Marcel Römer "Mit mehr Metal wäre die Welt friedlicher"

Viersen · Die Alternative-Metal-Band Aeverium ist auf Erfolgskurs: Mit dem Auftritt beim diesjährigen Wacken-Festival wurde für die Musiker ein Traum wahr. Frontmann Marcel Römer aus Brüggen über Musik, Metal und Brötchenschmieren im Kindergarten.

 Er liebt Metal, hört aber auch 80er-Pop, Rock und Klassik: Sänger Marcel Römer aus Brüggen.

Er liebt Metal, hört aber auch 80er-Pop, Rock und Klassik: Sänger Marcel Römer aus Brüggen.

Foto: Jörg Knappe

Das Wacken Open Air ist gerade vorüber, jetzt bereiten sich die sechs Musiker von Aeverium auf "Brüggen Klassik" und das Festival "Geldernsein" vor. Die Band aus dem Kreis Viersen hat einen gut gefüllten Terminkalender. Seit der Gründung vor knapp vier Jahren geht es für die Band steil bergauf. Frontmann Marcel Römer (40) aus Brüggen, verheirateter Vater von zwei Kindern, betrachtet die Musik weiterhin als Hobby.

Sie sind gerade zurück vom Festival Wacken Open Air. Wie war's?

Marcel Römer Beeindruckend. Man fühlt sich wie ein kleines Kind in einem riesigen Freizeitpark. Wacken ist ein Dorf mit 2000 Einwohnern - wie Born. Während des Festivals wird die Hauptstraße zur Ballermann-Meile für Metal-Fans. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, vom Großvater bis zum Enkel.

Sie haben in der evangelischen Kirche gespielt, die während der Veranstaltung zur "Metal Church" wurde. Eine ungewohnte Bühne, oder?

Römer Wir haben schon mal in einer Kirche gespielt, nämlich bei der Veranstaltung "Dülken unplugged" in der Kirche St. Cornelius. Aber diesmal sollten wir laut spielen. Vor unserem Auftritt gab es einen Metal-Gottesdienst. Der Pastor hat seine Predigt über unseren Song "Break Out" gehalten. Die Kirche war rappelvoll, und laut Security standen draußen noch 1000 Leute. Und dann kamen wir rein, haben als ersten Song sofort "Break Out" gespielt. So sind wir noch nie abgefeiert worden. Das war das Highlight unserer bisherigen Bandkarriere.

Haben Sie durch die Predigt einen anderen Blick auf den Song gewonnen?

Römer Nein, wir machen uns ja Gedanken, wenn wir die Songs schreiben. Die Texte schreibt unser Gitarrist Michael Karius, und dann diskutieren wir darüber. Eigentlich könnten wir uns fast eine christliche Metal-Band nennen. Wir singen nicht über Gott und die Bibel, aber eben über christliche Themen im weitesten Sinne, über Nächstenliebe zum Beispiel oder die Frage, was mir Halt gibt. Uns ehrt es, dass wir in der Kirche spielen durften. Ich habe zum Publikum gesagt: Hier gehören wir hin.

Als die Band im vergangenen Jahr beim Viersener Festival "Eier mit Speck" auftrat, sagten Sie, als nächstes gehe es nach Wacken ...

Römer Das sollte eigentlich ein Scherz sein! Im Frühjahr 2016 waren wir zu einem Benefizkonzert für die Flüchtlingshilfe in Bielefeld eingeladen, und es kamen kaum Zuschauer. Das war sehr frustrierend, der Tag schien gelaufen. Aber wir haben trotzdem gespielt. Nach uns spielte die Band Baltic Sea Child - der Sänger singt auch bei Fury in the Slaughterhouse. Nach dem Konzert sprachen uns der Sänger und der Manager an. Dieser hat dann den Kontakt zu den Wacken-Organisatoren hergestellt. Als jetzt im Frühjahr unser zweites Album "Time" rauskam, ging's direkt auf Tournee. Drei Tage nach Ende der Tour kam eine Mail aus Wacken mit der Frage, ob wir dabei sein wollen.

