Nettetal Regiobahn: Mit Zugkraft ans Ziel

Nettetal · Die Diskussion um die Regiobahn eröffnet dem Raum Nettetal und Viersen eine ganz neue Mobilitäts-Perspektive. Ihre Verlängerung könnte die IC-Verbindung Eindhoven-Düsseldorf beschleunigen.

Das Vertrauen in die Leistungskraft von Bahnunternehmen und ihrem gesamten Umfeld ist kurz vor Weihnachten noch einmal nachhaltig erschüttert worden. Die Deutsche Bahn wird schon lange von Kunden am Niederrhein für miserable Dienstleistung gescholten.

Und den sehnlichst erwarteten Nachfolger Eurobahn stoppte das Eisenbahnbundesamt, das den nagelneuen Triebwagen bisher keine Genehmigung erteilt: Die Hersteller bekleckern sich nicht gerade mit Ruhm.

Ausgerechnet in dieser Phase diskutiert die Politik nun über eine Erweiterung des Angebots auf der Schiene: Man will die Regiobahn (Kaarst-Mettmann) über Viersen bis Venlo verlängern. Das verkürzt, weil Mönchengladbach nicht mehr angefahren wird, die Fahrzeit über Neuss nach Düsseldorf. Zugleich hofft man auf eine Intercity-Verbindung zwischen Eindhoven und Düsseldorf. Sie wäre endlich wieder der direkte Anschluss an ein Fernstreckennetz, das einst Kaldenkirchen und Viersen mit der Welt verband.

Regionalexpress 13

Der Regionalexpress (RE) 13 verkehrt heute von Venlo über Mönchengladbach, Düsseldorf und Wuppertal bis Hamm. Auftraggeber ist der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR). Bisher bediente die DB Regio die Verbindung, seit Mitte Dezember fährt hier die Eurobahn.

Der Regionalexpress verdient zwischen Mönchengladbach und Venlo allerdings diese Bezeichnung nicht: Weil er an jedem Haltepunkt stoppt, mutiert er auf diesem Abschnitt zur Regionalbahn mit Bummelzug-Charakter. Wird die Regiobahn verlängert, pendelt der RE 13 nur noch wie eine Regionalbahn zwischen Venlo und Mönchengladbach.

Regionalexpress 8

Im Kern bedient der RE 8 die Strecke Mönchengladbach-Köln-Koblenz, verkehrt aber auch sporadisch von bzw. bis Venlo. Nach den Vorstellungen der Planer soll dieser Zug demnächst im Stundentakt immer bis/von Venlo fahren und dann allerdings als Regionalexpress weniger Bahnhöfe bedienen. In Nettetal entfiele der Halt im Bahnhof Kaldenkirchen, in Viersen Dülken und Boisheim. Der RE 8 hielte außer in Viersen nur in Breyell, wo die Stadt Nettetal mit Millionenaufwand ihren zentralen Bahnhof mit Busbahnhof und P+R-Platz realisiert.

Regiobahn

Auslöser der ganzen Diskussion sind Überlegungen, die Regiobahn bis nach Venlo zu verlängern. Sie fährt heute als S 28 zwischen Kaarster See-Düsseldorf-Mettmann im 20-Minutentakt. Für 58 Mio. Euro kann die vorhandene Gleistrasse zwischen Kaarster See über Neersen und Schiefbahn bis zum Bahnhof Viersen verlängert werden. Der S 28 soll dann alle zwanzig Minuten ab Viersen in Richtung Düsseldorf pendeln.

Regionalexpress 28

Diese Verbindung wäre neu. Sie soll zwischen Düsseldorf über Neuss, Kaarst und Viersen stündlich nach Venlo fahren. Der RE 28 hielte in Dülken, Boisheim, Breyell und in Kaldenkirchen.

