuch aus."

(RP)
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