Prozess nach Tod von Fünfjährigem Lucas Mutter spricht nicht über die Tatnacht

Viersen · Die Mutter des getöteten Luca ist vor Gericht vernommen worden: Der Junge habe ihr gegenüber nie geäußert, dass ihr Lebensgefährte Martin S. ihm weh getan habe. Darüber, was mit ihrem Sohn in der Nacht zum 23. Oktober passierte, schwieg sie.

Die Mutter des toten Jungen, Amanda Z., im Gerichtssaal.

Die Mutter des toten Jungen, Amanda Z., im Gerichtssaal.

Foto: dpa, rwe wie

Hinter einer roten Aktenmappe versteckte Amanda Z. ihr Gesicht vor den Pressefotografen und Fernsehteams. Rund 30 Zuschauer verfolgten still, wie sich die Mutter des fünfjährigen Luca aus Dülken auf der Anklagebank im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Mönchengladbach duckte, sodass nur noch die langen, dunkelblonden Haare zu sehen waren. Einzig das Klicken der Kameraauslöser war zu hören.

Wenige Minuten später betrat auch Martin S. den Gerichtssaal, hielt sich eine orangefarbene Aktenmappe vor den kahl geschorenen Kopf - seinen langen dunklen Vollbart konnte sie kaum verbergen. Am ersten Tag der Hauptverhandlung im Strafverfahren um Lucas Tötung sagten beide über ihre Person aus. Amanda Z. sprach außerdem über ihre Beziehung zu Martin S., ihr Verhältnis zu Lucas leiblichem Vater - und jenen Tag im vergangenen Oktober, an dem ihr Sohn starb. Die Staatsanwaltschaft klagt Martin S. an, den Jungen totgeschlagen zu haben.

In Dülken hatten Amanda Z., Luca und Martin S. zusammen gelebt. Das Familiengericht hatte zwar entschieden, der Stiefvater dürfe keinen Kontakt mehr zu dem Jungen haben, doch die Mutter ignorierte dies. Mitarbeiter der Kindertagesstätte, die Luca besuchte, hatten zuvor das Jugendamt eingeschaltet, weil ihnen Verletzungen im Gesicht des Jungen und eine Brandwunde an seinem Rücken aufgefallen waren.

Laut Anklage habe Luca damals gesagt, Martin S. habe ihm die Verletzungen zugefügt. Seine Mutter gab vor Gericht an, Luca habe ihr gegenüber nie angesprochen, dass der Lebensgefährte ihm weh getan habe: "Obwohl ich ihn öfter gefragt habe." Der Junge habe eher so getan, als wäre nichts passiert. "Martin ist lieb", habe er gesagt. Die Mutter sagte aber auch, dass Luca eher abweisend reagierte, wenn der Stiefvater mit ihm kuscheln wollte.

Im April hatte das Amtsgericht Viersen einen Gutachter die Erziehungsfähigkeit der Mutter prüfen und eine mögliche Gefährdung durch Martin S. bewerten lassen. Er befand, dass Amanda Z. erziehungsfähig sei, von Martin S. keine Gefahr ausgehe. An Weihnachten 2014 hatten sich die beiden kennengelernt, im März 2015 seien sie ein Paar geworden, sagte Lucas Mutter vor Gericht. Im September 2016 wurde die gemeinsame Tochter geboren.

Zwischenzeitlich sei sie auch noch mit dem Kindsvater intim gewesen, gab die 24-Jährige an. "Der Ex und der Neue" hätten sich nicht gut verstanden. Sie beschrieb Martin S. als eifersüchtigen Typen - dass Luca bei ihr an erster Stelle gekommen sei, habe ihm nicht gefallen. Der Richter sprach an, dass Luca unter Verdauungsstörungen gelitten habe. "Im Nachhinein denke ich, dass das ein Hilferuf war", sagte Amanda Z. Darüber, was mit ihrem Sohn in der Nacht zum 23. Oktober passierte, sagte sie nichts. Sie habe Erinnerungslücken, begründete Amanda Z. Nachts habe Martin S. nach dem Jungen geschaut, da sei alles in Ordnung gewesen.

Meist sei Luca immer um 7 oder 7.30 Uhr wach gewesen. Weil die Mutter etwa um 9 Uhr noch nichts von ihm gehört hatte, schickte sie Martin S. in sein Zimmer. "Guck mal nach ihm, ob alles okay ist" - so etwas habe sie zu ihm gesagt. Martin S. habe sie gerufen, sie habe ihren Sohn daliegen sehen, sei nicht sicher gewesen, ob er noch atmete. Notärzte kamen, brachten ihn ins Hospital. Dort sei ihr mitgeteilt worden, dass Luca tot ist.

Sie sei dann mit zu ihrer Mutter gefahren, Martin S. in die Wohnung nach Dülken. "Ich wollte alleine sein. Ich mag das nicht, wenn Menschen mich umarmen." Ob sie nicht die Nähe des Lebensgefährten spüren wollte, fragte der Richter - "ich wollte die Nähe von niemandem", sagte Amanda Z. Als sie tags darauf Martin S. bei dessen Mutter besuchte, sei der "ganz komisch" gewesen: "Er lag nur auf der Couch und wollte nicht quatschen." Worüber sie gesprochen haben, "weiß ich nicht mehr genau".

Der Richter war skeptisch, dass sich die Mutter nicht erinnere: "Sie haben kein einziges Mal mit Martin S. darüber geredet, wie die Auffindesituation war?" Dass Luca auf dem Bauch gelegen hat, habe er ihr erzählt, gab Amanda Z. daraufhin an. Einige Male brachte sie Abläufe durcheinander, schilderte Situationen anders als in Gesprächen mit Ermittlern. "Das ist alles so viel durcheinander. Ich weiß gar nicht mehr so genau", sagte sie - und entlockte damit ein paar Zuschauern ein Kopfschütteln.

Der Prozess soll am 28. April fortgesetzt werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort