Viersen "Nachtschicht" für die Flüchtlinge

Viersen · Das Viersener Bündnis für Familien lud die Bürger zum Stadtgespräch über das Thema "Flüchtlinge" ein.

 In Viersen sind inzwischen rund 400 Flüchtlinge in Wohnungen im Stadtgebiet untergebracht.

In Viersen sind inzwischen rund 400 Flüchtlinge in Wohnungen im Stadtgebiet untergebracht.

Foto: Busch

Zum jüngsten "interVIEw" des Bündnis für Familien im Stadthaus kamen rund 100 Bürger - ihr Fazit am Ende der gut 100 Minuten war durchweg positiv. Sachlich und informativ war die Veranstaltung und: Die Asylbewerber und Flüchtlinge sind in der Kreisstadt nicht nur angekommen, sondern werden in der Tat auch angenommen. Knapp 1000 Flüchtlinge und Asylbewerber sind es derzeit in Viersen. Rund 100 mehr werden es zur Jahreswende sein. Beigeordneter Paul Schrömbges: "Im Juni des kommenden Jahres dürfte die Zahl bei 1900 liegen."

Schrömbges machte deutlich, dass "schon mal Nachtschichten" von den Mitarbeitern der Stadtverwaltung erbracht werden müssen und das man so langsam "die Grenze der Belastbarkeit" erreicht habe. "Als Kommune wissen wir nicht, wie viele Asylbewerber und Flüchtlinge wir insgesamt bekommen", so der Dezernent. "Es gibt mit der Bezirksregierung einen regelmäßigen Austausch."

Worauf Viersen sicherlich stolz sein kann, ist die Tatsache, dass rund 400 Menschen in Wohnungen untergebracht sind. Schon jetzt habe die Stadtverwaltung mit der Planung der zweiten Jahreshälfte 2016 begonnen. Wichtig sei es, so Schrömbges, "die Menschen in die Gesellschaft zu integrieren und den Blick nach vorn zu richten". Die Stadt steht in ständigem Kontakt mit den Kindertagesstätten und Schulen. Schrömbges betonte im Rahmen der Diskussionsrunde, dass auch das "Ehrenamt Grenzen hat."

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Der SKM Kempen-Viersen e.V. hält die Integration der Frauen für wichtig. Der SKM hat sich mit rund 40 Ehrenamtlern beim Flüchtlingssozialdienst auf den Weg gemacht und bietet Sprachkurse, aber auch eine Hausaufgabenbetreuung an. Claudia Holthausen vom Zonta-Club Viersen berichtete, dass in Viersen-Hamm das eingeführte Frauenfrühstück für Frauen mit nichtschulpflichtigen Kindern sehr gut angenommen werde. Es hat bereits acht oder neun solcher Treffen gegeben und inzwischen habe sich bereits ein "fester Stamm" gebildet mit Frauen aus Syrien, Eritrea und anderen Ländern. Das Ziel des Zonta-Clubs: "Die Frauen und Kinder sollen sich wohlfühlen und entspannen."

Höchst interessant sind die Informationen, die Stefan Jansen über das Clearing-Haus gab, das es seit dem vergangenen Jahr in Viersen gibt. In dem Haus werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut. "Die Jugendlichen, die zu uns kommen, die können bei uns zur Ruhe kommen", sagte Jansen. Viele im Clearing-Haus kommen aus Syrien und Afghanistan. Er nannte ein Beispiel, wie es den jungen Menschen in ihrer Heimat vor ihrer Flucht ergangen ist: "Ein Jugendlicher wurde von den Taliban entführt und gefoltert. Der Vater hielt ihn ein halbes Jahr in seinem Haus versteckt und ermöglichte ihm dann auch finanziell die Flucht." Da mussten erst einmal einige Besucher "schlucken", denn es sind Minderjährige, die die Grausamkeiten der Taliban am eigenen Leib erfahren mussten. Dolmetscher und Psychologen gibt es im Clearing-Haus, wo "ein strukturierter Tagesablauf von großer Bedeutung" sei. Inzwischen haben die Jugendlichen auch Fahrräder bekommen. Großzügige Spenden machten dies möglich. Nach vier bis fünf Monaten verlassen sie das Haus. Vor Weihnachten gibt es noch ein Fest, zu dem auch die Nachbarn eingeladen werden.

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Robert Schlömer von der Migrantenambulanz des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) stellte die Arbeit nachvollziehbar vor. Seit dem Jahr 2006 gibt es diese Ambulanz, die Menschen aus vielen Nationen schon geholfen hat. "Es gibt viele traumatisierte Patienten. Sie haben Angst, sie haben psychische Probleme", sagte Schlömer. Immer wieder sind die fehlenden deutschen Sprachkenntnisse ein Problem. Schlömer: "Diese Menschen benötigen einen sicheren Rahmen."

Man war sich einig, dass die Sprache ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration ist. Ein Helfer für die Asylbewerber und Flüchtlinge kann auch die "Familien-VIEbel" sein, die es seit einigen Jahren in Viersen gibt und die sich unter anderem auch ganz speziell in einem Abschnitt mit den Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt und Hinweise gibt. Doch ist ebenso auch ungewiss, wie lange der Flüchtlingsstrom anhält und wann die Belastung der Kommunen und Ehrenamtler nicht mehr tragbar sein wird. Schrömbges gestand ein, dass auf Grund der Dringlichkeit bei der Bewältigung der Asyl- und Flüchtlingsproblematik auch schon mal "andere Vorgänge warten müssen".

(mab)
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