Viersen Mit Folterkammer und Scheiterhaufen

Viersen · Das Niederrheinische Freilichtmuseum präsentiert eine Ausstellung zu Aberglaube und Hexenverfolgung am Niederrhein

 Mit einem Pferdeschädel gegen den Wasserdämon - dieses Fundstück aus Krefeld-Linn ist eins von rund 100 ausgefallenen Exponaten.

Mit einem Pferdeschädel gegen den Wasserdämon - dieses Fundstück aus Krefeld-Linn ist eins von rund 100 ausgefallenen Exponaten.

Foto: KAISER

Mit zwei Vorurteilen räumt diese Ausstellung mehr als deutlich auf: Hexenverbrennung ist nicht eine Episode aus dem finsteren Mittelalter, sondern am Niederrhein eine aus der beginnenden Neuzeit. Und die Hexenverbrennung ist nicht nur ein hässliches Kapitel der katholischen Kirche, sondern auch der Protestantismus kannte sie in seiner Frühzeit. Martin Luther wird mit dem Ausspruch "Ich will der erste sein, der Feuer an sie legt" zitiert. Die letzte Hexenverbrennung in unserer Region datiert aus dem Jahr 1738 - in (Düsseldorf-) Gerresheim. Wohlgemerkt: Dieser Zeitpunkt liegt nur 50 Jahre vor der Französischen Revolution und 100 Jahre nach dem Tod des Jesuiten Friedrich von Spee, dessen Buch "Cautio Criminalis" gegen den Hexenwahn 1631 anonym erschien. Molière mit seiner den Klerus entlarvenden Komödie "Tartuffe" (1664) lebte da schon nicht mehr, und Lessing, Autor der Aufklärung, war bereits 1729 geboren.

Erstmals hat das Niederrheinische Freilichtmuseum eine Ausstellung übernommen - und der kommissarische Leiter Kevin Gröwig hat gut daran getan. Die in Moers von Diana Finkele entwickelte Ausstellung stand im Kontext der Reihe "Himmelwärts" des Museumsnetzwerkes im Kunstraum Niederrhein. Finkele wollte aber nicht 'gen Himmel schauen, sondern in die entgegengesetzte Richtung: Sie lenkt unseren Blick in tiefe Abgründe. Und auch wenn man von den vielen Opfern des Hexenwahns keine Porträts zeigen kann, ist die Ausstellung keine trockene Dokumenten-Präsentation. In der Ausstellung ist aus Holzscheiten ein Scheiterhaufen aufgebaut, und der Besucher kann - noch ein wenig grusliger - einen Blick in eine Folterkammer werfen. Die echten Werkzeuge und Nachbauten von Daumenschrauben, Aufzugsmaschinen, spanischem Esel und Brustreißer lassen erahnen, wieviel unechte Geständnisse auf diesen "peinlichen Befragungen" fußen.

 Diana Finkele, Leiterin des Grafschafter Museums in Moers, und Kevin Göring (Freilichtmuseum) stellen die Folterkammer vor. Das Kurfürstentum Köln war ein Zentrum der Hexenverfolgung. Im 17. Jahrhundert kamen dabei 1000 Menschen um.

Diana Finkele, Leiterin des Grafschafter Museums in Moers, und Kevin Göring (Freilichtmuseum) stellen die Folterkammer vor. Das Kurfürstentum Köln war ein Zentrum der Hexenverfolgung. Im 17. Jahrhundert kamen dabei 1000 Menschen um.

Foto: KAISER

Eine Karte zeigt auf, wie gerade unsere Region betroffen war. Der Hülser Berg galt wie der Brocken als Hexentreffpunkt. Hüls und Viersen waren zwischen 1480 und 1539 Zentren der Hexenverbrennungen, Kempen zwischen 1580 und 1650. Den Hexenwahn angefacht hatte das Buch "Hexenhammer" des Dominikaners Heinrich Kramer, das 1486 in Speyer erschien und sich zu einem Bestseller entwickelte.

Zu 80 Prozent waren Frauen betroffen. Der Fall von Katharina Henot, einer reichen Patrizierwitwe, lädt dabei zu Spekulationen ein, dass sie verleumdet und aus dem Weg geräumt wurde. Ihre ererbte Postmeisterei stand der Expansion eines zentralisierten Postwesens von Graf Leonhard II. von Taxis im Wege.

In den Bereich der Sagen gehört auch die Geschichte vom Turmbau in St. Hubert. Beim Bau im 16. Jahrhundert ging den Bauherren das Geld aus. Die gefundenen Kratzspuren an Ziegelsteinen des Turmes rühren aber nicht vom Teufel her, sondern sind Zeichen der Maurer, die markierten, bis wohin sie bezahlt worden waren. Auch ein Grefrather Leinenweber ließ sich seine Schulden vom Teufel bezahlen, überlistete ihn aber.

Dass unsere Vorfahren sehr abergläubig waren, zeigt ein Pferdeschädel aus dem 14. Jahrhundert. Er sollte den Neubau der Alde Kerk in Krefeld-Linn vor dem Wasserdämon, dem nächsten Hochwasser, beschützen.

(RP)
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