Schwalmtal Lüttelforst: Herbertzhof wird restauriert

Schwalmtal · Der einstige Handelshof ist mindestens 250 Jahre alt. Eine junge Familie zieht im kommenden Jahr ein.

 Der Herbertzhof in Lüttelforst (oben) stammt aus der Barockzeit. Im Inneren lässt sich die frühere Nutzung ablesen. So gab es zwei Haustüren (unten links) - eine als Geschäftseingang, eine als Privateingang. Die Räume wurden mit Rotterdamer Fliesen geschmückt. Architekt Dr. Stephan Strauß zeigt, wie sie freigelegt wurden (rechts).

Der Herbertzhof in Lüttelforst (oben) stammt aus der Barockzeit. Im Inneren lässt sich die frühere Nutzung ablesen. So gab es zwei Haustüren (unten links) - eine als Geschäftseingang, eine als Privateingang. Die Räume wurden mit Rotterdamer Fliesen geschmückt. Architekt Dr. Stephan Strauß zeigt, wie sie freigelegt wurden (rechts).

Foto: Heike Ahlen

Wer den Herbertzhof in Lüttelforst betritt, steht auf Sand. Weder Fliesen noch Holzdielen liegen im Erdgeschoss auf dem Boden. Die Tapeten wurden abgelöst, der Putz wurde stellenweise entfernt. Jetzt bilden nackte Ziegel die Wände - und die bröckeln, wenn man sie anfasst. "Sehen Sie hier", sagt Architekt Dr. Stephan Strauß, pult ein Stückchen aus der Wand und zerreibt es zwischen den Fingern, "das bröselt weg".

Strauß ist Architekt und Architekturhistoriker. Der Krefelder betreut die Restaurierung des denkmalgeschützten Herbertzhofs. Das Wohnhaus, das vorn an der Straße liegt, wurde um 1760 errichtet, schätzt Strauss. Der seitlich angesetzte Turm ist auf 1772 datiert. Älter als diese beiden Gebäudeteile ist der rückwärtige Anbau. Doch wie alt dieser Teil eines Vorgängerbaus ist, kann Strauß nicht sagen, "vielleicht finden wir noch eine Inschrift".

Wohnhaus, Turm und der alte Anbau sollen für eine junge Familie instandgesetzt werden. Seit 2013 ist Strauß' Büro für historische Bauwerke mit der Herrichtung beschäftigt. Ulrich Grünter kaufte den Hof vor vier Jahren. Er lässt ihn nun für seine Tochter Nadine Muckel herrichten, die mit Ehemann und Söhnchen Charlie dort einziehen möchte. Das wird, so schätzt Strauß, wohl noch etwa ein Jahr dauern.

Schwalmtal: Lüttelforst: Herbertzhof wird restauriert
Foto: Ahlen, Heike (hah)

Der Architekt ist von dem Anwesen sichtlich begeistert. "Ein ganz tolles Bauwerk", sagt er, während er von Raum zu Raum geht. Auf dem Herbertzhof hat sich vieles erhalten, was auf anderen Höfen in der Umgebung verloren gegangen ist, weil man umbaute oder modernisierte. Auf dem Herbertzhof passierte, und das freut die Denkmalpfleger besonders, praktisch nichts. So sind die alten Türen aus der Barockzeit noch da - die Haustür, von der die Farbe stellenweise abblättert, ebenso wie die Zimmertüren, die jetzt im Obergeschoss an der Wand lehnen.

Auch der Kamin, prächtig ausgeschmückt mit Rotterdamer Fliesen, ist noch da. Diese Fliesen zieren auch die Räume - im Erdgeschoss verlaufen sie wie eine Sockelleiste in einer Doppelreihe an den Wänden entlang, im Obergeschoss sind sie einreihig verlegt worden. In diesem Haus ist es wie in so vielen Häusern: Im Erdgeschoss waren die Präsentationsräume, die Zimmer, die Besucher sahen. Dort zeigte man, was man hatte. Im Obergeschoss lagen die privaten Räume, dort war die Ausstattung karger.

Schwalmtal: Lüttelforst: Herbertzhof wird restauriert
Foto: Ahlen, Heike (hah)

