Viersen Protokoll einer Inobhutnahme durch das Jugendamt

Das Protokoll einer Inobhutnahme durch das Jugendamt Viersen zeigt exemplarisch anhand eines Beispielfalls, wie eine solche Maßnahme in der Realität abläuft. Alle Namens- sowie Zeitangaben wurden anonymisiert.

Frau Schneider und ihr Sohn Jannick werden seit 2017, durch den Jugendhilfeträger betreut. Der entsprechende Antrag auf Hilfe zur Erziehung wurde 2017 nach mehrmaliger Aufforderung durch die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter gestellt.

Vorausgegangen waren mehrere Meldungen seitens der Grundschule. Die Grundschule machte mehrfach darauf aufmerksam, dass der Junge teilweise täglich zu spät zum Unterricht erscheine und bei Fernbleiben nicht durch seine Mutter entschuldigt werde. Zudem sei die Kindesmutter in der Vergangenheit mehrfach nicht erreichbar gewesen.

Am 01.08.2017 erhielt das Jugendamt eine E-Mail der Schulsozialarbeiterin, die das Kind im Ferienprogramm der Stadt/Gemeinde ... betreut. In dieser Mail berichtet sie, dass Jannick am ersten Tag des Ferienprogramms ohne Anruf oder Abmeldung der Kindesmutter fernblieb.

Daraufhin sei die Kindesmutter telefonisch kontaktiert worden. Im Rahmen des Telefonats habe Frau Schneider verschlafen mitgeteilt, dass ihr Sohn am nächsten Tag kommen werde.

Die folgenden Tage erschien Jannick täglich zu spät in der Ferienmaßnahme. Von insgesamt acht Tagen habe man Frau Schneider vier Mal telefonisch kontaktieren müssen, da ihr Sohn erheblich zu spät war.

Am 05.08.2017 habe Frau Schneider ihren Sohn gegen 16 Uhr in der Ferienmaßnahme abgeholt. Hierbei stellten drei unabhängig voneinander betreuende Personen einen Alkoholgeruch bei der Kindesmutter fest. Zudem machte sie auf die Betreuerinnen einen merkwürdigen bis auffälligen Eindruck hinsichtlich ihres Verhaltens.

Die Familienhilfe wurde am gleichen Tag über die o.g. Meldung informiert.

Mit der Familienhilfe wurde ein Termin zum Gespräch mit Frau Schneider für den 10.08.2017 vereinbart.

Am 10.08.2017, 9 Uhr, kam die Kindesmutter in Begleitung der Familienhilfe in die Dienststelle.

Auch auf die Mitarbeiterin machte die Kindesmutter im Rahmen des Gesprächs einen merkwürdigen und verwirrten Eindruck. Frau Schneider wurde mehrfach danach gefragt, ob sie derzeit Drogen konsumiere. Dies verneinte sie mehrfach. Frau Schneider wurde seitens der Mitarbeiterin zu einem umgehenden Drogenscreening aufgefordert.

In Begleitung der Familienhilfe wurde Frau Schneider um 9:45 Uhr zum Screening entlassen.

Am 13. August 2017 um 15 Uhr erhielt die Mitarbeiterin eine E-Mail mit dem Ergebnis des Screenings. Das Screening zeigte positive Werte in den Bereichen Cannabis, Amphetamine und Ethylglucoronid. Nach Rücksprache mit der Apotheke wurde deutlich, dass Frau Schneider regelmäßig Drogen, sowie aktuell Alkohol konsumiere.

Die Mitarbeiterin hielt daraufhin Rücksprache mit der stellvertretenden Teamleitung. Diese hielt daraufhin Rücksprache mit dem Abteilungsleiter. Nachdem die Beteiligten sich dahingehend einig waren, dass der Junge vorerst nicht weiter im Haushalt der Kindesmutter verbleiben könne, wurde gemeinsam mit zwei Mitarbeiterinnen ein Hausbesuch gemacht.

Nach Eintreffen der Fachkräfte vor Ort öffnete der Junge die Haustüre.

Die Frage, ob seine Mutter auch da wäre, bejahte er und ließ die Fachkräfte ins Haus.

Bereits im Hausflur konnte ein Cannabisgeruch wahrgenommen werden. Der Geruch verstärkte sich im oberen Wohnbereich. In der Küche konnte ein noch glühender Joint gesichtet werden.

Das Kind befand sich währenddessen wieder in seiner selbstgebauten Höhle im Zimmer seines vermeintlichen Vaters und beschäftigte sich mit seinem Laptop. Die Küche befindet sich nur wenige Meter von diesem Zimmer entfernt. Die Räume waren zum Zeitpunkt der Überprüfung nicht verschlossen, sodass auch das Kind den Cannabisqualm einatmen musste.

Daraufhin wurde mit Frau Schneider ein Gespräch im Erdgeschoss des Hauses geführt.

Eine Mitarbeiterin kümmerte sich währenddessen um die Betreuung des Kindes.

Das Gespräch und die äußere Erscheinung von Frau Schneider machten deutlich, dass diese unter dem Einfluss von Drogen steht. Die Mutter bestätigte den Konsum von Cannabis, bestritt jedoch den Konsum anderer Drogen.

Auf die Ergebnisse des Screenings angesprochen gab sie, zu am gestrigen Morgen Speed konsumiert zu haben, um fit für den Tag zu sein. Frau Schneider zeigte sich im Rahmen des Gesprächs nicht einsichtig und bagatellisierte ihren Drogenkonsum.

Der Kindesmutter wurde mitgeteilt, dass ihr Sohn unter den aktuellen Umständen keinesfalls bei ihr verbleiben könne. Frau Schneider wurde darüber in Kenntnis gesetzt, welche Maßnahmen erforderlich werden, wenn sie der Unterbringung ihres Sohnes nicht zustimme. Sie unterschrieb daraufhin den Antrag auf Unterbringung.

Während eine Mitarbeiterin einige Dinge für ihren Sohn zusammenpackte, konnte auch mit dem vermeintlichen Kindesvater gesprochen werden. Dieser teilte mehrfach mit, dass er der leibliche Vater des Jungen sei. Die Vaterschaft habe er bislang nicht anerkannt, da er befürchtete von seiner Exfrau mit dem Auto überfahren zu werden. Der Mann wurde aufgefordert sich schnellstmöglich um die Klärung der Vaterschaft zu bemühen.

Jannick wurde am 16.08.2017 gegen 18:45 Uhr in einer Bereitschaftspflegestelle untergebracht.

(saja)
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