HST Cross Border

Hinter diesem Arbeitstitel steckt der ehrgeizige Plan der Niederländer, eine Intercity-Verbindung (nicht ICE) zwischen Düsseldorf und Eindhoven zu schaffen. Auftrieb bekommen hat der Plan durch die Regiobahn-Überlegungen. Denn der Zug führe über Venlo und Viersen auf der Regiobahn-Trasse, also vorbei an Mönchengladbach, direkt nach Düsseldorf (Ziel: Flughafen). Das macht insofern Sinn, weil der Zug nicht, wie der RE 13, im Bahnhof Mönchengladbach wenden müsste (Kopf machen). Er wird nur in Venlo und allenfalls in Viersen halten, nicht in Nettetal.

Anschluss an die Welt

Die Region Eindhoven entwickelt sich zu einem Wissenschafts- und Technologiezentrum von europäischem Rang. Aber sie benötigt, um den Science-Park nachhaltig zu fördern, bessere Verkehrsanbindungen. Eindhoven will unbedingt schnelle Zugverbindungen nach Aachen (und weiter nach Köln) sowie über Venlo nach Düsseldorf realisieren.

Die NRW-Landeshauptstadt steht in Eindhoven ganz oben auf der Agenda. Denn verkehrstechnisch ist Düsseldorfs Flughafen schneller erreichbar als Schiphol in Amsterdam. In Venlo hat man den Reiz einer Intercity-Verbindung sofort erkannt. Die aufstrebende Agrobusiness-Region braucht ebenfalls weltweite Verkehrsanbindungen — für den Handel, vor allem für die wachsende Hochschulstadt Venlo. Prognosen sagen voraus, dass die Region Venlo künftig mehr als 15 000 neue (!) Arbeitsplätze schaffen wird.

Dafür benötigt die Stadt den Bau der A 74 ebenso wie eine leistungsstarke Schienenverbindung in alle Richtungen. Der Holperzug RE 13, der auch noch umständlich in Mönchengladbach wenden muss, damit er nach Düsseldorf kommt, ist aus Sicht der niederländischen Geschäftswelt eine einzige Katastrophe.

Nach Köln kommt man nicht mehr, seit der einstige D-Zug von Rotterdam in die Domstadt gekippt wurde. Das ausgerechnet im zusammenwachsenden Europa eine qualitativ so wichtige Verbindung gestrichen wurde, ist ein Treppenwitz, den sich nur Verkehrsplaner einfallen lassen können.

Chance für die Region

Es gibt viele Hemmnisse auf dem Weg zu einer besseren Schienenverbindung zwischen Rhein und Maas. Die Trassenkosten in Deutschland sind um ein Vielfaches höher als in den Niederlanden und damit unwirtschaftlich. Sie verhindern eher die Entwicklung, als dass sie den Schienenverkehr fördern. Lokalpolitiker schaudern vor den Kostendes Ausbaus der Regiobahn.

Aber ohne Gegenleistung kann die Gesellschaft nicht mobiler und unabhängiger vom Auto gemacht werden. Wer die CO2-Belastung wirklich senken will, muss an solchen Stellen Farbe bekennen — und nach Wegen suchen, wie Mobilitätskosten intelligent umgeschichtet werden können.

Besonders ärgerlich aber ist das 13 Kilometer lange Loch zwischen Kaldenkirchen und Dülken: Die Strecke ist seit Kriegsende, als die Briten als Reparationsleistungen Gleise abbauten, nur eingleisig. Damit ist die Belastbarkeit der Strecke von Rotterdam bis Köln durch dieses Nadelöhr (und auf einem Abschnitt in Mönchengladbach) erheblich eingeschränkt.

Darin steckt aber auch eine große Chance. Vor einem Mehr an Personen- und Güterzügen muss sich niemand fürchten. Denn wird der Abschnitt ausgebaut, muss für Lärmschutz gesorgt werden. Eine ausgebaute Schienenstrecke käme also nicht nur dem grenzüberschreitenden Intercity oder dem wachsenden Güterverkehr zu gute. Sie eröffnete auch der S 28 oder dem RE 28 eine andere Taktfrequenz zwischen Venlo und Düsseldorf.

(RP)
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