Die Geschichte des Herbertzhofs ist eng mit der Geschichte Lüttelforsts verknüpft. Der Hof gehörte einst der Familie Mühlenweg aus Lüttelforst, die auch Papeler Hof und Papeler Mühle besaß. Die Geschichte von Hof und Mühle schildert Johann Belonje im Heimatbuch des Kreises Viersen 1982. Er beschreibt, wie das Lehen im 18. Jahrhundert in die Hände nicht-adeliger Familien kam - reicher Kaufleute, für die der Standort an der Schwalm von Nutzen war. Sie trennte als Grenzfluss das Herzogtum Jülich von den spanischen Niederlanden (dem geldrischen Oberquartier) - ein guter Platz für Händler. Kaufmann Johann Arnold Mühlenweg handelte mit "holländischen, einländischen und oberländischen Waren", wie Belonje schreibt - vielleicht ließ er die Rotterdamer Fliesen an den Wänden einsetzen? 1752 erhielt er den Papeler Hof, zwei Jahre später auch die Papeler Mühle als Lehen. Eben jener Johann Arnold wird auch den Herbertzhof erworben haben. Er starb 1775 kinderlos. Anna Catharina Mühlenweg, geborene Bispels, die Witwe des Kaufmanns vom Herbertzhof, stiftete 1802 die neue Kirche St. Jakobus in Lüttelforst, die anstelle einer älteren Kapelle errichtet wurde. Schließlich gelangte der Besitz an die Uerdinger Kaufmannsfamilie Herbertz, die mit Kolonialwaren und einer Zuckerraffinerie viel Geld verdiente. An die Familie erinnern in Uerdingen heute noch die drei Herbertzhäuser - und in Lüttelforst steht der Herbertzhof.

Dass der Hof lange Zeit im Besitz reicher Kaufleute war, zeigt sich im Inneren. So gibt es zwei Haustüren - eine führte in die Geschäftsräume, eine in die Privaträume. Unter dem Dach ist der Speicher nicht mit Holzdielen, sondern mit Ziegelsteinen belegt - hier wurden Handelsgüter gelagert. Eine heute durch Dachziegel verschlossene Luke erinnert noch an die Winde, die dort vermutlich einst hing und das Heraufziehen der Waren ermöglichte.

Das, was über die Jahre erhalten geblieben ist, soll nun auch für die kommenden Jahre geschützt werden. Und das ist das Problem - denn der Hof hat erhebliche Feuchtigkeitsschäden. Der Betrachter, der entlang der Straße Lüttelforst am Haus vorbei geht, sieht sie schon: Der untere Teil des Mauerwerks ist feucht - etwa kniehoch zieht sich die dunklere Verfärbung der Ziegel an der Hauswand entlang. Auch im Inneren sind die Feuchtigkeitsschäden sichtbar. Die bröselnden Wände sind ein Zeichen dafür. Über Jahrzehnte hat das Wasser seinen Weg ins Haus gefunden. Bei Regen strömt es vom Kirchberg und von einem dem Haus gegenüberliegenden Feldweg hinab auf das Haus zu. Auch liegt die Straße heute deutlich höher als zu der Zeit, in der das Haus gebaut wurde. Man habe viele Möglichkeiten besprochen, wie man das Haus vor dem Wasser schützen könnte, sagt Strauß, und Fachleute befragt. Schließlich wurde eine Winkelstützwand errichtet. Um die niedrige Mauer bauen zu können, erwarb der Bauherr ein Stück des Straßengrunds.

Das sorgt nun in Lüttelforst für Unfrieden. Die einen fürchten, dass die Mauer für den Verkehr gefährlich sein könnte, weil die Straße dadurch schmaler geworden ist, die nächsten klagen, dass durch die Mauer das Ensemble aus Kirchberg und Herbertzhof entstellt sei. Andere hätten sich gewünscht, dass Gemeinde und Kreis für das Wasserproblem in Lüttelforst eine gemeinsame Lösung finden - denn von dem abfließenden Wasser sind auch andere Häuser betroffen, nicht nur der Herbertzhof. Und schön - na ja, schön findet die Mauer wohl keiner.

Architekt Strauß auch nicht. Er erklärt, warum man sich letztlich auf die Lösung mit der Winkelstützwand einigte. "Alle Beteiligten haben gesagt, dass ein Mäuerchen sinnvoll ist. Es ist sicher und schützt das Denkmal. Wenn man sich zwischen einer sicheren und einer schönen Lösung entscheiden muss, dann nimmt man die sichere." Ob man da nicht eine Mauer aus alten Steinen hätten errichten können? Nein, wehrt der Architekt ab - die Denkmalpflege heute lege Wert darauf, dass neue Elemente an einem denkmalgeschützten Gebäude klar ablesbar sein müssen. So werden neue Elemente etwa aus Glas, Stahl oder Beton eingesetzt, damit der Betrachter sofort sieht, dass es sich nicht um alte Teile handelt. Auch sei die Winkelstützwand reversibel. Sie könne jederzeit entfernt werden.

Der Bau der Wand wurde mit der Gemeinde Schwalmtal und dem Kreis als Straßenbaulastträger abgestimmt. Ein Exklusivrecht für den Bauherrn habe es nicht gegeben, sagt Planungsamtsleiter Bernd Gather - sollte ein Hauseigentümer ein paar hundert Meter weiter dasselbe Problem haben, könne man darüber ebenso reden. Bauherr Grünter jedenfalls will die Mauer nicht so lassen. Ist das Haus restauriert, soll die Stützwand bepflanzt werden. Zwischen Haus und Mauer möchte er eine Hecke setzen.

(RP)
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