Als Vater von zwei Kindern sind Sie Vorsitzender im Elternrat des DRK-Familienzentrums Sternenland in Bracht. Können Sie basteln?

Römer Nein, das kann ich nicht so gut. Aber ich kann Brötchen schmieren, Kuchen verkaufen, beim Martinszug die großen Sternen-Laterne halten und mit den Kindern auf Ostereiersuche gehen.

Warum engagieren Sie sich?

Römer Weil ich den Kindergarten mag. Die machen einen tollen Job, und es ist schön, etwas für die Einrichtung tun zu können. Ich engagiere mich gern für Menschen, aber ich muss nicht darüber reden. Mit Aeverium haben wir zum Beispiel einen Teil der Einnahmen aus dem Verkauf von Merchandising-Artikeln für die Kinder- und Jugendarbeit in Wacken gespendet.

Ihre Frau ist Friseurin. Kümmert sie sich auch um Ihre Frisur?

Römer Meine Dreadlocks hat der gute Dennis von "Dreads4you" aus Köln gemacht. Um die Nachpflege kümmert sich auch meine Frau. Sie hat extra eine Häkelnadel für meine Haare gekauft. Wenn wir abends vor dem Fernseher sitzen, häkelt sie jetzt an meinen Haaren herum.

Sind Sie eingefleischter Metal-Fan?

Römer Ach, mein Musikgeschmack ist so breit gefächert. Ich höre auch viel 80er-Pop, Rock, Singer/Songwriter, Klassik, sogar Peter Maffay. Was ich toll finde an der Metal-Szene: Diese Offenheit, diese Freundlichkeit, das ist generationenübergreifend. Ich bin überzeugt: Wenn die Welt mehr Metal hören würde, wäre sie friedlicher.

Bei "Brüggen Klassik" treten Aeverium mit akustischen Instrumenten auf. Muss Metal nicht laut sein?

Römer Im Gegenteil. Die eingängigen Melodien, die unsere Songs begleiten, kann man unglaublich gut mit einem Ensemble spielen. Auch als Musiker befasst man sich bei "unplugged"-Konzerten viel mehr mit dem Filigranen in der Musik. Wenn's nach mir ginge, würden wir das Ganze mal mit Sinfonieorchester spielen. Aber da fehlt uns noch der Sponsor.

Wo geht es jetzt musikalisch hin?

Römer Unser Ziel ist die dritte Platte. Wir wollen auf vielen Festivals spielen, wir haben festgestellt, dass wir eine echte Festivalband. Und wir träumen natürlich davon, mit einer großen Band auf Tour zu gehen, mit Lacuna Coil, Rammstein oder With-in Temptation. Ganz wichtig ist uns aber, dass es allen weiterhin Spaß macht. Das nehmen, was kommt, und das Beste daraus machen. Wir wollen jetzt keine großen Rockstars werden. Für uns ist Aeverium weiterhin ein intensives Hobby.

Sie regen sich mitunter sehr darüber auf, wenn Konzertbesucher später kommen, um das Eintrittsgeld zu sparen, oder irgendwo sitzen, wo sie auch ohne Karte zuhören können.

Römer Bei "Brüggen Klassik" habe ich mich letztes Jahr sehr darüber aufgeregt, das stimmt. Da saßen Leute mit Stühlen und Kühlbox auf der anderen Seite des Burgweihers und hörten zu. Das hasse ich wie die Pest. Diese Leute könnten mir als Musiker oder dem Veranstalter genauso gut ins Gesicht spucken. Es steckt so viel Aufwand, Herzblut und nicht zuletzt Geld hinter so einer Veranstaltung. Für ein solches Verhalten habe ich kein Verständnis und möchte für diese Menschen auch keine Musik machen.

Haben Sie neben Aeverium noch Zeit für andere Projekte?

Römer Ich habe meine Rockcoverband Saitenkracher und singe auch ab und an in der Coverband Heavens Club, zuletzt beim Altstadtfest in Brüggen. Musikalisch hat Aeverium Priorität. Die höchste Priorität in meinem Leben hat aber meine Familie - und das ist auch gut so.

BIRGITTA RONGE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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