Viersen Parteiwerbung, die haften bleibt

Viersen · SPD-Ratsherr Manuel García Limia sammelt Wahlkampfaufkleber: Mehr als 4000 Sticker hat der 46-Jährige schon zusammen

Das waren noch Zeiten, als mit klaren Bekenntnissen und herzhafter Polemik Wahlkampf betrieben wurde: "Stoppt Strauß, solange es noch geht" heißt es auf einem Aufkleber aus dem Jahr 1980. Damals wollte Franz-Josef Strauß als erster Kanzlerkandidat der CSU Helmut Schmidt aus dem Amt drängen. "Macht mit beim Kanzlersturz", wetterten die Jusos 1984 auf ihrem Sticker gegen CDU-Kanzler Helmut Kohl - mit wenig Erfolg, wie wir heute wissen. "Mir stinken die Linken", skandierte 1976 die Junge Union und zog mit einem hübschen Uschi-Glas-Verschnitt mit Blume im Mund und Boxhandschuhen in den Wahlkampf.

"Die 1970er und 1980er Jahre waren die Hoch-Zeit für politische Aufkleber", sagt Manuel García Limia (46). Der SPD-Ratsherr ist Sammler aus Leidenschaft: Kronkorken, Briefmarken, aber auch Aufkleber aus dem Wahlkampf. Mit einem "FJS"-Aufkleber für Franz-Josef Strauß begann er 1980 seine Sammlung. Nicht, dass er FJS politisch nahe gestanden hätte: 1989 trat García Limia in die SPD ein. Bei den Wahlkämpfen ging er seitdem auf die Jagd, und bei dem Internetauktionshaus E-Bay kaufte er Schätzchen hinzu. Gut 4000 Exemplare hat er inzwischen beisammen, und zu fast jedem kann er aus dem Stehgreif eine Geschichte erzählen.

Meist kann man am Design erkennen, aus welcher Zeit der Aufkleber stammt. Und an den Farben. 1972 war die Parteifarbe der Sozialdemokraten Orange. Das galt auch für den Wahlkampf-Klassiker "Willi wählen". "Orange war die Farbe der Zeit. Ich vermute aber auch, dass sich die SPD damals vom linken Image mit der Symbolfarbe Rot distanzieren wollte", erklärt García Limia. Auch die Grünen mit ihren Sonnenblumen als Klassiker hortet García in seinen Schubladen.

Die 1980er Jahre waren die Zeit der Botschaften. Keine Frage, die Wahlkämpfer versteckten sich nicht hinter Plattitüden wie "Zukunft jetzt" oder "Für einen starken Euro" . Zugegeben, es gab Ideen, die ins Geschmacklose abdrifteten: etwa die Auflösung von FDP als "Fruchtbar, Deutsch, Paarungswillig".

Auch Personenwahlkampf wurde schon früh betrieben: Willy Brandt, Helmut Schmidt und Franz-Josef Strauß - die Recken der Politik gab es seinerzeit zum Abziehen und Dran-Pappen. Manch ein verstorbener Landtagskandidat erscheint mit dem Wissen von heute in einem anderen Licht: "Mit Uwe Barschel auf klarem Kurs voran" warb der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein (CDU) 1983 für seine Wiederwahl. Vier Jahre später wurde er unter mysteriösen Umständen tot in der Badewanne eines Genfer Hotels aufgefunden. Ebenfalls ein Stück Zeitgeschichte: Jürgen Möllemann. "NRW braucht Tempo" lautete der Aufkleber-Spruch im Landtagswahlkampf 2000. 2003 starb der FDP-Politiker bei einem Fallschirmsprung.

In den 1990er Jahren verloren die politischen Aufkleber an Bedeutung. Die Zeit änderte sich und mit ihnen die politischen Möglichkeiten. "Die Jugend war nach 16 Jahren Kanzler Kohl entpolitisiert", interpretiert García Limia die Entwicklung. Inzwischen sieht der SPD-Ratsherr wieder eine Kehrtwende hin zu mehr Aufklebern. "Die einzigen, die konsequent immer Botschaften hatten, sind die Linken. In der Hinsicht sind sie sehr konservativ", sagt García Limia.

Querbeet durchs Parteienspektrum hat er die Zeitzeugnisse gesammelt. Manche haben einen "Ach-ja-da-war-mal"-Effekt - etwa bei der "Friedensliste" oder der "Allianz für Deutschland". Aber selbst wenn die Partei längst Geschichte ist: Der Aufkleber bleibt haften.

(RP)
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