Viersen Mit Fisch gestärkt für den Wahlkampf

Viersen · Beim politischen Aschermittwoch standen die Herausforderungen der kommenden Monate im Mittelpunkt. Während man in Brüggen und Niederkrüchten örtliche Probleme diskutierte, warfen die Schwalmtaler einen Blick nach Berlin

Viersen: Mit Fisch gestärkt für den Wahlkampf
Foto: Busch Franz-Heinrich sen.

Als Vorspeise servierte CDU-Fraktionschef Johannes Wahlenberg in Niederkrüchten einen Überblick über die politische Großwetterlage in der Gemeinde, danach folgte klassische Küche zum politischen Aschermittwoch: Fisch und Bratkartoffeln. Kalorienhaltiger präsentierte sich definitiv der Hauptgang, aber leichte Kost war auch die Vorspeise nicht. Beispiel Gemeindefinanzen: Da liegt ein Defizit von rund 900.000 Euro schwer im Magen. Bekömmlicher ist indes die Tatsache, dass die Gemeinde ungeachtet dessen über genug liquide Mittel verfügt und ihren Bürgern weder Steuererhöhungen noch Kreditaufnahmen auftischen muss.

Ob sich das verführerische Dessert namens "interkommunales Kombibad" realisieren lässt, soll in einer Machbarkeitsstudie geklärt werden. Auf zehn Millionen Euro schätzte Wahlenberg die Investition für ein solches Spaßbad und auf jährlich 1,5 Millionen die Folgekosten. Das übersteige die Möglichkeiten der Gemeinde Niederkrüchten und sei daher nur in einer interkommunalen Lösung mit Brüggen und/oder Schwalmtal realisierbar. Das gilt in ähnlicher Weise auch für die Frage des Schulstandorts. Es gelte, eine weiterführende Schule in Niederkrüchten dauerhaft zu sichern, so Wahlenberg. Wie das aussehen könnte, wird sich kommende Woche zeigen, wenn der gemeinsame Schulentwicklungsplan für Niederkrüchten, Brüggen und Schwalmtal vorgestellt wird.

Schleppend läuft die Entwicklung des Gewerbeparks auf dem Elmpter Flughafen. Immerhin hat sich soeben die Entwicklungsgesellschaft Energie und Gewerbepark Elmpt (EGE) konstituiert. Wahlenberg rechnet damit, dass die EGE demnächst einen Fahrplan vorlegen wird. Er wies darauf hin, dass die Gemeinde dringend neue Gewerbeflächen brauche: "Wir sind ausverkauft." Große Herausforderungen birgt auch der demografische Wandel, der in Niederkrüchten kaum eine Änderung in der Bevölkerungszahl, wohl aber in der Bevölkerungsstruktur mit sich bringen wird, wie ein Gutachten gezeigt hat. Es wird sehr viel mehr ältere und hochbetagte Menschen in der Gemeinde geben. Das wiederum erfordere neue Konzepte in den Bereichen Wohnen und Pflege, sagte der CDU-Fraktionschef.

Ideen dafür könnten auch aus den eigenen Reihen kommen. Die CDU hat drei Arbeitskreise zu den Themen Wohn- und Lebensqualität, Arbeit und Wohlstand sowie Sicherheit ins Leben gerufen, die Mitte März erstmals zusammentreten werden. Die Arbeitskreise sollen Impulse für die Ratsarbeit geben und stehen für alle Interessierten offen.

In Brüggen kündigte die CDU beim politischen Aschermittwoch Veränderungen in der politischen Arbeit an. Die Ehrenvorsitzende Anni Terporten scheidet nach mehr als 30 Jahren aus dem CDU-Vorstand aus. Seit 38 Jahren ist sie Mitglied, davon war sie 16 Jahre als Vorsitzende tätig und zwölf Jahre im Vorstand. "Wenn wir Leute wie dich nicht hätten, dann wäre unsere Partei um vieles ärmer", lobte die Vorsitzende Claudia Wolters. "Ich habe immer gerne in unserer - in meiner - CDU zum Wohle der Bürger gearbeitet. Aber wenn man auf die 70 zugeht, muss auch mal Schluss sein", erwiderte Terporten.

Künftig wird die Beisitzerzahl auf sechs Personen reduziert, die mehr in die Vorstandsarbeit einbezogen werden, auch um die Vorsitzende Claudia Wolters - die eigentlich schon den Vorsitz aus beruflichen Gründen abgeben wollte - und die Stellvertreter zu entlasten. Es sei von Mitgliedern moniert worden, dass die Beisitzer bisher kaum in die Vorstandsarbeit eingebunden worden seien. Das soll sich nun ändern.

Zu neuen Themen möchte die CDU Fortbildungen besuchen, sich fit für den Social-Media-Auftritt machen und die Diskussion mit den Bürgern im Wahlkampf durch diverse Veranstaltungen suchen. Als Gast war der Landtagsabgeordnete Marcus Optendrenk zu Besuch. Er fragte, wie sich die Bürger hier in zehn bis 15 Jahren noch wohlfühlen könnten und welche soziale Infrastruktur dann vorherrsche. Als Stichwort nannte er die hausärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten. Die Landesregierung müsse in die Pflicht genommen werden, wenn die ärztliche Selbstverwaltung und die Krankenkassen diese nicht gewährleisten könnten. Dafür müssten gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Auch warnte er davor, dass die Bürger bei den kommenden Wahlen "auf ihrem Stimmzettel etwas ausprobieren" würden. Die Wahl sei nicht egal und die CDU wolle es schaffen, die Landesregierung abzulösen.

Bei den Brüggener Sozialdemokraten absolvierte die Landtagskandidatin Tanja Jansen, die fünf Städte und Gemeinden im Kreis Viersen vertritt, ihren Wahlkampf-Auftakt. Mit Platz 41 habe sie auf der Landesliste einen guten Platz ergattert, erklärte Jansen. Martin Schulz habe der SPD einen Aufschwung beschert. Jansen verwies auf 30 neue Mitglieder in ihrem Wahlkreis und kündigte an: "Ich werde sie besuchen und fragen, ob das etwas mit dem neuen Kanzlerkandidaten zu tun hat." Die Brüggener SPD verzeichnet hingegen noch keinen "Schulz-Effekt": Ein neues Mitglied habe der Ortsverein aufgenommen, berichtete der Vorsitzende Georg Rumi, doch ob das mit Schulz zusammenhänge, könne er nicht sagen. Den Willen der Parteien im Grenzland, auf interkommunaler Ebene zusammenzuarbeiten, unterstrich der Besuch der Genossen aus Niederkrüchten in Brüggen.

Einen großen Verlust hat die Brüggener SPD-Fraktion hinnehmen müssen: Der stellvertretende Fraktionschef Thomas Jäger übernimmt zum 1. April als allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters die Leitung des Sachgebiets Personal, Organisation und Finanzen von Gerd Schwarz. "Für mich war er immer ein 1A-Stellvertreter", sagte der Fraktionsvorsitzende Gottfried Optenplatz. Nun könne Jäger für die Fraktion keine Politik mehr machen, der SPD aber weiterhin angehören. Falk Rosowski rückt nun für Jäger in den Gemeinderat nach. "Das sind verdammt große Schuhe für ihn, aber wir haben mit ihm einen guten Griff getan. Wir werden ihn unterstützen. Und er ist Manns genug, bei uns seinen eigenen Weg zu gehen", sagte Optenplatz. In seinem Bericht zur Fraktionsarbeit ging er auf die Aufgaben im vergangenen Jahr ein und sprach über die Themen, die jetzt diskutiert werden, so über die Situation der Kindergärten, das neue Baugebiet an der Borner Straße, neue Verkaufsflächen für die Nahversorgung und die Verkehrssituation. Die Laumans-Brücke beschäftigte zu Jahresbeginn die Brüggener. Optenplatz erinnerte an die Geschichte der einst blühenden Tonindustrie, auf die die Brücke verweist. "Lasst uns die Brücke erst einmal bergen, dann sehen wir weiter", sagte Optenplatz. "Wir müssen im Rat eine Mehrheit finden, die Brücke an anderer Stelle aufzubauen."

In Schwalmtal wendeten die Christdemokraten bei Lachs mit Blattspinat und Röstkartoffeln den Blick nach Düsseldorf und Berlin. Stefan Berger, Vorsitzender des CDU-Ortsvereins und Landtagsabgeordneter, rief die Mitglieder dazu auf, "das Kettenhemd" anzuziehen und sich auf den Weg in den Wahlkampf zu machen. Denn die Schwalmtaler hatten zuvor ihren Gast des Abends, den Bundestagsabgeordneten Uwe Schummer, gefragt, warum sich die Bundes-CDU so ruhig verhalte, während die Sozialdemokraten mit Martin Schulz längst im Wahlkampf-Modus seien.

Schummer sprach von einer "Schulz-o-manie", die um sich greife, von einem Mann, der "von sich selbst besoffen" sei. Irgendwann werde der Kater kommen. Schulz sei ein "Dampfplauderer", der sich als Präsident des EU-Parlaments für 365 Tage im Jahr habe Sitzungsgelder auszahlen lassen, weil er ja immer im Dienst sei - ob das auch gelte, wenn er daheim mit der Familie unter dem Weihnachtsbaum sitze?

Auch behaupte Schulz Dinge, die nicht der Wahrheit entsprächen. Er arbeite mit "alternativen Fakten", und dem müsse die CDU begegnen, erklärte Schummer, der dichtete: "Lügen haben kurze Beine, noch kürzer sind dem Schulzi seine." Er warb für ein starkes, wirtschaftlich stabiles Europa, und stellte den CDU-Mitgliedern ein herausforderndes Jahr in Aussicht: "Die Kernelemente der christlichen demokratischen Politik werden angegriffen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie nach den Wahlen noch intakt sind."

In Brüggen nutzten die Grünen die Gelegenheit zum Austausch mit den Ortsverbände aus Nettetal, Niederkrüchten und Schwalmtal. Während die Grenzlandgemeinden die interkommunale Zusammenarbeit vorantreiben, wollen auch die Ortsverbände der Grünen ihre Zusammenarbeit intensivieren. "Wir müssen uns als Ortsverbände vernetzen und Argumentationsketten entwickeln, mit einer Stimme sprechen, um mehr Gehör zu finden", erklärte Brüggens Grünen-Sprecher Ulrich Deppen. Die interkommunale Zusammenarbeit biete aus "grüner" Sicht Chancen, aber auch Risiken. Insbesondere sei es wichtig, die Bürger mitzunehmen, "damit sie nicht denken, da werden Leistungen eingeschmolzen". Mit Blick auf die Landtagswahl im Mai und die Bundestagswahl im September forderte Deppen, ein Zeichen gegen Rechts zu setzen: "Wir müssen jeden Demokraten an die Wahlurne bringen." RP-FOTO: BUSCH

(bigi, biro, jos, off)
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